Georg Etscheit / 10.11.2021 / 13:00 / Foto: NZDF / 21 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Gedämpfter Biber

Biber und Fischotter sind possierliche Tiere. Doch dank Artenschutz explodiert ihre Population. Landen sie etwa bald wieder im Kochtopf? Früher waren die Wasserbewohner eine beliebte Fastenspeise.

Biber und Fischotter sind possierliche Tiere. Doch leider pflegen sie einen Lebenswandel, mit dem sie dem Homo oeconomicus zunehmend ins Gehege kommen, seit sich ihre Bestände dank strengen Artenschutzes wieder erholt haben. Biber bauen nicht nur Dämme, sondern unterhöhlen diese auch, ein Verhalten, das von menschlichen Wasserbauingenieuren nicht gerne gesehen wird. Der Fischotter indes betört nicht nur durch seine Kulleraugen, sondern ist auch ein geschickter und effizienter Jäger, was manchen Teichwirt an den Rand der Verzweiflung bringt.

Die eigentlich begrüßenswerte Renaissance der wassergebundenen Nager und Marder ist ein typisches Beispiel dafür, wie ökologische Schutzbemühungen zuweilen genau gegenteilige Effekte hervorbringen können. Immer mehr Teichwirte nämlich denken darüber nach, die Fischzucht aufzugeben, weil ihnen der Otter die Fische vor den Nase wegstibitzt. Dadurch stehen dann aber auch die großen, artenreichen Wasserlandschaften zur Disposition, wie sie sich etwa in Franken, der Oberpfalz oder der Lausitz finden.

Ähnlich ergeht es Almbauern, wenn der Wolf sich, wie derzeit zu beobachten, in den Hochweidegebieten der Alpen wieder dauerhaft ansiedelt. Dabei haben die betroffenen Landwirte nicht nur die nimmersatten Raubtiere gegen sich, sondern auch die Phalanx der organisierten Ökoszene und naturferner Städter, die genauso gerne in den vom Weidevieh frei gehaltenen Almlandschaften wandern, wie sie den Wolf als herziges Haustier verklären.  

Verschüttete Fastentraditionen

Dabei gäbe es eine einfache Lösung des Problems, zumindest, was Biber und Fischotter anbelangt. Sie findet sich in Marie Schandris legendärem Regensburger Kochbuch „für die bürgerliche Küche“, Ausgabe 1919, auf den Seiten 630ff. Und zwar im Kapitel über die „vollständige Fastenküche“. Die Fastenküche, heißt es im Vorwort, „erfordert stets das meiste Nachdenken und den meisten Aufwand von Geschicklichkeit, und manche Hausfrau oder Köchin ist oft in der bittersten Verlegenheit, wie sie an solchen Tagen ihren Tisch bestellen sollte, damit der Mangel an Fleischspeisen nicht gar so fühlbar sei“.

Man könnte Fastenküche elegant durch „vegetarische und vegane Küche“ ersetzen, ist doch der Boom des Fleischlosen mühelos als säkularisierte Form der einstigen Fastenküche erkennbar, wenn es gilt, für historische Verfehlungen und Umweltsünden aller Art Sühne und Abbitte zu leisten. Einst war der ganze Jahreslauf von religiösen Fastentagen und -wochen gekennzeichnet.

Neben der „großen“ Fastenzeit vor Ostern und der „kleinen“ im Advent wurde im christlichen Kulturraum jeden Mittwoch gefastet, weil Judas Jesus an diesem Tag verraten hat; das Freitagsfasten, von dem noch die von Ewiggestrigen gepflegte Sitte, an diesem Tag einen obligatorischen „Fischtag“ einzulegen, geblieben ist, erinnerte an die Kreuzigung Jesu. Vielleicht lässt sich auch die Unsitte mancher Ärzte, Mittwochnachmittag ihre Praxis zu schließen, auf verschüttete Fastentraditionen zurückführen.

„Crisp vom Biberschwanz“

Um den regelmäßigen Bedarf an Fastenspeisen zu decken, legten Mönche im Mittelalter überall im Land Fischteiche an. Der Einfachheit halber landeten bei ihnen auch „Schädlinge“ wie Fischotter und Biber auf dem „fleischlosen“ Fastenteller, die wegen ihrer Liebe zum nassen Element den Fischen gleichgestellt waren. Diese Tatsache könnte man sich auch heute wieder zunutze machen, um eine ökologisch durchaus unerwünschte Massenvermehrung der beiden Tierarten zu verhindern. Also ab in den Kochtopf mit ihnen!

In Marie Schandris antiquarischer Kochbibel finden sich immerhin drei einschlägige Rezepte: „Gedämpfter Biber“, Fischotterbraten und „Fischotter in Sauce“. Der in „kleine Stückchen“ zerlegte Biber wird in Schmalz mit Zwiebelwürfelchen und Zitronenschale weich gedämpft und mit Essig, „Erbsenbrühe“ – wahrscheinlich zur Bindung – Sardellen und etwas Wein zu einem sämigen Ragout verarbeitet. Knalleffekt ist der in Essigwasser weichgekochte und mit Butter und Semmelbrösel abgebräunte Biberschwanz, der auf das Ragout gelegt werden soll, auf Speisekartendeutsch würde man vielleicht „Crisp vom Biberschwanz“ dazu sagen.

Etwas anspruchsvoller ist die Zubereitung eines „Fischotters in Sauce“. Das schlüpfrige Tier muss nicht nur fachmännisch gehäutet werden („damit das Fell nicht zerreißt“), sondern auch „einige Tage“ in einem Essig-Rotwein-Sud zusammen mit einigen, nicht näher bestimmten, Wurzeln und Gewürzen mazeriert werden. Danach soll „die Otter“ (sic!) noch einige Stunden in Pfeffer und Salz liegen, bevor man das nunmehr zerkleinerte Tier in der Beize weichkocht und das Ganze mit einer dunklen Einbrenne bindet. „Burgunder Wein daran geben, erhöht den Geschmack“, schreibt die Autorin. Wir wollen es ihr gerne glauben, ohne je Fischotter oder Biber gekostet zu haben.

Da beide Tierarten nicht nur putzig aussehen, sondern auch streng geschützt sind, ist deren Fleisch höchstens unter der Hand erhältlich, wenn nämlich einzelne Tiere per Ausnahmegenehmigung der Natur „entnommen“, sprich abgeschossen werden, oder Fischzüchter zur Selbsthilfe greifen. Übrigens ließe sich theoretisch auch Wolfsfleisch essen. Wölfe sind bekanntlich die Urahnen der Hunde und letztere landen in manchen asiatischen Ländern regelmäßig im Kochtopf, ihr Geschmack soll irgendwo zwischen Rind und Wildbret liegen. Aber bevor Golden Retriever, Mops und Chihuahua, deren Fleisch man im hundenärrischen Deutschland zwar essen, nicht aber handeln oder importieren darf, in den Rang einer Delikatesse erhoben werden, dürfte es eher Biber und Fischotter an den Kragen gehen.

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Rainer Nicolaisen / 10.11.2021

Es ist abscheulich, wie schon wieder zur Hatz auf Tiere geblasen wird, deren Zahlen immer noch gering sind verglichen mit den Menschenzahlen. —“Massenvermehrung”— Als ob man sich das Geld, das bspw. für vom Wolf gerissene Nutztiere gezahlt werden sollte, man sich nicht leisten könnte.—Natürlich sollten Problemwölfe geschossen werden, um die Scheu jener Tiere zu erhalten. Doch schon wieder Ausrottung wollen ...  BRAVISSIMO

Bechlenberg Archi W. / 10.11.2021

@ Otto Nagel: Nutria, auch gerne und unschön Biberratte genannt, ist ein munterer Geselle; ein Freund von mir lebt direkt an einem Bach und hat Nutrias manchmal sogar in der Küche sitzen. Allerdings sieht er die Racker als eine Art Haustier an und ist stets auf der Hut, damit kein Besucher eventuell einen in der Tasche verschwinden lässt. Auch Wasservögel sind in seiner Obhut, so gelang mir nicht, ihm dieses Jahr einen oder zwei junge Schwäne abzuschwätzen, die laut meinem Kochbuch - das sogar Rezepte für Bären enthält - besonders schmackhaft und leicht verdaulich sind. Ich war vor Jahren in der Auvergne in einer Nutriazucht, wo man das Fleisch als Konserven kaufen konnte, auch bot man mit wohlfeilem Eifer eine Art Fett oder Schmalz an (“In der Volksmedizin wird dieses Produkt zur Behandlung von Rhinitis eingesetzt. Geschmolzenes Fett schmiert die Nasengänge, den äußeren Teil der Nase, die Wangen und die Stirn in überkritischen Bögen. Nach eineinhalb Stunden mit warmem Wasser abwaschen. Das Verfahren wird täglich wiederholt, bis die Rhinitis vollständig verschwunden ist.”).  In der DDR wurden Nutria gerne in Rouladen, Mettwurst, Kochsalami und Landjägern umgewandelt. Ich fand einen Anbieter für Fleisch online, allerdings zu einem immens hohen Preis von über 70 Euro pro Kilo. Das muss günstiger gehen. In den Niederlanden, wo sich Nutrias als Deichschädlinge besonders geringer Beliebtheit erfreuen, soll man Nutria um die 35 Euro pro Kilo bekommen. Eet smakelijk!

Stanley Milgram / 10.11.2021

Hier zieht allabendlich eine Wilschweinrotte durch. Wenn ich wie seinerzeit Otto Kretschmer einen Fächerschuss aus dem 2. Stock mittels mehrerer Dutzend Telefunken-Trafos auf sie abgebe, werde ich sicherlich eines erwischen. Ich sehe die Problematik allerdings in einem unvollständigen Fangschuss, ein schreiendes Wild unter meinem Fenster, die ganze Nacht durch, mit anschließendem SEK-Auflauf nach Beschwerde der Nachbarn. Das macht mir deutlich mehr Angst als Corona, denn die klingeln nicht wie etwa der Impfbus-Kapitän an den Schulen… die kommen einfach rein. Nach ein paar Blendgranaten und anderem Zeugs.

Peter Wachter / 10.11.2021

Im Badischen-Odenwald ist inzwischen jeder Bach vom Biber gestaut und jeder Biber-Bau ist von Mitarbeidende des BUND registriert und wird auf Lebend- und Nichtlebend-Fallen kontrolliert, damit den lieben Tierchen auch ja nix passiert. Übrigens, ein Bauer, dessen Acker oder Wiese deshalb überschwemmt wird, bekommt KEINE Ausgleichszahlungen ! Was auch bei Hochwasser mit so einem Biberbau passiert, ist zweitrangig. Im Gegensatz zum Wassbären, der ist ein Migrant und darf geschossen werden, das ist doch voll rassistisch.

N.Lehmann / 10.11.2021

Erklär einem Ökofaschisten einmal, dass Verblödung keine Erbkrankheit, sondern was mit fehlender Hirnmasse zutun hat. Ok, die lieben, süßen, netten Biber und Wölfe haben psyschiche Probleme, ähnlich den Goldstücken aus dem Morgenland. Mit all denen sollte Aannaläna vom Völkerrecht mal ein ernstes Wort reden. Bitte nur nicht Gretaha Thunfisch dazu medienwirksam einladen, die guckt immer so steril und brüllt hysterisch : “how bad you are”!

Stefan Hofmeister / 10.11.2021

Dunnerlittchen - vielleicht kommt bei den derzeitigen Lebensmittelpreisen auch bald wieder der “Dachhase” in Mode?

Ludwig Luhmann / 10.11.2021

@Thomas Taterka / 10.11.2021 “Übrigens ein alter Mafia -” Trick “, um Widersacher loszuwerden.”—- Schweinemäster muss man kennen, wenn man nicht am Meer residiert!

Otto Nagel / 10.11.2021

@Archi W,  Erinnerung an meine Kindheit und den Biberverwandten Nutria, Anfang der 50iger. Ewig hungrig, fiel bei mir Ostern und Weihnachten zusammen, wenn mein Vater aus der nahegelegenen Biberfarm als Entgelt für Nachbarschaftshilfe ein oder zwei Nutria auf dem Tisch landeten, zubereitet wie Kaninchenbraten, einfach köstlich ! Wo kann man ein Nutria ergattern ?

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