Bento da França Pinto de Oliveira war ein portugiesischer Kriegstreiber, der sich als weißer Kolonialverwalter in Mosambik, Kap Verde, Angola und Portugiesisch-Indien betätigte. Auch Bento de Góis, ein portugiesischer Jesuit und Missionar, glaubte, die Überlegenheit der weißen Rasse demonstrieren zu müssen; er trieb sein Unwesen in China. Als Gegengewicht zu diesen beiden Herrenmenschen agiert heute Bento Bento, Mitglied und Funktionär der kommunistischen MPLA (Volksbewegung zur Befreiung Angolas).
Auch im deutschen Sprachraum gibt es Bento. Oder schlechter gesagt: Gab es. Das im Oktober 2015 vom SPIEGEL gestartete Satiremagazin dieses Namens wird im anstehenden Herbst eingestellt. Ein harter Schlag in einer Zeit, in der es immer weniger zu lachen gibt. Denn Bento war eine oft gut gemachte Parodie auf Leute, die irgendwas mit Buchstaben machen; gut gemacht, weil es souverän sämtliche Vorurteile gegen Deppenschreibe und Meinungsmüll bediente und so manches Mal für laute Lacher gut war. Bento, der Fips Asmussen unter den Influencern.
Es liegt nicht am Desinteresse der Zielgruppe „junge Menschen unter 30“ und nicht an mangelnder Fantasie der Redakteur*, dass Bento auf dem ohnehin ausgemerkelte Feld der Satiremagazine einen leeren Fleck hinterlässt. Corona, so lässt man verlauten, ist schuld, dass Das junge Magazin des Spiegel „nachhaltig in die Verlustzone geraten“ ist. „Gerechtigkeit – Uni und Arbeit – Gefühle – Freizeit“ sie werden bald nicht mehr in aller satirischen Schärfe aufs Korn genommen. Und das gerade jetzt, wo mit „Black Lives Matter“ ein Thema auf die Redaktionstische gespült wurde, aus dem Bento für Monate Artikel hätte generieren können. Schließlich steht bei den Rubriken die „Gerechtigkeit“ an erster Stelle.
Wahrscheinlich ist etwas schief gegangen
Natürlich, es ist schwer, über inzwischen fünf Jahre hinweg durchgehend Qualitäts-Satire zu liefern. „Wir (gemeint sind die Weißen, Anm. d. Setzers) sind wirklich nicht so viel besser als gewalttätige Polizisten in den USA“, lese ich gerade in einem neuen Beitrag auf Bento. Das ist nun wirklich flach, da allzu erkennbar purer Bullenshit. Und mit Aussagen wie „Wenn du als Weiße oder als Weißer merkst, dass du Spaß hast beim Thema Rassismus, dann ist wahrscheinlich etwas schief gegangen. Es muss weh tun.“ wird man kaum die Zielgruppe junge Menschen unter 30 erreichen, da viele unter den wenigen Lesern das nicht als Satire, sondern als ernst gemeinte Ermahnung verstehen. Und wer lässt sich in der Zielgrupe der jungen Menschen unter 30 schon gerne ermahnen? Die Gefahr, dass das jemand ernst nimmt, ist groß. Auch beim Postillon, einem höchst erfolgreichen Satire-Projekt, glauben immer wieder Leser, es handele sich bei Meldungen wie „Erstes Bundesland verbietet Bürgern das Ausatmen in der Öffentlichkeit“ um Realität.
Schon 2015 hat der unbestrittene Großmeister der Satire, Jan Böhmermann, sich abfällig über Bento geäußert („Website-gewordene Schulklotür“). Die banalen Texte hätten nicht viel mit Scherz, Satire, Ironie zu tun, erst recht hätten sie keine tiefere Bedeutung und seien oft gar nicht als Satire erkennbar, da sie zu nahe an der Wirklichkeit hingen. Eine unfaire Kritik kurz nach der Eröffnung – hatten die Bento-Macher* doch noch gar keine Zeit gehabt, zur Hochform aufzulaufen. Unbekannte (?) wollten damals ein wenig nachhelfen und schufen auf Twitter eine Satire auf die Bento-Satire. „Total unterschätzt: Wie veganer Milchkaffee unsere Gesellschaft verändert.“ war einer der Scherze, der das Niveau der Bento-Aufmacher mühelos erreichte. Diese Art von Nachhilfe in Sachen Schwachmatik wollte sich Bento allerdings nicht geben lassen: Sie sorgten dafür, dass der hinter solchen Witzeleien steckende Account von Twitter gesperrt wurde.
Und strengten sich an, es dem Spott ordentlich zurückzugeben: „Da saß ich nun mit einem Finger im Po und meinem besten Stück in der Hand. Leicht zitternd ließ ich mein Ding los.“ So der Beginn eines großartigen Bento-Ulks zum Thema „Analpenetration“. Doch vergebliche Mühe. „Warum Sextips Trottelplattformen auch nicht retten“, läutete Don Alphonso bereits vor Jahren das Totenglöckchen für Bento, Demento und Inkontinento. Er behielt natürlich wie stets recht.
Die Farbe einer gewissen „Schwefelpartei“
2019 bekam Bento noch einmal einen neuen Anstrich. Man hatte sich dafür einiges überlegt, darunter einen bösen Gag: Als Leitfarbe wählte man ausgerechnet Blau, also die Farbe, die von einer gewissen „Schwefelpartei“ (Michael Klonowsky) als Blickfang okkupiert wurde. Darüber habe ich lange geschmunzelt. Inhaltlich beließ man es dafür bei den alten Zutaten. Feminismus, Transmänner, Transfrauen, Veg*, Schamhaare, verstopfte Klos, der Einfluss des Klimawandels auf die Unterdrückung durch alte, weiße Männer und die Rolle der Baumwolle in der Geschichte des Rassismus – da merkt selbst die Zielgruppe junge Menschen unter 30 irgendwann einmal, dass darüber schon alle Satiren erzählt und geschrieben sind.
Ich habe, das gebe ich gerne zu, manches von dem, was Bento nur im Scherz schrieb, ernst genommen. „Jeder Körper ist schön, also geht ins Freibad! Esst Pommes, seid glücklich!“ war so eine Parole, die bei mir, gerade in Coronazeiten, auf fruchtbaren Speck fiel. „Mit Spucke und einem leichten Schmerz ging der Finger rein“ hingegen war nicht so mein Ding, ich werde für alle Zeiten „Analjungfrau“ bleiben. Was bleibt, ist immerhin das Wort, ein Wort, für dessen Schöpfung die seligen Macher von Pardon und Titanic vermutlich jeden Rotwein hätten stehen lassen.
Bento, hier liegt sein (ihr?) Fluch, ist zwar ein vordergründig satirisches Magazin, aber die Satire darin ist oft, wenn nicht immer, mit einer moralischen Botschaft verbunden. Natürlich, man kann sich köstlich über die Qualen von Veganern amüsieren, die schon deshalb auf ihr Bier verzichten müssen, weil die Flaschenetiketten mit tierischem Kleber angebracht werden. Aber so drollig das auch ist – es kollidiert zumindest unterschwellig gegen das Spaßbedürfnis der Zielgruppe junge Menschen unter 30. Das mag eine Zeitlang gut gehen („Mir doch egal, womit die Etiketten geklebt werden. Hauptsache, es knallt!“), aber nur so lange, bis eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Dann ist es auch gut, und neue Themen braucht das Land. Was gestern das Leid der Tiere, ist heute das Leid der Nichtweißen. Auch das wird sich wieder verflüchtigen. So wie jetzt eben Bento. Ein wirklich tragisches Corona-Opfer. Ich werde es vermissen.