Im Internet gibt’s noch einen Beluga Gold Line Wodka mit fünffacher (!) Destillierung zum Preis von schlappen 100 Euro. Da muss doch mehr drinstecken als Sorgenkiller und Weltuntergangs-Antidot.
Ich muss gestehen, dass mir nie viel an Wodka lag. Selbst als ich in Moskau weilte, gegen Ende der Ära Gorbatschow, hielt ich mich lieber an schwarzen Tee oder den klebrigen Krimsekt, so erhältlich. Tee wurde in Gläsern serviert, die in ziselierten Halterungen aus Blech steckten. Diese Darreichungsform ist in Russland bis heute üblich, auch wenn man sich dabei regelmäßig die Schnauze verbrennt.
Aber ich will nicht abschweifen: So ein „Wässerchen“ schmeckt nach fast nichts, ja es gilt als besonders gut, wenn es noch mehr nach nichts schmeckt als üblich. Dann ist der Wodka besonders „rein“. Aber warum soll man reinen Alkohol trinken – der durchschnittliche Alkoholgehalt von Wodka liegt bei 35 bis 45 Prozent! –, wenn man nicht gerade seine Sorgen in Grund und Boden trinken will und den Frust über eine oft unfähige bis verbrecherische politische Führung – vom letzten Zaren über die Bolschewiken und Stalin bis Putin?
Oder wenn man astronomische und meteorologische Konstanten wie Dauerkälte und ewige Nacht überleben will. Kein Wunder, dass sich der „Wodka-Gürtel“, wo am meisten von dem Zeug gesoffen wird, über ganz Nord- und Nordosteuropa erstreckt. Für die Ampel besaufe ich mich jedenfalls nicht, da köpfe ich lieber eine Flasche echt französischen Champagners, wie jetzt, nach der gescheiterten Impfpflicht.
Gorbatschows Flop
Das nun von der EU gegen Russland verhängte Wodka-Embargo berührt mich also nicht wirklich, wobei der meiste Wodka, der in Deutschland erhältlich ist, gar nicht aus Russland stammt, wie der im Fernsehen aggressiv beworbene „Wodka Gorbatschow“ („Des Wodkas reine Seele“). Der kommt aus einem Berliner Unternehmen, das von einem gewissen Leontowitsch Gorbatschow in St. Petersburg gegründet und nach der Oktoberrevolution, die auch mit einem Alkoholverbot einherging, nach Berlin transferiert wurde, wo 1921 erneut die Produktion aufgenommen wurde.
Die Namensgleichheit mit Michail Gorbatschow ist also zufällig, zumal der von den Deutschen dereinst als „Gorbi“ heißverehrte Sowjetpolitiker und (jedenfalls in den Augen Wladimir Putins) Totengräber des Russischen Imperiums sich wie seine anderen kommunistischen Vorgänger mit einer Anti-Alkohol-Kampagne hervortun wollte und deshalb als „Genosse Mineralsekretär“ verspottet wurde. In seiner Ära stieg der Konsum von illegalem Selbstgebrannten stark an, was möglicherweise zu mehr Gesundheitsschäden führte als der Genuss legal erzeugten Wodkas! Ein Beispiel dafür, wie gut gemeine Politik mächtig nach hinten losgehen kann.
Ich will aber dem Wodka nicht unrecht tun. Wahrscheinlich ist es einfach so, dass ich mich mit diesem Getränk nicht auskenne, was ich hier freimütig zugebe. Vielleicht sollte man wirklich einmal jene Premium-Sorten probieren, die (noch) im Internet angeboten werden. Etwa den angeblich nach Honig schmeckenden Beluga-Wodka aus Sibirien. Er wird, so die Produktbeschreibung, ausschließlich aus bestem Malzspiritus sowie „kristallklarem Wasser eiskalter sibirischer Quellen“ hergestellt. Nach dreifacher Destillation werden demnach Honig- und Hefeextrakte hinzugefügt, was einen „reinen und milden Wodka mit vollmundiger Tiefe ergebe“.
James Bond mit Warnhinweis?
Viel Zeit dafür dürfte nicht bleiben, wenn das Embargo greift und die restlichen Lagerbestände erschöpft sein werden. Dann wird es für die nächsten Jahrzehnte hierzulande keinen echt russischen Wodka mehr zu kaufen geben. Und eine Romanze wie die zwischen James Bond „007“ und seiner sowjetischen Gegenspielerin, der KGB-Agentin Anya Amasova in „Der Spion, der mich liebte“ aus dem Jahr 1977, wird zum Relikt längst vergangener Zeiten friedlicher Koexistenz.
Vielleicht wird man James-Bond-Klassiker aus dem Kalten Krieg bald nur noch mit Warnhinweis zu sehen bekommen: „Dieser Film entstand in einer anderen historischen Epoche und enthält positive Darstellungen von Beziehungen zu russischen Staatsbürgern. Anstatt diese Inhalte zu entfernen, wollen wir ihre verletzende Wirkung anerkennen, daraus lernen und das Gespräch darüber anregen, um gemeinsam eine inklusivere Zukunft zu erreichen.“
Bekanntlich war Bond nicht nur ein Freund der Edel-Champagnermarke „Dom Perignon“, sondern sprach auch dem Wodka zu – wie meist im Westen nicht pur, sondern als Mixgetränk. Die Wissensredaktion des SWR ging dankenswerterweise der Frage nach, warum 007 seinen Wodka Martini stets „geschüttelt, nicht gerührt“ genoss. Ein Wodka Martini, so ergaben die öffentlich-rechtlichen Recherchen, bestehe aus großen und kleinen Teilchen. Die „Geschmacksmoleküle“ repräsentierten die großen, die Alkoholmoleküle die kleinen Teile. Wenn man nun ein Gemisch aus großen und kleinen Teilchen schüttle, sorge der sogenannte Paranuss-Effekt dafür, dass die großen Teilchen an die Oberfläche gelangten.
„Bond schüttelt sich also den Geschmack an die Oberfläche, weil er ein Genießer ist. Und weil er immer in Eile ist, kann er auch immer nur einen Schluck trinken; er muss ja gleich weiter.“
Um dies zu wissen, zahle ich gerne meine Rundfunkzwangsgebühren. Jetzt aber rasch ins Internet. Dort gibt’s noch einen Beluga Gold Line Wodka mit fünffacher (!) Destillierung zum Preis von schlappen 100 Euro. Da muss doch mehr drinstecken als Sorgenkiller und Weltuntergangs-Antidot. Ich berichte!