In etwa fünf Jahren wird es keine Komiker mehr geben. Nicht, weil die älteren unter den heutigen Stars ins Pensionsalter driften und keine talentierten Leute nachrücken. Die Gattung wird verschwinden, weil Satiriker in ihren Shows zu viele reizbare Menschen beleidigen, zu viele Gefühle verletzen, mit ihren Witzen zu sehr aufs kollektiv gekränkte Nervensystem drücken. Politisch inkorrekte Komik ist in einer von Überempfindlichkeit und Opferhysterie geprägten Gesellschaft nicht mehr zeitgemäss.
Vergangene Woche zerfetzen selbsternannte Rachegöttinnen Amy Schumer, eine der schillerndsten Sterne am amerikanischen Comedyhimmel. Schumer (35), selbsterklärte Feministin und Künstlerin, die sich in ihren Shows häufig über sich selbst lustig macht, hat den Fehler begangen und eine schwarze Sängerin beim Singen und Twerken imitiert – Beyoncé. In Beyoncés 'Formation'-Originalvideo geht es um die Erstarkung von schwarzen Frauen, das Lied lehnt sich an die Bewegung Black Lives Matter.
"Es gibt keine Entschuldigung für Amy Schumer, die kulturelle Bedeutung von 'Formation' für Schwarze nicht zu kennen, ich hoffe, das schadet ihrer Karriere", twitterten empörte Internetrebellinnen. "Es ist ein verdammtes Hassverbrechen, ihr diese Parodie zu erlauben und sie auf Tidal zu veröffentlichen." Der Musik-Streamingdienst Tidal gehört Beyoncés Ehemann Jay-Z. Nur schien sich dort niemand daran zu stören. Schumer erklärte später, die beiden hätten ihr Einverständnis gegeben und es sei nie als Parodie gemeint gewesen, sondern: "Frauen feiern andere Frauen."
Gags schreiben mit Rassismus-Warnsystem im Hinterkopf?
Gegen Rassismus einzutreten, ist wichtig. Nur zielt die heutige Political Correctness völlig an ihrem Ursprungsziel vorbei, Misstände gegen Randgruppen zu bekämpfen, und vergiftet stattdessen die künstlerische Freiheit. Gags schreiben mit Rassismus-Warnsystem im Hinterkopf und drohende Anzeigen von beleidigten Zuschauern nach einer Show – der Komikerjob wird dereinst so befriedigend sein wie ein Sonntagsspaziergang durch ein Minenfeld. Dieter Nuhr, Chris Tall, die Schweizer Birgit Steinegger und Michael Elsener, alle wurden sie schon von Radikalsensiblen zu Rassisten erklärt, letzterer, weil er Secondos aus dem Balkan parodierte. Im 20 Minuten sagte dazu ein Schweizer Rapper albanischer Abstammung: "Besonders problematisch ist, dass Elsener nichts mit der Kultur aus dem Balkan am Hut hat. Einem 'Jugo' würde man solche Witze verzeihen, bei einem Schweizer ist es schwierig."
Das lässt ja doch noch ein wenig hoffen für die globale Satirezunft. Secondos dürfen sich also über Secondos lustig machen. Dicke über Dicke, Muslime über Muslime, Frauen über Frauen, Schwarze über Schwarze. Dass dem tatsächlich so ist, zeigt US-Komiker Chris Rock: "Wer sind die größten Rassisten, Weiße oder Schwarze? Schwarze, weil wir die Schwarzen ebenfalls hassen", lautet einer seiner Lieblingswitze. Natürlich macht er sich damit nicht nur Freunde, aber seiner Karriere haben solche Rassenwitze bisher kaum geschadet – bis, ja bis er sich als Moderator der diesjährigen Oscars einen Gag über Asiaten leistete. Da wurde auch er von Betroffenheitsaktivisten flugs mit der Rassismuskeule gezüchtigt.
Neulich habe ich ein YouTube-Video gesehen, in dem Neil deGrasse Tyson, einer der weltweit angesehensten Astrophysiker und populärer Debattenredner, erklärt, wie man mit überempfindlichen Menschen in einem Publikum umzugehen habe: "Wenn man Worte oder Aussagen benützt, die jemand als kränkend empfinden könnte, sollte man Sätze darum bilden und sie auf eine Art formen, dass sie kugelsicher sind gegen Missverständnis oder Missbrauch." Tyson hat seine Empfehlung zwar nicht auf Comedians bezogen, offenbart damit jedoch ihr Dilemma.
Damit sich kein einziger Zuhörer je verletzt oder diskriminiert fühlt, müsste ein Komiker seine Pointe verbal etwa so aufgleisen: "Mit meinen nächsten Worten möchte ich keineswegs Frauen herabwürdigen. Ich möchte sie auch nicht auf die gleiche Stufe setzen mit Hunden. Ich würde weder eine Frau noch einen Hund je in einen Kofferraum sperren. Ich respektiere alle Menschen und Tiere. Und hier also der Witz: Schliesse deine Frau und deinen Hund in den Kofferraum ein. Warte 15 Minuten und öffne den Kofferraum. Wer freut sich, dich zu sehen?" Die Comedy der Zukunft.
Tamara Wernli arbeitet als freischaffende News-Moderatorin und Kolumnistin bei der Basler Zeitung. Dort erschien dieser Beitrag auch zuerst. In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gender- und Gesellschaftsthemen