Wenn man anruft, landet man zunächst in der Warteschleife. Von einer Stimme, die so klingt, wie Klein-Fritzchen sich einen Homosexuellen vorstellt, wird man durchs Menü gelotst. Plötzlich klingelt im Hintergrund eine Türglocke, die Telefonstimme sagt genervt: „Dann mach ich jetzt halt die Tür auf, wenn sonst keiner geht!“ Huch, wie lustig!
Willkommen im SchwuZ, dem nach eigener Darstellung „ältesten queeren Club“ und „größten queeren Kulturinstitution Deutschlands“, gegründet 1977, als zwar noch kein Transmensch im Bundestag saß, aber die Welt ansonsten noch halbwegs in Ordnung war. Nach mehreren Umzügen befindet sich das Berliner Schwulenzentrum, das sich heute aller Mensch*innen annimmt, die irgendwas nicht auf die Reihe kriegen, in den Räumen der alten Kindl-Brauerei in Neukölln, die jetzt zum Teil als Kulturzentrum dient.
„Du sollst Dich hier wohlfühlen, egal wer Du bist“
Durch den Umzug in die neuen Räumlichkeiten „am Standort Neukölln“, so erfährt man auf der Webseite, seien „bis heute“ rund 1,5 Millionen Euro investiert worden. Darüber hinaus habe das SchwuZ aktuell rund 100 Beschäftigte und im Durchschnitt monatlich rund 300 Dienstleister, die „bezahlt werden müssen“. Man darf vermuten, größtenteils aus öffentlichen Mitteln, wie das in Berlin üblich ist.
Das SchwuZ will ein gastfreundlicher Ort sein. Unter dem Stichwort „Unser Selbstverständnis // Barrierearm“ liest man folgendes:
Wir freuen uns über die vielen verschiedenen Menschen, die das SchwulenZentrum zu dem machen, was es ist. Es kann uns gar nicht bunt und abwechslungsreich genug sein, das zeigt auch unser vielfältiges Programm. 1977 als Ort des Aufbegehrens und der Emanzipation Schwuler und Tunten gegründet, arbeiten und feiern wir hier heute als Männer und Frauen oder nichts von beidem, als Queers, weiße Menschen, Bartmädchen, Butches und Femmes, Schwarze, Persons of Color, als Personen mit und ohne Behinderungen, Migrant_innen, Junge und Alte, trans* und inter*geschlechtliche Menschen und so viel mehr. Wir sind dabei schwul, lesbisch, bi- und a- oder vielleicht sogar auch heterosexuell. Wir wünschen uns einen respektvollen Umgang miteinander – Du sollst Dich hier wohlfühlen, egal wer Du bist.
Leider kein Ort für alle
Wie alle Clubs in Berlin und anderswo musste auch das SchwuZ wegen Corona seine Tore schließen. Im Juli waren es triste 500 Tage, bis heute sind noch ein paar dazugekommen. Doch ein Ende der Misere ist in Sicht: Am Samstag, 30. Oktober, soll mit einer großen Party unter dem Motto „The Comeback of Love“ die Wiedereröffnung gefeiert werden. Zeitgleich nimmt die neue „Pepsi Boston Bar“ den Betrieb auf, der „neue queere Hot Spot von Berlin“.
„Mit der Dankeschön-Party möchten wir uns bei allen Besucher:innen bedanken, die uns während der Pandemie unterstützt haben. Es wird daher auch an diesem Tag freien Eintritt für alle geben. Der Tanzhunger kann endlich wieder gestillt werden. Darauf haben wir schon so lange gewartet. Und das die queere Community damit wieder einen Ort der Begegnung hat, freut uns umso mehr.“
Leider kein Ort für alle, denn gemäß der 2G-Regel werden nur Geimpfte und Genesene Zutritt haben. „Alle Veranstaltungen werden unter 2G-Regeln stattfinden und durchgeführt“, heißt es kurz und knapp auf der Webseite. Digitaler Nachweis samt Lichtbildausweis sei zwingend erforderlich. Berlin mit seiner viel gerühmten „Klubkultur“ hatte als eines der ersten Bundesländer ein Optionsmodell eingeführt, wonach sich Clubbetreiber und Gastronomen für 2G oder 3G entscheiden können. Der Nachweis muss auch digital nachprüfbar sein.
Das SchwuZ entschied sich offenbar durchgehend für die strengere Variante. Auf Achgut-Nachfrage schrieb dessen PR-Abteilung im Kumpelton:
Danke für deine Nachricht. Das SchwuZ öffnet wie alle Berliner Clubs unter 2G Bedingungen. Das ist die einzige Möglichkeit als Club wieder den Betrieb aufzunehmen. Denn es handelt sich dabei um die Vorgabe des Berliner Senats. Insofern verstehen wir deine Sicht auf die Dinge, werden jedoch die Möglichkeit nutzen, wieder zu öffnen und nicht weiter geschlossen zu bleiben, bis die Pandemie vorbei ist. Das ist betriebswirtschaftlich und sozial gegenüber unseren Mitarbeiter:innen und Künstler:innen nicht vertretbar.
Natürlich ist es aller Ehren wert, wenn ein Arbeitgeber auf die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern pocht. Doch wie verträgt sich die behaupteten „Barrierefreiheit“ und die Sensibilität der „queeren Community“ gegenüber Diskriminierungstatbeständen aller Art mit dem Ausschluss Ungeimpfter? Einst gingen die Homosexuellen für ihre Rechte auf die Straße und prügelten sich mit der Polizei, wie bei den legendären Stonewall-Aufständen von 1969 in der New Yorker Christopher Street, die bis heute als „Christopher Street Day“ gefeiert werden. Heute diskriminiert man fröhlich mit und lässt sich das Maul mit Steuermillionen stopfen.
(Ich danke einem Achgut-Leser für seinen Hinweis auf dieses Thema!)