Es geht wieder los: Nach einer erholsamen Pause von Bedford-Strohms Auftritten drückt man jetzt erneut in Sachen „Seenotrettung“ auf die Lautsprechertube. Vielleicht fühlt man sich auch angepiekst von der neuen lebensgroßen Skulptur auf dem Petersplatz in Rom. Das Auftragswerk des Vatikans heißt „Angels Unawares“:
„Dargestellt ist eine Gruppe von Migranten und Flüchtlingen aus unterschiedlichen Ländern, Religionen und Zeiten … Männer, Frauen und Kinder stehen dichtgedrängt mit wenigen Habseligkeiten auf einem schwimmenden Untersatz. Aus der Mitte der kompakten Menschenmenge erheben sich Engelsflügel, die die Gegenwart des Heiligen unter den Flüchtenden andeuten.“
Ich kann hier leider nicht weiterhelfen. Jedenfalls berichtet das Sonntagsblatt:
„Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerische Landesbischof, Heinrich Bedford-Strohm, und der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, haben die Europäische Union (EU) aufgefordert, die Rettung von Bootsflüchtlingen wieder aufzunehmen. In einem gemeinsamen Appell riefen sie am Freitag in Palermo überdies dazu auf, die beschlagnahmten Schiffe privater Seenotretter umgehend freizugeben ... 'Die Kriminalisierung und Behinderung der zivilen Seenotrettung ist sofort zu beenden'.“
„Die evangelischen Kirchen dienen sich häufig dem Zeitgeist an“
Der Aufruf entstand „anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der sizilianischen Regionalhauptstadt an den bayerischen Landesbischof“ – wegen „dessen Ideen in Bezug auf Einwanderungspolitik, Willkommenskultur, Asylrecht und Seenotrettung“. Da wäre nämlich sonst nie jemand drauf gekommen! Zum sizilianischen Netzwerk steht auch etwas in diesem Bericht. Ein weiterer Kumpan hat sich dazu gesellt: „Kapitän Claus-Peter Reisch hatte rund eine Woche auf See ausgeharrt, fuhr dann aber trotz eines Verbots in italienische Gewässer ... Er habe mit Leoluca Orlando telefoniert, dem Bürgermeister Palermos, teilte Reisch auf Twitter mit. 'Er hat mir gesagt: Sizilien ist eine mehr oder minder Salvini-freie Zone'.“ Hurra!
Um das festzuhalten: Es gibt wenig, aber scharfe Kritik an den Politaktivisten; zum Beispiel vom Theologen Richard Schröder: „Sowohl Herr Bedford-Strohm als auch die Hauptredner des letzten Evangelischen Kirchentages … differenzieren nicht, sondern sagen nur: Das ist gut und jenes böse … Das ist propagandistisch sehr effektiv.“ Der Sozialdemokrat meint: „Wenn wir alle, die kommen wollen, hereinlassen, brechen unsere sozialen Sicherungssysteme zusammen.“ Es kann nicht sein, „dass die Boote die europäischen Anrainerstaaten ansteuern und dann verlangen, dass alle Menschen aufgenommen werden“. Gemäß Seerecht müsse man den nächsten sicheren Hafen anlaufen. „Stellen Sie sich vor, jemand rettet einen Menschen und setzt ihn, ohne vorher zu fragen, vor Ihrem Haus ab: ‚Den musst du jetzt übernehmen.‘ Das tun die Seenotretter.“
An anderer Stelle kritisierte der Theologieprofessor Udo Schnelle: „Die evangelischen Kirchen dienen sich häufig dem Zeitgeist an und verspielen so ihre Zukunft“ – wenn sie sich „als Moralagentur höherer Ordnung inszeniert und den Eindruck erweckt, als sei das Evangelium ein sozial-politisches Programm“. Zur Aufnahmepflicht ohne Grenzen: „Es gebe jedoch kein unbegrenztes Helfen. Grenzenlosigkeit bedeute die Außerkraftsetzung von Regeln. Ohne Begrenzung sei keine Integration möglich. Auch theologisch sei die Forderung der Grenzenlosigkeit falsch. Jesu Christi Aussagen zur Nächsten- und Feindesliebe bezögen sich auf die individuelle Alltagsethik und nicht auf globale Prozesse des 21. Jahrhunderts.“ Der Umfang von Hilfe sei eine Frage der Vernunft. Die ist heute bekanntlich mindestens rechtspopulistisch. Leider kann ich auch hier nicht weiterhelfen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Luftwurzel