Im Umkehrschluss scheint es üblich, dass ein Autor brav die Linie des Verlages zu vertreten hat. Ist der Künstler nicht mehr Mittelpunkt der Darstellung, sondern nur noch Redakteur des Verlages? Offensichtlich wurden hier doch von Suhrkamp die Rollen verwechselt. Die Freiheit der bildenden Kunst endet dort, wo die Verlage es wünschen. Früher nannte man so etwas Meinungsdiktat.
Geschichte wiederholt sich. Was kommt als nächstes? Bücherverbrennung und öffentlicher Rufmord? Es scheint mir wieder so weit. Das Establishment hat zu viel Mist gebaut und so langsam kriecht die Panik in deren Knochen vielleicht doch irgendwann dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Deshalb weiter die Wahrheit tabuisieren, weiter Ablenkungsmanöver fahren und weiter die, die schon länger hier leben herabsetzen, demütigen und mundtot machen . Die echte Diskussion scheuen, stattdessen hintenrum zensieren, verleumden, denunzieren, einschüchtern. Feige Werkzeuge totalitärer Staaten sind das.
Das sind Methoden,wie sie Tellkamp in seinem Roman „Der Turm“ beschreibt . Es wird Zeit für einen neuen gesellschaftskritischen Roman mit dem Titel „ Der Abgrund“.
Meine Großmutter (Jahrgang 1900) hat mir sehr oft erzählt wie sich die Toleranz und Meinungsfreiheit der Weimarer Republik in rasantem Tempo in Denunziantentum und Meinungsdiktatur wandelte. Deshalb: Wehret den Anfängen!
Früher oder später wird auch Herr Grünbein sein Rendezvous mit der Lebenswirklichkeit haben.
Die Redefreiheit ist das Fundament der Demokratie. Jedes Wort, auch das schwer ertragbare, muss gesagt werden dürfen. Meinungs- und Redefreiheit werden von unserer Verfassung garantiert, aber nicht mehr gelebt. Immer wieder werden scheinbar gute Gründe dafür aufgeführt, warum die freie Rede eingeschränkt werden sollte – etwa, dass sich empfindliche Seelen durch Wörter verletzt fühlen oder verwirrte Zeitgenossen von Demagogen verführt werden könnten. Sprachregeln sollen die Menschen vor eigenem und fremdem sprachlichen „Fehlverhalten“ schützen. Abweichende Meinungen werden nicht als Chance gesehen, die eigenen Argumente zu erproben und zu stärken, sondern zum Anlass genommen, Menschen auszugrenzen oder eine Entschuldigung zu fordern. Aber nur dort, wo verschiedene Meinungen im Wettstreit miteinander liegen, kann sich am Ende das beste Argument durchsetzen. Deshalb brauchen wir das Recht, jede Überzeugung hören zu dürfen, denn auch falsche, provozierende, verlogene und verabscheuungswürdige Äußerungen tragen zum Klärungsprozess bei. Statt auf Tabus sollten wir auf eine Kultur der Kontroverse setzen.
Schön, wenn Intellektuelle wie Tellkamp den Mut haben, öffentlich eine vom politischen mainstream ungeliebte Meinung sowie unbequeme Fakten zu äußern. An dieser Zivilcourage fehlt es weithin im Land sowohl bei Künstlern als auch bei einfachen Bürgern, da sich angesichts einer medial induzierten, scheinbaren Übermacht einer Leitmeinung viele Menschen nicht mehr trauen, ihre abweichende Meinung etwa zum Migrationsthema zu äußern. Und was die Reaktion des Suhrkamp-Verlags angeht, kann ich nur sagen: Das merke ich mir. Nicht alle potentiellen Käufer von Suhrkamp-Büchern ticken links.
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