Biber und Fischotter sind possierliche Tiere. Doch dank Artenschutz explodiert ihre Population. Landen sie etwa bald wieder im Kochtopf? Früher waren die Wasserbewohner eine beliebte Fastenspeise.
Biber und Fischotter sind possierliche Tiere. Doch leider pflegen sie einen Lebenswandel, mit dem sie dem Homo oeconomicus zunehmend ins Gehege kommen, seit sich ihre Bestände dank strengen Artenschutzes wieder erholt haben. Biber bauen nicht nur Dämme, sondern unterhöhlen diese auch, ein Verhalten, das von menschlichen Wasserbauingenieuren nicht gerne gesehen wird. Der Fischotter indes betört nicht nur durch seine Kulleraugen, sondern ist auch ein geschickter und effizienter Jäger, was manchen Teichwirt an den Rand der Verzweiflung bringt.
Die eigentlich begrüßenswerte Renaissance der wassergebundenen Nager und Marder ist ein typisches Beispiel dafür, wie ökologische Schutzbemühungen zuweilen genau gegenteilige Effekte hervorbringen können. Immer mehr Teichwirte nämlich denken darüber nach, die Fischzucht aufzugeben, weil ihnen der Otter die Fische vor den Nase wegstibitzt. Dadurch stehen dann aber auch die großen, artenreichen Wasserlandschaften zur Disposition, wie sie sich etwa in Franken, der Oberpfalz oder der Lausitz finden.
Ähnlich ergeht es Almbauern, wenn der Wolf sich, wie derzeit zu beobachten, in den Hochweidegebieten der Alpen wieder dauerhaft ansiedelt. Dabei haben die betroffenen Landwirte nicht nur die nimmersatten Raubtiere gegen sich, sondern auch die Phalanx der organisierten Ökoszene und naturferner Städter, die genauso gerne in den vom Weidevieh frei gehaltenen Almlandschaften wandern, wie sie den Wolf als herziges Haustier verklären.
Verschüttete Fastentraditionen
Dabei gäbe es eine einfache Lösung des Problems, zumindest, was Biber und Fischotter anbelangt. Sie findet sich in Marie Schandris legendärem Regensburger Kochbuch „für die bürgerliche Küche“, Ausgabe 1919, auf den Seiten 630ff. Und zwar im Kapitel über die „vollständige Fastenküche“. Die Fastenküche, heißt es im Vorwort, „erfordert stets das meiste Nachdenken und den meisten Aufwand von Geschicklichkeit, und manche Hausfrau oder Köchin ist oft in der bittersten Verlegenheit, wie sie an solchen Tagen ihren Tisch bestellen sollte, damit der Mangel an Fleischspeisen nicht gar so fühlbar sei“.
Man könnte Fastenküche elegant durch „vegetarische und vegane Küche“ ersetzen, ist doch der Boom des Fleischlosen mühelos als säkularisierte Form der einstigen Fastenküche erkennbar, wenn es gilt, für historische Verfehlungen und Umweltsünden aller Art Sühne und Abbitte zu leisten. Einst war der ganze Jahreslauf von religiösen Fastentagen und -wochen gekennzeichnet.
Neben der „großen“ Fastenzeit vor Ostern und der „kleinen“ im Advent wurde im christlichen Kulturraum jeden Mittwoch gefastet, weil Judas Jesus an diesem Tag verraten hat; das Freitagsfasten, von dem noch die von Ewiggestrigen gepflegte Sitte, an diesem Tag einen obligatorischen „Fischtag“ einzulegen, geblieben ist, erinnerte an die Kreuzigung Jesu. Vielleicht lässt sich auch die Unsitte mancher Ärzte, Mittwochnachmittag ihre Praxis zu schließen, auf verschüttete Fastentraditionen zurückführen.
„Crisp vom Biberschwanz“
Um den regelmäßigen Bedarf an Fastenspeisen zu decken, legten Mönche im Mittelalter überall im Land Fischteiche an. Der Einfachheit halber landeten bei ihnen auch „Schädlinge“ wie Fischotter und Biber auf dem „fleischlosen“ Fastenteller, die wegen ihrer Liebe zum nassen Element den Fischen gleichgestellt waren. Diese Tatsache könnte man sich auch heute wieder zunutze machen, um eine ökologisch durchaus unerwünschte Massenvermehrung der beiden Tierarten zu verhindern. Also ab in den Kochtopf mit ihnen!
In Marie Schandris antiquarischer Kochbibel finden sich immerhin drei einschlägige Rezepte: „Gedämpfter Biber“, Fischotterbraten und „Fischotter in Sauce“. Der in „kleine Stückchen“ zerlegte Biber wird in Schmalz mit Zwiebelwürfelchen und Zitronenschale weich gedämpft und mit Essig, „Erbsenbrühe“ – wahrscheinlich zur Bindung – Sardellen und etwas Wein zu einem sämigen Ragout verarbeitet. Knalleffekt ist der in Essigwasser weichgekochte und mit Butter und Semmelbrösel abgebräunte Biberschwanz, der auf das Ragout gelegt werden soll, auf Speisekartendeutsch würde man vielleicht „Crisp vom Biberschwanz“ dazu sagen.
Etwas anspruchsvoller ist die Zubereitung eines „Fischotters in Sauce“. Das schlüpfrige Tier muss nicht nur fachmännisch gehäutet werden („damit das Fell nicht zerreißt“), sondern auch „einige Tage“ in einem Essig-Rotwein-Sud zusammen mit einigen, nicht näher bestimmten, Wurzeln und Gewürzen mazeriert werden. Danach soll „die Otter“ (sic!) noch einige Stunden in Pfeffer und Salz liegen, bevor man das nunmehr zerkleinerte Tier in der Beize weichkocht und das Ganze mit einer dunklen Einbrenne bindet. „Burgunder Wein daran geben, erhöht den Geschmack“, schreibt die Autorin. Wir wollen es ihr gerne glauben, ohne je Fischotter oder Biber gekostet zu haben.
Da beide Tierarten nicht nur putzig aussehen, sondern auch streng geschützt sind, ist deren Fleisch höchstens unter der Hand erhältlich, wenn nämlich einzelne Tiere per Ausnahmegenehmigung der Natur „entnommen“, sprich abgeschossen werden, oder Fischzüchter zur Selbsthilfe greifen. Übrigens ließe sich theoretisch auch Wolfsfleisch essen. Wölfe sind bekanntlich die Urahnen der Hunde und letztere landen in manchen asiatischen Ländern regelmäßig im Kochtopf, ihr Geschmack soll irgendwo zwischen Rind und Wildbret liegen. Aber bevor Golden Retriever, Mops und Chihuahua, deren Fleisch man im hundenärrischen Deutschland zwar essen, nicht aber handeln oder importieren darf, in den Rang einer Delikatesse erhoben werden, dürfte es eher Biber und Fischotter an den Kragen gehen.