Die Firma Römertopf im Westerwald ist insolvent. In den 70er Jahren war ihr legendäres Produkt, ein rostroter Schmortopf im Stil eines antiken Terracotta-Gefäßes, ein Verkaufsschlager.
Die von der Ampel betriebene Deindustrialisierung Deutschlands im Zeichen praktizierten Klimaschutzes und internationaler Verteilungsgerechtigkeit macht Fortschritte. Vor allem die exorbitanten Energiepreise und die dadurch angefachte Inflation und Kaufzurückhaltung sind es, die immer mehr Unternehmen ins Ausland oder den Untergang treiben.
Was den Bereich der Kulinarik anbelangt, traf es zuletzt die Firma J. Weck GmbH & Co. KG in Baden-Württemberg, die die bekannten „Weck“-Einmachgläser herstellt. Von dieser deutschen Industrielegende wird aber wohl zumindest der Begriff des „Einweckens“ für die Haltbarmachung von Obst und Gemüse noch einige Zeit überleben, der selbst im Duden aufgeführt ist. Wenn auch Einmachgläser künftig in Ländern hergestellt werden, wo Energie noch bezahlbar ist.
Da ich selten bis nie selbst etwas einwecke bzw. einmache, hat mich die Nachricht vom Abgang dieser Firma zumindest emotional nicht so angerührt wie eine andere Meldung zum Niedergang des Industriestandortes Deutschland: die Insolvenz der Firma Römertopf in Ransbach-Baumbach im Kannenbäckerland im Westerwald, bekannt für ihre ebenfalls energieintensiven Töpferwaren, darunter auch die berühmten, salzglasierten Frankfurter „Bembel“, in denen traditionell der „Ebbelwoi“ (Apfelwein) ausgeschenkt wird.
In den 70ern millionenfach verkauft
Denn der Römertopf erinnert mich, Jahrgang 1962, unweigerlich an meine Kindheit und Jugend, wo das klobige Utensil in fast jedem Haushalt zu finden war – als urig anmutendes Gefäß zur schonenden Zubereitung gesunder Speisen. Meine Mutter zählte zwar nicht zu den Römertopf-Adeptinnen, doch wurde man immer wieder im Freundes- und Bekanntenkreis mit dem rostroten Topf im Stil eines antiken Terracotta-Gefäßes konfrontiert, von dem allein bis 1975 zehn Millionen verkauft wurden. Noch 2011 sollen immerhin 400.000 Römertöpfe vom Band gerollt sein.
Erfunden wurde der Römertopf 1967 von einem Zierkeramikhersteller in Ransbach-Baumbach auf Grundlage des im Westerwald anstehenden, hochwertigen Naturtons – die Vorkommen sollen die größten Europas sein, werden aber jetzt wohl unter der Erde bleiben, weil die unweigerlich mit Eingriffen in Naturhaushalt und Landschaftsbild verbundene Tonförderung und das Tonbrennen in Deutschland gewiss bald ebenso verboten wird wie die Verbrennung fossiler Rohstoffe.
Das Geheimnis des Römertopfes ist seine poröse Materialstruktur. Vor der Benutzung muss der Topf gewässert werden. Er saugt sich dann mit Feuchtigkeit voll, die während des Garens im Backofen wieder abgegeben wird. Dieser Vorgang wird auch als „Dunstgaren“ bezeichnet. Mit Hilfe der schonenden Methode sollen Nährstoffe sowie Vitamine erhalten bleiben und die Aromastoffe der Zutaten „besser zur Geltung kommen“, wie der Hersteller schreibt.
Letzte Ruhe in den Tiefetagen deutscher Küchenzeilen
Neben dem unglasierten Original mit Griff im Deckel, bekannt unter der Bezeichnung „Römertopf Nr. 111“, gibt es auch Varianten, die zwecks leichterer Reinigung innen glasiert sind. Außerdem entwickelte die Firma irdene Gefäße zum zum Brotbacken, zum Frischhalten wie eine „Klima-Butterdose“ sowie Gerätschaften zum Grillen wie einen speziellen Schmortopf oder einen feuerfesten „Backstein“, mit dessen Hilfe Pizza und Flammkuchen, aber auch Bratwürste zubereitet werden können. An der Entwicklung dieser Produkte war der Allround-Koch Johann Lafer beteiligt, dessen Kochimperium ebenfalls Geschichte ist.
Der Römertopf war ein Kind nicht zuletzt der ökologisch bewegten 70er Jahre, als erstmals Zweifel am Erfolgsmodell der kapitalistischen Marktwirtschaft aufkamen. 1972 veröffentlichte der Club of Rome unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ ein bislang glücklicherweise nicht eingetretenes Schreckensszenario für die Zukunft der Menschheit; 1979 wurden die Grünen gegründet. Damit begann ihr Marsch durch die Institutionen, der jetzt zum Amoklauf grüner Minister und, ironischerweise, zum Niedergang eines Produktes führte, das ob seiner Natürlichkeit und Beständigkeit eigentlich als Gegenmodell zu der bei Ökos verhassten „Wegwerfgesellschaft“ konzipiert war.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die große Zeit des klassische Römertopfes schon vor Habeck und Konsorten der Vergangenheit angehörte und viele der schweren Pötte in den Tiefetagen deutscher Küchenzeilen eine letzte Ruhe fanden. Dies war nicht zuletzt wohl eine Folge der Asiamode, infolge der der Wok, mit dem man ja auch „gesund“ kochen kann, Einzug in deutschen Küchen hielt. Außerdem wurden die gusseisernen, bunt emaillierten und teuren Bräter der französischen Stahlschmiede Le Creuset aus Nordfrankreich populär, deren weitere Verbreitung infolge eines expansiven Marketings und billigen französischen Atomstroms nicht gefährdet sein dürfte.
2002 hatte der Römertopf nochmal einen großen Auftritt, als der Aktionskünstler Christoph Schlingensief, der mindestens so durchgeknallt war wie die Protagonisten der Ampel, aber origineller, in Alfred Bioleks Kochsendung „alfredissimo!“ einen Putenrollbraten im Römertopf zubereitete, dem er als Clou eine (leere) Patronenhülse beigab. Dazu kreierte er den kryptischen Spruch: „Nicht nur das Auge isst mit, sondern auch das Gerücht“.
Ich möchte Sie, liebe Leserinnen und Leser, auffordern, mir im Andenken an eine große deutsche Industrie- und Küchenlegende Ihre schönsten Römertopfrezepte zu senden, die ich sammeln und in einer der nächsten Folgen der Cancel Cuisine veröffentlichen möchte. Mails bitte an: redaktion@aufgegessen.info
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.