Beim lesen solcher Berichte frage ich mich schon, was ist der Unterschied zwischen z.B. einem Christophe Honoré und mir? Einmal ganz davon abgesehen das ich glaube, das wer ein gesundes und zufriedenes Sexualleben hat damit die Öffentlichkeit nicht belästigen würde und natürlich unseren unterschiedlichen sexuellen Orientierungen. Nein, ich meine was der wesentliche Unterschied ist den man auch in einer halbwegst intelligenten Diskussion als gemeinsamen Nenner hervorheben könnte. Und da komme ich nach langem Nachdenken zum Schluß, das uns vor allem eines unterscheidet: Honoré fehlt die Selbstbeherrschung.
Ich muss bei solchen Geschichten immer an einen Sketch von und mit Dave Allen denken: “Ich wandere aus!” “Warum das denn?” “Weil ich hetero bin.” “Was hat das denn miteinander zu tun?” “Nun, was passierte vor 1000 Jahren, wenn man als Schwuler enttarnt wurde?” “Man wurde gesteinigt.” “Genau. Und was vor 500 Jahren?” “Man wurde verbrannt.” “Stimmt. Und vor 100 Jahren?” “Man kam ins Gefängnis.” “So ist es. Deshalb wandere ich aus, bevor es Pflicht wird.”
Die wollen auch kein ” bildungbürgerliches Publikum” mehr ! Es geht auch hier um “Tranformation”. Ich nenne es die “Trafo-Kultur”.
Niemand will es sehen, alle dürfen es bezahlen.
Ich bin für eine Kultur, die sich selbst aus diversen Einnahmen finanziert, aber ohne Staatsknete.
Gäbe es keine Opernhäuser mehr, wäre dies m. E. kein großer Verlust: Der gebildete Bürger (nicht Bildungsbürger, dieser Begriff ist ein Schutzschild des Banausentums) könnte sich die zahlreichen Opernaufnahmen (ich empfehle «Les Troyens» in einer alten (fast) ungekürzten Covent Garden Aufnahme von Philips mit Colin Davis ) zuhause im bequemen Sessel über Kopfhörer anhören, mit Klavierauszug oder Partitur. Ein wenig vorherige Lektüre in einer mehrbändigen Enzyklopädie des Musiktheaters oder sogar spezielle Studien könnten dann den Hintergrund bilden. Das Geschehen auf der Bühne lenkt ohnehin von der eigenen Phantasie ab. Natürlich verstoße ich hiermit gegen das seit Wagner eherne Gesetzt, dass das “Drama” auch der Bühne bedarf. Allerdings hatte bereits Wieland Wagner eine sehr spezielle Vorstellung von “Bühne”, und warum sollte man nicht seine eigen Phantasie (gesteuert von der Musik und dem Textfluss) als Bühne ansehen. Dass die Opernregisseure darob einen Veitstanz aufführen werden, ist verständlich, basiert ihr Status letztlich (wenn auch meist uneingestanden) doch auf den Heiligen Schriften des Bayreuther Sachsen. Mit dieser Art “individueller” Bühne wäre allerdings allen gedient, und die “Queeren” unter den Gebildeten könnten sich dann auch ihre speziellen Leckerchen vorstellen, z. B. beim Gesang Brangänes im des 2. Aktes des “Tristan”.
Wenn Variationen gewalttätiger Demütigung zu den “normalen Initiationen” beim Eintritt in karrierefördernde “harmlose” Verbindungen und Fraternitäten gehören (oft genug traditionell “men only”), werden diejenigen, die solches für sich als “völlig normal” hinnahmen, wenig Verständnis haben für den Unwillen vieler, ungefragt Sexszenen (welcher Art auch immer) vor die Nase gesetzt zu bekommen. “Wenn die wüßten, wie brutal das Leben wirklich ist…”, mögen die denken. Das größere Rätsel ist die paradoxe Gleichzeitigkeit der Norm hypersensibler Vermeidung jeglicher denkbarer emotionaler Verletzungen. Kein Wunder, daß da viele ihr Denken einfach abschalten. Und genau das dürfte Zweck des ganzen Theaters sein. Erfolgreich - wie man beim Corona-Zirkus erleben mußte: fast alle machen jeden Schwachsinn mit, wenn er nur passend serviert wird. Was schon sind schwule Sexszenen im Theater gegen “wirksame und effektive” Spritzen in den Arm?
So gewährt doch der Kunst endlich die Freiheit, die ihr zukommt, - die Freiheit von allen Subventionen!
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