Thilo Schneider / 03.09.2021 / 16:00 / Foto: Timo Raab / 33 / Seite ausdrucken

CDU: Bonjour Tristesse!

Die meisten Menschen wünschen sich einen Aufbruch, eine neue Politik, die Klartext redet und auch unangenehme und riskante Themen anspricht. Das traut sich Laschet nicht.

Armin Laschet hat es derzeit schwer: Die Union hinkt in den diversen Umfragen zwischen vier und fünf Prozent der SPD hinterher. Scholz hat das getan, was Kollege Steinhöfel immer sagt: „Man macht keine Fehler, sondern wartet, dass die Gegenseite einen macht.“ Und was das angeht, haben sich Laschet und Baerbock wahrlich einen Titanenkampf um die fettesten Patzer geliefert.

Es erweist sich drei Wochen vor der Wahl als bittere Fehlkalkulation, dass die Unionsgranden der grauen Laschetmaus den Vorzug vor den schillernden und als Feindbild höchst geeigneten Merz und Söder gegeben haben. Laschet macht keine schlechte Figur als Landesvater, aber als Kanzler ist er tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes bestenfalls zweite Wahl. Und sogar die Raute hat er sich von Scholz klauen lassen.

Der Mann steckt in einem Dilemma: Merkel hat die CDU mehr entmannt als ein Feministinnenkongress einen amtlichen Vergewaltiger. Laschet kann und will die Merkelianer in der eigenen Partei nicht verschrecken, er wird sie noch brauchen, übersieht dabei aber, dass das schnöde Wahlvolk Merkel und ihrer Mäppchenträger überdrüssig ist. Die meisten Menschen wünschen sich einen Aufbruch, eine neue Politik, eine Politik, die Klartext redet und auch unangenehme und riskante Themen anspricht. Es gäbe derer viele: EU-Politik, Afghanistan, Migration, innere Sicherheit, Energiewende, Verkehrswende und und und... Und wenn die Union eben nicht gerade kleines Kino („Konservativ In Name Only“) wäre, könnte sie sich nicht nur Stimmen von der AfD, sondern auch der FDP holen, die derzeit als kleinstes von sechs großen Übeln gilt. Dazu müsste aber Laschet das woke Erbe Merkels ausschlagen.

Stattdessen ähnelt Laschet einem einarmigen Tennisspieler, der allein zum Doppel gegen SPD und Grüne antritt und verzweifelt versucht, die Bälle, die ihm zugespielt werden, zu treffen. Er würde ja vielleicht gerne... Er kann schlicht nicht. Laschet ist nicht einmal in der Lage, harte Kritik an der SPD und ihrem Scholz anzubringen, da dieser sich der Gretchenfrage einer Regierungskoalition mit der Linken beharrlich und schlau verweigert. Tatsächlich wäre dies eine offene Flanke – aber Laschet scheint seinen potenziellen Koalitionspartner – wer immer dann auch nach einer Wahl „Koch und Kellner“ wäre – nicht verärgern zu wollen. Und so rennt er der rot-grünen Agenda hechelnd hinterher, um gelegentlich ein atemloses „Haben wir auch, haben wir auch“ zu röcheln. Egal, was der alte Hase Laschet macht – der rotgrüne Igel ist schon da.

Mit den Waffen von gestern die Schlachten von heute schlagen

In den Gängen des Konrad-Adenauer-Hauses dürfte sich eine düstere Endzeitstimmung breitmachen und vielen Abgeordneten – besonders der CSU – dürfte schwanen, dass sie ab September Bewerbungen für die freie Wirtschaft schreiben dürfen. Ein unschöner Gedanke. In den jetzt 24 Tagen bis zur Wahl dürfte es auch schwierig sein, den Kapitän der Titanic davon zu überzeugen, einem seiner Offiziere das Ruder zu überlassen, um dem Eisberg auszuweichen. So bleibt das bange Hoffen, mit ein paar Schrammen am Lack davonzukommen und eine „Irgendwie“-Koalition schmieden zu können.

Hinzu kommt, dass die Union so tun muss, als sei sie an der Politik der letzten 16 Jahre nicht beteiligt gewesen und jetzt „alles neu und besser“ machen kann. Wie aber soll das gehen? Mit all den grauen Merkel-Apparatschiks, die nach wie vor in den Kulissen herumstolpern und alles andere als überzeugte Konservative sind? Mit den Waffen von gestern die Schlachten von heute zu schlagen, funktioniert nur bei den Taliban. Weil es denen total Rindswurst ist, was ihre Gegner über sie denken. Ist eine Frage der Ideologie und Moral. Beides haben CDU/CSU nicht. Und so hängt die Union tapfer Wahlplakate ohne Aussage oder gleich die Köpfe ihrer Granden, die genauso grau und trist wie das angewokte Wahlprogramm der CDU/CSU sind. „Wählt uns, weil, ehm, eh – wählt uns einfach, okay?“

Scholz hat es gut: Er muss nur dasitzen und abwarten. Und aufpassen, nicht die Türe des Käfigs mit Saskia Esken und den anderen sozialistischen Hardlinern versehentlich zu öffnen. Das könnte ihn auf die letzten Meter noch den Sieg kosten, wenn die Zombieapokalypse in Form der alten Sozialisten mit uralten sozialistischen Ideen plötzlich über die Wählerschaft hereinbricht. Dann vielleicht doch lieber Laschet oder Lindner...?

Laschet hat bereits verloren – und er weiß es

Fast schon verzweifelt wirkt der Versuch Laschets, mit einem möglichst „bunt und divers“ daherstolpernden „Wahlkampfteam“, ganz paritätisch mit Männern und Frauen besetzt (und ein PoC ist auch dabei – man geht nicht mehr ohne), doch noch ein paar Stimmen aus dem grün-roten Lager abzugreifen. In völliger Verkennung, wer die Stammwählerschaft der Union ist. Für diese Stammwählerschaft der bürgerlichen Mitte hat Laschet noch einmal Friedrich Merz exhumiert, der jetzt so tun muss, als fände er Laschet mega. Kann es eine subtilere Herabwürdigung des zweiten oder dritten Mannes geben?

Es dürfte in kleineren Herrenrunden des Adenauerhauses herzlich bei Zigarren und noblen Getränken gelacht werden, wenn ausgerechnet der des Rechtsradikalismus bezichtigte Hans-Georg Maaßen seinen Wahlkreis holt und damit zeigt, was aus einer Union auch hätte werden können, wenn sie nur endlich wieder konservativ hätte sein dürfen. Ich kann’s mir schon vorstellen: Armin Laschet, wie er am Wahlabend tapfer in die Kameras blinzelt und so Sätze wie „Wir kämpfen gemeinsam, wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam“ sagt, um 24 Stunden später abgesägt zu werden. Bonjour Tristesse.

Um es platt zu sagen: Würde Laschet ernsthaft und konsequent kämpfen, könnte er verlieren. Weil er und die Union nicht mehr glaubwürdig sind. Da er dies nicht tut, hat er bereits verloren. Und er weiß es. Was wir sehen, sind Rückzugsgefechte eines bereits Geschlagenen. Immerhin leisten er und sein Team aber damit mehr als die afghanische Armee. Und, wie man an Scholz sieht – Totgesagte leben gelegentlich doch länger. Aber auf diesen Effekt würde ich an Laschets Stelle nicht hoffen. „Die Russen stehen bereits in Berlin“ – und kein Tod Roosevelts wird daran etwas ändern. Der Letzte im Adenauerhaus macht für vier Jahre das Licht aus. Und schüttet den Eingang zu.

(Weitere Überlegungen des Autors unter www.politticker.de

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Claudius Pappe / 03.09.2021

Lachen über Lass et : ” Laschet macht keine schlechte Figur als Landesvater “.........................................weil er nichts macht. außer was alle machen -Lockdown-

Michael Stoll / 03.09.2021

Umfrageergebnisse sind keine Wahlergebnisse! Die Meinungsmacher lagen schon so oft, so weit daneben, dass ich nicht auf Sieg für Scholz wetten würde. Die Leute wissen, dass er danach “die Türe des Käfigs mit Saskia Esken und den anderen sozialistischen Hardlinern” und den Grünen Khmer und der SED öffnen würde.

Dietrich Herrmann / 03.09.2021

Es ist alles ein Irrsinn, wenn man bedenkt, dass dieser “Höhenflug” des Scholz nur davon abzuleiten ist, dass Laschet mal bisschen während der Flut gefeixt hat.

Ulla Schneider / 03.09.2021

So ist das. Wenn man Männer verscheucht, enteiert und in die Regression schickt. Fehlt nur noch der Schnuller. -Eine Person, hier Merkel, ist nur dann so stark, wenn lüttsche Kerle es so wollen. Völlig egal, ob sie die weggebissen hat.  Es kann doch nicht sein, daß die CDU nur noch Weicheier im Regiment beherbergt. Da kommt Schadenfreude auf. Der Mann fing doch anfangs der “Epedemie” mit seinem Virologen gut an. Er hätte damit ein Bollwerk beginnen können, gegen Spahn und Konsorten. Wir wären längst raus aus dem oder gar nicht erst drin in diesem Mist. Kein Mensch kann mir erzählen, daß er das nicht gewußt und die Pillepalle PCR-Planspielchen nicht durchschaut hat. Oder waren das nur Gute- Nacht- Gespräche zuhause. - Wie wahr - “die Russen stehen bereits in Berlin”.

Rainer Niersberger / 03.09.2021

Koennte es sein, dass Gevatter Laschet, der nie ein Konservativer war und auch keiner mehr wird, weiss oder ahnt, dass er mit Klarheit und Deutlichkeit, die ja konkret sein muss und bestimmte Bereiche erfasst, in die Naehe der AfD, also nach rechts rueckt? Ich finde es nahezu belustigend, wie hier einerseits bestimmte Forderungen erhoben werden, deren Erfüllung aber sofort von den Salonkonservativen in die rechte Ecke geschoben werden, wobei sie inhaltlich da gar nicht hingehören.  Aber inzwischen sind ja Begriffe wie Nation, Volk und Homogenität, allesamt conditiones sine qua non, erfolgreich kontaminiert, wozu der sogen Konservative einen entscheidenden Eigenbeitrag geleistet hat. Er war aus bekannten Gruenden dabei, als als Nation und national der Nazi “wurde”, aus Volk “voelkisch” und Homogenität hat er alles andere als verteidigt, vermutlich wegen der Verminung durch die Linken. So wurde aus der “Mitte” eben rechts und aus der AfD eine rechte Partei und so haben Alle, die ” klar und deutlich” werden, das gleiche Problem denndie Linke, resp Merkel, hat das System erfolgreich nach Links verschoben. Der “Witz” ist, dass Konservative, bewusst oder nicht, bei dieser Verschiebung mitspielen. Offenbar ist ihnen nicht so ganz klar, was konservativ konkret eigentlich bedeutet. Konservativ, ohne konservativ zu sein, denn da kommt man ja sofort in den von Links markierten Bereich der vermeintlich “Rechten” bzw der zu Rechten Gemachten. Welcher Art von konkreter Klarheit waere denn gewuenscht? Nationale Interessen, Rechtsalarm,  mehr oder wieder hinreichende Homogenität, aber bitte ohne entsprechende “Massnahmen”, deutsches Volk, aber bitte nicht zu voelkisch, denn das und noch viel mehr ist ja Alles rechts.  Soll Laschet die Abschiebung von 500000 Illegalen “verfügen” oder ankündigen? Aber bitte nicht doch. Wenn wir konkret wuerden, waere der Beliebigkeitskonservativismus sofort geplatzt, denn er will eigentlich nichts dafuer umsetzen.  Da ist Laschet nur konsequent.

Frank Mehrlin / 03.09.2021

Lieber Thilo, die Wahlumfragen beziehen sich in der Regel auf den Westen, im Osten ticken die Uhren aber anders was das Wählerverhalten betrifft, es wird wieder zu einer Groko kommen. Die FDP, Ihre Partei im Osten 13 %? Im Leben nicht! Die Grünen mit ihrem Mist ka…. da genauso ab. Was solls, in 23 Tagen sind wir schlauer bis dahin alles Gute.

Th. Stoppel / 03.09.2021

Nun, in Deutschland geht es vom Regen in die Traufe. Deutschland verfügt nicht mehr über das politische Humankapital für eine realistische und weitblickende Politik. Eine Bande von größenwahnsinnigen grünen sozi-kommunisten gegen ein Haufen von Schalftabletten vertreibenden Pharmaziereferenten, wobei “Penny” diesem ganzen Haufen den Rang ablaufen wird. Deutschland wird immer mehr der Spielball von extremistischen Spinner, die ihre ganze vulgäre Politikgeilheit hier ausleben wollen. Leidtragende wird die deutsche Bevölkerung sein. Asche zu Asche.

F. Auerbacher / 03.09.2021

Aber Herr Schneider, woher wissen Sie denn dies “... Die meisten Menschen wünschen sich einen Aufbruch, eine neue Politik, eine Politik, die Klartext redet ...” Können Sie irgendwie erklären, dass Scholz so prominent zulegt durch, wie Sie selbst schreiben, Nichtstun? Weil die meisten Menschen einen Aufbruch wollen? Scholz und Aufbruch? Geht’s noch? Was ist bloß mit Ihrem üblicherweise so messerscharfen Verstand los? Hat Ihnen jemand war verschrieben oder probieren Sie einfach mal was aus? Hören Sie auf, das Zeug zu nehmen und fangen Sie wieder an, selbst zu denken. Das wünscht Ihnen einer Ihrer erklärten Fans.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Thilo Schneider / 02.12.2023 / 12:00 / 15

Jahrestag: High Noon bei Austerlitz

In der auch „Drei-Kaiser-Schlacht“ genannten Schlacht in Mähren besiegt Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1805, genau ein Jahr nach seiner Kaiserkrönung, eine Allianz aus österreichischen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com