Robert Habecks Häkelkränzchen jubeln über die mit vielen Milliarden erkauften Ansiedlungen der Chip-Hersteller Intel und TSMC, anstatt eigene Innovationen zu fördern, doch die werden in die USA getrieben.
Der Blog All Electronics schreibt: „Anfang 2022 hatte die Politik in Form der Europäischen Kommission mit dem EU Chips Act ein 'Ökosystem' der Chipherstellung angekündigt. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und internationalen Partnern sollen mehr als 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisiert werden. Ziel ist es, den derzeitigen Marktanteil der EU bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln.“
Hintergrund dieser Initiative ist die überragende geostrategische Bedeutung, die Halbleiter in der modernen Welt haben. Sie sind für die Stromversorgung zuständig, dienen als Steuer- und Recheneinheit sowie als Speicherelement. Das heutige Leben mit automatisierten Fertigungs- und Überwachungsprozessen, aber auch privat mit Computern, Smartphones und Ähnlichem ist ohne Halbleiter undenkbar. Selbst Toaster und Kaffeemaschinen benötigen diese. Und je mehr die Digitalisierung fortschreitet, desto unabdingbarer sind Halbleiter. Ohne sie gehen hier die Lichter aus, selbst der Staat als solcher funktioniert nicht mehr.
Während der Corona-Zeit wurde deutlich, wie abhängig wir dabei von China und Südostasien sind. Samsung aus Südkorea ist beispielsweise der größte Halbleiterfertiger weltweit. Verschärft wird die Situation durch die Pläne Chinas, Taiwan anzugreifen. Wenn die EU plant, eine Verdoppelung des Marktanteils auf 20 Prozent zu erreichen, dann heißt das umgekehrt, dass die EU bisher zu 90 Prozent auf den Import von Halbleitern angewiesen ist. Gut zwei Drittel aller Halbleiter werden in Taiwan, Südkorea, China und Japan hergestellt. Damit sind wir im selben oder sogar noch höheren Maße abhängig und folglich erpressbar wie beim russischen Gas.
Die EU hinkt auch hier hinterher
Man sollte sich aber keine zu großen Hoffnungen machen, denn wie der Blog ZDNET schreibt:
„Die Herstellung von Halbleitern ist kompliziert. Aufgrund der aktuellen Mangelsituation bei Halbleitern wird immer wieder der Vorschlag gemacht, dass sich Länder und Unternehmen stärker unabhängig machen und eigene Halbleiter produzieren sollten. Beispielsweise wäre es von Vorteil, die Halbleiterindustrie in Deutschland zu stärken. Das ist allerdings nicht so einfach, weil große Kompetenzen nötig sind, um hochwertige Halbleiter herzustellen. So wird beispielsweise modernste Technologie benötigt, um Halbleiter so zu konstruieren, dass sie auf einer extrem dünnen und kleinen Oberfläche Platz finden. Hinzu kommt, dass sich Kompetenzen und Erfahrungen, die über Jahrzehnte gesammelt wurden, nicht innerhalb kürzester Zeit aufholen lassen.“
Ein weiterer, häufig übersehener Aspekt, ist das intellektuelle Eigentum (IP). Patente verhindern, dass man einfach selber etwas bauen könnte, selbst wenn es mit den deutschen Energiekosten ginge, was nicht der Fall ist. Vor diesem Hintergrund sind die teuer erkauften Ansiedlungen von Intel und TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) zu bewerten (Achgut berichtete). Letztgenanntes Unternehmen ist der weltweit größte unabhängige Auftragsfertiger von Halbleitern, eine sogenannte Foundry. TSMC produziert für Apple, AMD, Nvidia, Broadcomm und viele mehr und ist daher von überragender geostrategischer Bedeutung.
Nur: Auch hier hinkt Deutschland – so wie die gesamte EU – weit hinterher. Die USA investieren 52 Milliarden Dollar direkt in den Ausbau der Hableiterfertigung, stellen derartige Unternehmen komplett steuerfrei und investieren zusätzlich 170 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung. Dabei haben sie bereits jetzt führende Hersteller, fangen also auf einem ganz anderen Niveau an.
Auch China investiert in einer ganz anderen Größenordnung. Der staatliche Fördertopf beläuft sich auf 170 Milliarden Euro, allein die Technikmetropole Shenzen investiert (zusätzlich) 40 Milliarden Euro. Auch China befindet sich auf einem ganz anderen Niveau als die Europäer und investiert dennoch ganz andere Summen.
Deutschland hat sich also viel zu lange Illusionen hingegeben. Nicht nur der Illusion des „Wandels durch Handel“, sondern auch der Illusion des großeuropäischen Raums, welcher wirtschaftliche Größe und Macht erreichen sollte, stattdessen jedoch nur zum langsamen, aber stetigen wirtschaftlichen Niedergang führte. Die Versuche der Umkehr sind zu zaghaft, sie nehmen sich im Vergleich zu den wirklichen Global Playern geradezu lächerlich aus.
EU als Lachnummer
Wie abgehängt Deutschland und die EU sind, zeigt sich auch an der mangelnden Innovationskraft. Viele gute Ideen kommen von hier, umgesetzt werden sie anderswo. Nicht nur der Dual-Fluid-Reaktor, der emissionsfreie und sichere Energie durch Recycling von Atommüll bereitstellt, ist ausgewandert. Auch ein deutsches Start-up zur kommerziellen Nutzung der Kernfusion geht nun in die USA, weil sich hier niemand für diese Zukunftstechnologie interessiert.
Gerade zu peinlich sind die ganzen „Valleys“, die das Silicon Valley kopieren sollten. Einst blickten Deutsche verächtlich auf die Chinesen, die nichts selber entwickeln konnten (das hat sich geändert), nun geht es uns ähnlich. Leider hat Deutschland in der Sache wenig Erfolg gehabt: Außer viel Verwaltung, viel „Networking“ und zahlreichen Schwafelrunden wurde Innovation so nicht wesentlich befördert. Man übersah dabei einen wichtigen Punkt, nämlich dass Innovation niemals von oben verordnet und niemals verwaltet funktioniert. Das Silicon Valley hat sich aus einem „Spirit“, einem Unternehmer- und Wissenschaftsgeist heraus entwickelt, befeuert durch eine Häufung sich wechselseitig befruchtender mathematisch-naturwissenschaftlicher Studienabgänger und Rahmenbedingungen, die Unternehmertum fördern.
Bei uns hingegen nehmen selbst an Technischen Universitäten die technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengänge ab zugunsten sozialer oder Genderstudiengänge. Unternehmertum wird geradezu unterdrückt; durch die Rechtsprechung werden junge Unternehmer gegen ihren Willen in das teure Korsett der abhängigen Beschäftigung gezwungen, denn die Rentenkasse braucht Geld. Dieses Geld fehlt beim Aufbau. Schaut man sich außerdem die zahllosen bürokratischen und rechtlichen Hürden an, dann ist es grenzwertig suizidal, hier ein Unternehmen zu gründen.
Derselbe Geist, der irrig meint, man könne so etwas wie das Silicon Valley verwaltungsmäßig herbeireglementieren, sorgt dafür, dass es keine Unternehmenskultur in Deutschland gibt. In den anderen EU-Staaten ist dies nicht wesentlich besser. Die EU hat nun bemerkt, dass es mit der Innovationskraft trotz des hochgelobten EIC, des European Innovation Council, nicht so recht klappt. Die Idee: Wenn Moses nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zu Moses. Also gehen wir selbst ins Silicon Valley, eröffnen doch einfach ein Büro in San Francisco. Das liest sich dann im EU-Hohlsprech wie folgt:
„Die Eröffnung des Büros in San Francisco entspricht dem Engagement der EU, die transatlantische technologische Zusammenarbeit zu stärken und den globalen digitalen Wandel auf der Grundlage demokratischer Werte und Standards voranzutreiben. Es ist ein konkreter Schritt, um die Arbeit der EU in Fragen wie Cyber- und hybride Bedrohungen sowie ausländische Informationsmanipulation und Einmischung weiter zu verstärken.“
Alles klang ganz toll
Der Gedanke, dass man dann sehr schöne Dienstreisen abrechnen kann, ist natürlich fernliegend. Bei der feierlichen Eröffnung waren die zuständige Kommissarin Mariya Gabriel und Jean-David Malo, Direktor der Europäischen Exekutivagentur für den Innovationsrat und für KMU (EISMEA), die für die Umsetzung der Aktivitäten des EIC und anderer KMU-bezogener Programme zuständig ist, vor Ort. Neben geladenen Gästen waren auch interessierte Unternehmen willkommen, die man in die EU holen wollte. Geködert wurden diese nicht nur mit der Vielfalt gewachsener Kulturen und einer ausgeglicheneren Work-Life-Balance, sondern auch mit dem Versprechen, für die Umsetzung bahnbrechender neuer Methoden und Technologien schnell und unkompliziert Gelder zu erhalten. Eine Darstellung der neuen Technologie mitsamt Bedarfsdarstellung würde reichen, eine Kommission würde kurzfristig darüber befinden, bei Zusage würde das Geld schnell fließen. Alles klang ganz toll.
Leider klafften Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Schnell und unkompliziert ging gar nichts. Die Interessenten aus dem Silicon Valley wurden auf den Behördenweg verwiesen, was heißt, Anträge über die übliche Internet-Platform für Start-ups stellen. Bereits an diesem Punkt hatte man die „Silikonesen“ eigentlich schon verloren. Dort hat man keine Abteilungen mit Bürokraten, die sich speziell mit den EU-Regularien auskennen und weder Zeit noch Lust, sich in diesen Wirren zu verlieren. Es ist sozusagen ein Clash of Cultures; wie oben bereits beschrieben ist jemand, der eine ganz neue Methode/Technik entwickelt hat und ein Unternehmen gründen will, das Gegenteil von einem Menschen, der sich mit Verwaltung abgibt.
Aber damit nicht genug: Für die Bearbeitung der Anträge wurde eine Künstliche Intelligenz entwickelt und eingesetzt. Diese beschied zum Beispiel den Antrag eines Stanford-Wissenschaftlers ablehnend, der eine neuartige Methode unter anderem für die Krebserkennung und -behandlung entwickelt hatte, welche von zwei Nobelpreisträgern zuvor geprüft und für hervorragend befunden worden war. Die KI meinte, es handele sich um minderwertigen Schrott. Dies führte zu gewissen Unstimmigkeiten und im Ergebnis zum unvermittelten Abschalten der Antragsplattform durch die EU: „Die maßgeschneiderte Antragsplattform des Europäischen Innovationsrates (EIC) für Start-ups, um Zuschüsse und Kapitalbeteiligungen zu beantragen, wurde ohne Vorwarnung abgeschaltet.“ Künstliche Intelligenz kann auch reale Blödheit sein.
Die nach dem Weggang von Mariya Gabriel jetzt zuständige Kommissarin Margrethe Vestager kümmert sich nicht, Jean-David Malo reagiert auf keine Anfrage. Nach der Eröffnung mit allem Brimborium hat die EU gezeigt, was Unternehmen tatsächlich von ihr zu erwarten haben. Statt dass die EU in der Behandlung von Krebs führend wird, was für unzählige Bürger überlebenswichtig wäre, fällt sie über ihre eigene Inkompetenz und wird zur Lachnummer.
Egal, wo man hinschaut, sowohl bei der EU als auch in Deutschland klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Da hilft auch keine noch so laute Propaganda. Wer meint, wir könnten uns aus der Multimisere mit ein paar einfachen Maßnahmen herausretten und würden dann in ein paar Jahren wieder vorne mit dabei sein, irrt gewaltig. Mit jedem Tag wächst der Abstand zur Weltspitze weiter, geht unser Land nebst EU weiter auf dem Weg des Verfalls. Der Weg zurück wird lang, hart und ein paar mehr oder minder schmerzhafte Maßnahmen werden nicht reichen. Wir sind insgesamt schlicht zu lange in einem falschen Film unterwegs.
Annette Heinisch ist als Rechtsanwältin sowie als Beraterin von Entscheidungsträgern vornehmlich im Bereich der KMU tätig.