Claudio Casula / 12.04.2024 / 16:00 / Foto: Pixabay / 49 / Seite ausdrucken

Bundestag erlaubt den Griff nach dem neuen Geschlecht

Heute hat der Bundestag das umstrittene „Selbstbestimmungsgesetz“ verabschiedet. Die Aussprache war für den Beobachter ein ganz zähes Stück Fleisch.

Dafür, dass so lange und erbittert um das „Selbstbestimmungsgesetz“ gestritten wurde, waren die Reihen des Bundestages heute zur 2. und 3. Beratung recht spärlich besetzt. Die Abgeordneten, die nicht im Saal saßen, haben aber (Spoiler!) nichts verpasst. Abgestimmt haben 636 von ihnen dennoch – für das Gesetz 374, dagegen 251, elf Abgeordnete enthielten sich.

Petra Pau mahnte vor der Debatte mit gewohnt brüchiger Stimme eine sachliche Auseinandersetzung über ein ziemlich verrücktes Gesetz an, und tatsächlich hielten sich die Emotionen in Grenzen. Erst als Sahra Wagenknecht vom Leder zog, überschlugen sich die empörten Rufe aus dem Plenum, der Autor meint sogar, ein „Kreuzigt sie!“ gehört zu haben, kann sich aber auch irren.

Wir fassen das Geschehen hiermit in der gebotenen Kürze zusammen. 

Der amerikanische Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Der deutsche Traum: vom Tellerwäscher zum Tellerwaschenden. Das richtige Bewusstsein ist alles, da darf die Argumentation durchaus mal etwas dürftiger ausfallen. In diesem Sinne genderten alle Grünen und Roten durch, dass es nur so eine Art hatte und sprachen durch die Bank die „Zuhörenden“ im Hohen Hause an. So wie Nyke Slawik (Grüne), die einst selbst ihr Geschlecht änderte und „unmenschliche Hürden“ beklagte, die sie zu überwinden gehabt habe.

Über das angeblich „unsägliche“ Transsexuellengesetz und seine „unwürdigen Praktiken“ ereiferte sich auch Anke Hennig von der SPD, ebenso wie über die Kritik am „Selbstbestimmungsgesetz“ („Desinformation und Hetze“). „Heute schreiben wir ein Stück Geschichte“, behauptete die Sozialdemokratin allen Ernstes, man akzeptiere die Selbstbestimmung fürderhin „ohne erniedrigende Fragen und Zwangsbegutachtung“. Als Beispiel brachte sie tatsächlich die Begegnung mit einer Sechsjährigen, die gesagt habe, sie sei eigentlich ein Junge. Ob ein Kind in diesem Alter die praktische Tragweite künftiger Konsequenzen solcher Gefühle überblickt, mag allerdings bezweifelt werden.

Kanzler Napoleon

Neues brachte die Debatte erwartbar nicht ans Licht, außer dass Sven Lehmann, „Beauftragter des Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“, in dem Gesetz ein „zutiefst liberales Gesetz“, ja sogar ein „feministisches Gesetz“ zu erkennen glaubt, dem – mit öffentlichen Geldern geförderte – Frauenorganisationen und die Kirchen ihren Segen gegeben hätten. Von der CSU-Abgeordneten Susanne Hierl erhielt Lehmann später den Rat, mal vor die Tür zu gehen, wo Feministinnen gegen das Gesetz demonstrierten.

Überhaupt war die Ignoranz, mit der die Durchpeitscher der schwerwiegenden Kritik an dem „Selbstbestimmungsgesetz“ (im Falle von Missbrauch negative Effekte beim Kinder- und Jugendschutz, bei Frauenrechten und der inneren Sicherheit) begegneten, nicht weniger als bestürzend. Ausschließlich waren Aussagen zu hören, die die Abschaffung vermeintlich furchtbaren Unrechts feierten und insinuierten, hier werde einer Minderheit, die bisher „bedroht, beschimpft und ausgegrenzt“ worden sei, endlich die Würde wiedergegeben.

Redner der CDU/CSU-Fraktion, der AfD und Sahra Wagenknecht hingegen betrachteten das Gesetz als „frauenfeindlich“, „aberwitzig“ und mitunter „gefährlich“. Die unterhaltsamsten Momente lieferten Wagenknecht und Martin Reichardt von der AfD. Letzterer mit seinem Gedankenspiel, was wohl passieren würde, wenn Kanzler Scholz zur Regierungserklärung in einer französischen Garde-Grenadier-Uniform des 19. Jahrhunderts auftauchen würde, sich als Napoleon vorstellte und künftig als Kanzler Napoleon angesprochen werden wolle (man würde ihm Hilfe anbieten und auf seine baldige Genesung hoffen). Genau das wolle das Selbstbestimmungsgesetz in Bezug auf die Geschlechtlichkeit. Es wäre „unfreiwillig komisch, wenn es nicht so tragisch und vor allem auch gefährlich“. Ein Mann etwa werde nicht zur Frau, wenn er sich eine Perücke aufsetzt und ein klischeehaft tief ausgeschnittenes Kleid anzieht.

„Trans-Extremisten“ suggerierten, die Probleme von Kindern und Jugendlichen durch Geschlechtsänderung zu beenden. Dies habe dazu geführt, dass sich laut eines Psychoanalytikers die Zahl der geschlechtsangleichenden Operationen bei 15- bis 25-Jährigen von 2007 bis 2021 versiebzehnfacht habe. Man helfe Minderjährigen aber nicht, wenn man alles auf eine Störung ihrer Geschlechtsidentität zurückführe. Reichardt monierte auch, dass Kritik an diesem „aberwitzigen Gesetz“ demnächst mit horrenden Bußgeldern mundtot gemacht werden soll.

„Ideologie triumphiert über Realität“

Sahra Wagenknecht brachte die rot-grünen Parlamentarier gleich zu Beginn ihrer Rede mit der Bemerkung auf die Palme, einmal pro Jahr sein Geschlecht wechseln zu können, auf diesen grandiosen Freiheitsgewinn hätten Millionen von Bürgern „sicher sehnlichst gewartet, vor allem in einem Land, in dem man über die Art der Heizung oder Antrieb fürs eigene Auto nicht mehr frei entscheiden kann“. Es sei „wie immer bei der Ampel: Ideologie triumphiert über Realität“. Das Geschlecht werde „von einer biologischen Tatsache zu einer Frage der Gemütsverfassung“.

Es sei „albern, wenn es nicht so gefährlich wäre“, womit sie auch rhetorisch ganz bei Reichardt war. Eltern und Kinder würden zu Versuchskaninchen von Ideologen, junge Mädchen, die mit ihrem Körper hadern, werde „eingeredet, dass sie doch eigentlich Jungen sind“. Vollkommen irre sei, dass der Regierung im Zweifel die Kriegstüchtigkeit offenbar wichtiger als die Trans-Ideologie sei, denn im Verteidigungsfall könne man seinen Geschlechtseintrag nicht von heute auf morgen ändern.

Interessant ist, dass sogenannte Konversionstherapien (etwa Therapien zur „Heilung“ von Homosexualität, weil man diese als Krankheit betrachtete) zu Zeiten des Gesundheitsministers Jens Spahn so weit wie möglich verboten wurden, nun aber gewünscht ist, dass Trans-Aktivisten Menschen in ihre Geschlechtsidentität hineinquatschen. Der Widerspruch scheint allerdings keinem der Befürworter des grotesken „Selbstbestimmungsgesetzes“ aufgefallen zu sein.

Der „historische“ Beschluss, der heute im Deutschen Bundestag gefasst wurde, ist nur ein weiterer Beleg für die Ampel-Praxis, Aktivisten aus Kleinstminderheitenmilieus zufriedenzustellen und sich dabei moralisch zu spreizen. Der Sozialdemokrat Jan Plobner sprach pathetisch von der „Pflicht, Unrecht zu beseitigen, selbst wenn es nur einen einzigen Menschen in diesem Land beträfe“. Was die Mehrheit in der Gesellschaft denkt, ist dieser Regierung wurscht. Vielleicht zu Recht, denn die wählt sie eh nicht mehr.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Pixabay

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Wolfgang Richter / 12.04.2024

Wo kann ich legal meine 25 Gramm Cannabis kaufen? Mit Alk alleine ist das Land nicht mehr zu ertragen. Ich brauch die vollest mögliche Dröhnung, täglich mehrfach, so ca. alle 60 Minuten, wenn die Öffis verkünden, was sie als “Nachrichten” definieren.

Ralf.Michael / 12.04.2024

Diese bekloppen Fanatiker soll man einfach machen lasse, Sie werden es hinterher bitterlich bereuen ! Abgeschnitten ist Abgeschnitten….und bleibt auch Abgeschnitten ! Vom Pimmel aus dem Nichts direkt ins Einmachglas ! Warum Nicht ? Bitte sehr ! Geht mir am Arsch vorbei, aber soetwas von. Rekonstruktive Chirurgie ? Reparaturen so gut wie ausgeschlossen. Hier in meiner Wahlheimat werden solche Aktionen niemals nicht eine Chance haben.  Iie Nai Desu….

Birgit Hofmann / 12.04.2024

@ Dr. SCHMID. Berechtigte Fragen, ich denke der Antragsteller. Angefangen vom Führerschein bis Personalausweiss, bis hin zum Ausweiss für das Fitnessstudio….könnte Nervenaufreibend und Teuer werden. Trotzdem, diese Regierung ist an Boshaftigkeit und Niedertracht nicht mehr zu überbieten, fünfjährige Kinder müssen ihre Zustimmung geben. Krank, einfach nur noch krank.

Gabriele Klein / 12.04.2024

“Was die Mehrheit in der Gesellschaft denkt, ist dieser Regierung wurscht. Vielleicht zu Recht, denn die wählt sie eh nicht mehr.” Na ja, Herr Casula,, es gibt Regierungen, u. wie ich hörte nicht wenige, die wählen sich selbst. Dieser Tage scheint die “Patchwork” Regierung “in” egal ob in Ungarn, Polen, Israel oder sonst wo . Das Füllen der eignen Taschen scheint bei sehr vielen Vorrang vor der dafür umso lauter bekundeten politischen Meinung. davon legt so manche patchwork Partei beredt Zeugnis ab bei der sich die tiefsten angeblichen “Gegner ” plötzlich einig werden um an den Trog, die Macht u.d entsprechende sensible Infos zu gelangen..  Aber auf Dauer funktionnierte sowas noch nie… Es wird halt am Ende sehr viele Unschuldige mit treffen wie z.B. in Israel wo wie ich hörte, vor der Regierung Netanyahus die Muslim Brothers mit Hilfe der damaligen Patchwork Partei den besten Draht zu sensiblen Infos bekamen (siehe Pulse of Israel aus dieser Zeit) Das Pogrom hernach wundert mich vor solchem Hintergrund nicht mehr.xxx @Frau Luh, danke f. interessanten Kommentar. Für mich ist das ganze nur als psychologische Kriegsführung verständlich, anders leider nicht.

M. Buchholz / 12.04.2024

Auch wenn es plump klinkt. Die haben einfach nicht mehr alle Tassen im Schrank. Oder ist das Absicht um von den existentiellen wirtschaftlichen und sozialen Problemen abzulenken?

Sofie Kampulek / 12.04.2024

Es ist wie beim Binärcode in der Informatik. Eigentlich gibt’s nur 0 oder 1. Außer der Computer spinnt.

Fridolin Kiesewetter / 12.04.2024

Wenn jeder penistragende Vollbärtige sich als Frau bezeichnen kann, verliert das Wort Frau seine Bedeutung. Wie will man dann noch Frau definieren? - Und darum geht es in Wirklichkeit: Die Auflösung aller Begriffe und damit jedes Haltes, jeder Orientierung. - “Alles ist Kunst.” hieß es vor Jahren und das bedeutet soviel wie “Nichts ist Kunst.”, bedeutet die Abschaffung der Kunst. - Jeder kann eine Frau (ein Mann) sein bedeutet: Es gibt keine Frauen, keine Männer, es gibt nur Menschen.

Bärbel Witzel / 12.04.2024

Die Regierung strotzt ja geradezu vor Dummheit. “Dumm gelaufen! Vertan, vertan sprach der Hahn und stieg von der Ente.”  Genesis 19:5 bis 19:9 Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Abend zu dir gekommen sind? Heraus mit ihnen, wir wollen mit ihnen verkehren. Da ging Lot zu ihnen hinaus vor die Tür, schloss sie hinter sich zu und sagte: Aber meine Brüder, begeht doch nicht ein solches Verbrechen! Seht, ich habe zwei Töchter, die noch keinen Mann erkannt haben. Ich will sie euch herausbringen. Dann tut mit ihnen, was euch gefällt. Nur jenen Männern tut nichts an; denn deshalb sind sie ja unter den Schutz meines Daches getreten. Sie aber schrien: Mach dich fort!, und sagten: Kommt da so ein einzelner Fremder daher und will sich als Richter aufspielen! Nun wollen wir es mit dir noch schlimmer treiben als mit ihnen. Sie setzten dem Mann, nämlich Lot, arg zu und waren schon dabei, die Tür aufzubrechen.

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