Thilo Schneider / 18.02.2021 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 71 / Seite ausdrucken

Aus der Mitte entspringt ein Rinnsal

Manchmal sind es ja die kleinen Meldungen zwischen China und Corona, die kurz aufhorchen lassen: „LKR sammelt frustrierte AfDler auf“, titelt n-tv am 29.1.2021 auf seiner Homepage. Ganz leise und von der Presse fast unbemerkt, ist die Kleinpartei LKR dadurch die siebte Partei, die im Bundestag vertreten ist. Wenngleich nur durch die Übertritte von Mario Mieruch und Uwe Kamann von der AfD zu den orangen Zwergen. Was aussieht wie eine Flucht in die Bedeutungslosigkeit aus Gewissensgründen (wobei Mieruch und Kamann auch zu AfD-Zeiten nicht gerade die bekanntesten Gesichter der blauen Schwefelpartei waren), entbehrt in Wahrheit nicht einer gewissen Logik. Und sei es auch die, keine Angst mehr haben zu müssen, dass der Familien-Sharan angezündet wird.

Laut einer Insa-Umfrage würden wenigstens 20 Prozent aller Wähler einer neuen Partei zwischen Merkel-CDU, grünspaniger FDP und pöbelhafter AfD ihre Stimme geben, weitere 20 Prozent wären zumindest unentschlossen. Eine von der LKR selbst in Auftrag gegebene Umfrage kommt zu dem gleichen Ergebnis. Niedrig geschätzt hätte eine neue Mitte-Rechts-Partei also ein Wählerpotenzial zwischen 20 und in der Spitze 40 Prozent. Die Hauptwechselwilligen kämen von FDP, AfD und der Union. Eine solche Partei wäre sowohl für FDP, AfD und erst recht für die Union eine echte Gefahr. Hier würde die bisherige Wahlarithmetik komplett auf den Kopf gestellt.

Das Problem dabei: Es gibt keine nennenswerte Mitte-Rechts-Partei. Die durch mehrere Überläufer auf jetzt rund 1.000 deutschlandweit aktive Mitglieder „gestärkte“ LKR hat gerade einmal einen Bekanntheitsgrad von 6 Prozent. Da ist Arminia Bielefeld bekannter. Dabei dürfte die LKR unter den Gartenzwergen des Mitte-Rechts-Spektrums noch die solideste Parteiorganisation haben. Auf dem Markt der künftigen Bürgerparteien tummeln sich neben der LKR auch noch die „Deutsche Mitte“ (mit dem etwas unglücklichen Slogan „Politik geht anders“), VOLT (vas die vollen, ist mir nicht ganz klar), die „Partei der Humanisten“ (die wohl mit der längsten Unvereinbarkeitsliste an den Start gehen) und tatsächlich noch die Zentrumspartei, die einst prächtige Wahlergebnisse hatte. Aber das war noch im Kaiserreich und der Weimarer Republik.

Kleinstparteien: Jede Menge Häuptlinge, aber keine Indianer

Ferner gäbe es da noch die „Basis“, aber was die fünf Handvoll Mitglieder machen, weiß ich nicht, und da war ich auch zu faul, zu recherchieren. Das Problem all dieser Parteien ist, dass sie jede Menge Häuptlinge haben, aber keine Indianer. Da gönnen sich 100 Mann einen 20-köpfigen Bundesvorstand, haben aber kein einziges Mitglied, das Plakate hängen oder in der Fußgängerzone Wähler und Mitglieder werben würde. Stattdessen gefallen sich die politischen Träumer in opulenten Facebookseiten oder Homepages, auf denen sie die 40%-Partei mimen und sich ansonsten damit beschäftigen, sich gegenseitig aus ihren lächerlichen Pseudopositionen zu intrigieren. Da gibt es Kaninchenzuchtvereine mit besserer Disziplin und mehr Mitgliedern. Die im Übrigen auch mehr Wählerstimmen ziehen würden. Vielleicht nicht von ehemaligen AfDlern, aber von aktiven Kaninchenzüchtern. Das wären in Deutschland immerhin 160.000 Stimmen. Aber all die Zwerge hoffen auf ein schwarzhaariges Schneewittchen mit dem Namen „Werte-Union“, das ihnen endlich mediales und parlamentarisches Leben einhauchen soll.

Die Werte-Union wiederum – der die Merkelianer einmal mehr Reibungshitze als Nestwärme verkauft haben – hofft, dass sie es noch irgendwie schafft, Friedrich Merz, den Messias der Volkswirtschaftler und ewigen zweiten Sieger, irgendwie an Laschet vorbei auf den Kanzlerkandidatenposten mogeln zu können. Sofern Söder sein Placet gibt und seine Regierungsgelüste nicht von München nach Berlin verlegen möchte. Da irren sich also gleich zwei Seiten. Auf Übertritte aus der Werte-Union werden die Zwerge jedenfalls lange warten können. Eher gründet die Werte-Union ihren eigenen Altherrenclub. Der ja gar nicht einmal so unbekannt wäre.

Der Markt ist also zwar nicht gesättigt, aber unübersichtlich. Bleiben wir daher bei der einzigen Partei der Zwerge, die im Bundestag vertreten ist: Die „LKR – Liberal-Konservative Reformer“ sind die Zweitgeburt von Bernd Lucke, nachdem ihn die AfD rausgeschmissen hatte. Aus Trotz gründete Lucke 2015 die „Alfa“, die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ und hatte 24 Stunden später die erste Klage wegen Namensrechtverletzungen am Hals. Daher folgte dann die Umbenennung in „LKR-Liberal-Konservative Reformer“. Auch die LKR präsentiert sich staatstragend mit Bundes- und Landesverbänden, wer aber in Frankfurt/Main der LKR beitreten möchte, findet: nichts. Es gibt zur Kommunalwahl in Wiesbaden ein paar – nennen wir sie freundlich – „improvisierte“ Plakate, das war es. Auch den LKR, so sehr sie sich als politisches Schlachtschiff geben mögen, fehlt es an den Matrosen, die das Deck schrubben und die Kanonen laden.

Neue liberal-konservatie Partei wäre Gefahr für Union und FDP

Aber nur einmal gesetzt den Fall, es gelänge einer Kleinpartei, Mitglieder und Spenden einzusammeln, Werbung zu machen und der Presse aufzufallen – was wäre das für ein Spaß! Zumal der mediale Trick, eine liberal-konservative Partei ein zweites Mal nach Rechtsaußen zu schreiben, so nicht wieder funktionieren dürfte.

Die AfD bleibt auf Jahre hinaus Oppositionspartei, weil niemand mit ihr koalieren will und kann, und wenn sie tatsächlich versehentlich oder absichtlich einen bürgerlichen Ministerpräsidenten wählt, fallen dem dann die eigenen Leute in den Rücken und machen „die Wahl rückgängig“. Tatsächlich ist damit die AfD bis auf Weiteres nicht mehr als das Sammelbecken derer, denen der Rest der Parteienlandschaft zu links ist. Mehr Verzweiflungswähler als echte Stammkundschaft. Eine veritable Bedrohung hingegen entstünde für die liberal-konservativen Parteien Union und FDP, die ihre jeweilige Stammklientel für ein bisschen Koalition mit den Gendersternsetzern und Einfamilienhausverbietern verraten haben. Eine neue, starke, gut organisierte und willige Partei könnte hier massiv Stimmen und damit Mandate kosten.

Es würde tatsächlich Zeit für eine neue Mitte-Rechts-Partei. Und vielleicht gibt es ja auch die Hoffnung, dass sich die verlindnerte FDP nach einem erneuten Rauswurf aus dem Bundestag endlich als das begreift, was sie sein sollte: die Stimme des Bürgertums. Falls ihr das noch jemand abnimmt. Ansonsten: Auch Grüne und AfD haben einmal im Hinterzimmer von „Tonis Pizzeria“ angefangen. Und wenn das erste Prozent und der erste Balken in der Hochrechnung da sind – dann wird es spannend. Deswegen mache ich da mal mit.

(Weitere unhaltbare Analysen des Autors unter www.politticker.de)

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro

Foto: Timo Raab

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wilhelm Kramer / 18.02.2021

,,Weitere unhaltbare Analysen des Autors unter’‘’............ bitte nicht auf der Achse! Das tut ja schon weh.

Horst Jungsbluth / 18.02.2021

Neue Parteien helfen uns auch nicht weiter, da gerade jene Bürger, die eigentlich ein Gewinn für strikt rechtsstaatlich geführte Parteien (die es leider gar nicht gibt) wären, aus mehreren guten Gründen niemals in eine Partei eintreten würden.  Wir haben doch in zwei Diktaturen erlebt, dass sowohl die NSDAP, als auch die SED mehr Mitglieder anzogen, als in der Demokratie alle Parteien zusammen.  Die aktuelle Lage in Deutschland ist doch die, dass Medien, Justiz, Verwaltung, Gewerkschaften und die linksgrünen Parteien den Ton angeben und sich unsere Konservativen und Liberalen sofort verschämt wegducken, wenn man sie nur als solche bezeichnet. In Berlin wurde die CDU-Abgeordnete Buchholz (im Abgeordnetenhaus) einmal gefragt, warum der damalige CDU/SPD- Senat angesichts der verheerenden Verhältnisse in der Stadt nicht endlich tätig wird. Sie antwortete darauf, dass sie (also Senat und “Volksvertreter”) gar nichts tun können, weil die Medien bestimmten was geht und was nicht. Ich warf ihr daraufhin vor, dass sie soeben eine Bankrotterklärung über unser politisches System abgegeben habe, was ihr nach der Reaktion (sie schwieg) auch bewusst war.  Rein theoretisch bestünde eigentlich nur die Möglichkeit, dass sich die positiven Kräfte aus Union, SPD und FDP zu einer neuen Parteien vereinigen.  Aber das wird nie passieren!

Gabriele Klein / 18.02.2021

“Zumal der mediale Trick, eine liberal-konservative Partei ein zweites Mal nach Rechtsaußen zu schreiben, so nicht wieder funktionieren dürfte.”  Und, wetten dass der rechtsaußen Trick doch funktionniert? Ich meine sofern man die Konkurrenz nicht bereits beim Zählen an den Wahlurnen los wird so wie in den USA auch….  Die Liebe unserer Regierenden zur Briefwahl und wie sie eingefädelt wird , sagt alles.

Gottfried Meier / 18.02.2021

Es fehlen ein griffiger Name und ein paar Zugpferde. Ich würde so eine Partei wählen, wenn sie realistische Chancen auf die Überwindung der 5%-Hürde hätte.

Manfred Lang / 18.02.2021

@Werner Kersting: Lieber Herr Kersting, ich teile Ihre Auffassung. Man sollte dieser AfD mit Herrn Prof. Meuthen eine Chance geben. Speziell wenn man als Konservativer mit liberaler Wirtschaftsauffassung bei der jetzigen CDU und bei der grüngefärbten FDP keine Affinität findet. Und Sie weisen mit Recht darauf hin, dass auch bei den Altparteien Radikalinskis, ich füge hinzu, en masse zu finden sind. Als Vorstandsmitglied eines CDU-Stadtverbandes habe ich beispielsweise erlebt, dass ein stv. Vorsitzender gegenüber Flüchtlingen bitterböse ausfällig wurde. Damals, in den 80er Jahren zu Zeiten des Balkankrieges, ging es in unserer Stadt darum, Flüchtlinge in Containern unterzubringen und für diese Container Stellplätze zu finden. Einer machte den Vorschlag, dass es in der Industriestraße hinter dem Friedhof einen größeren Geländestreifen gäbe. Den könne man für die Flüchtlingscontainer nutzen. Der stv. Vorsitzende, sonst ein ausgesprochen katholischer Mann, war ganz begeistert und ergänzte diesen Vorschlag: Dann könne man sie gleich über die Mauer kippen. Ist das jetzt rechtsextrem, ausländerfeindlich oder nur dumm? Ich erinnere mich an einen Wahlkampf mit Roland Koch zur Bekämpfung des sog. “Doppelpasses”. Dieses Thema wurde so hochgejazzt, dass die Leute an die Wahlkampfstände kam und fragten, wo man gegen Ausländer unterschreiben kann. Oder die Wahlkampfplakate, die mit einem fremdenfeindlichen Affekt spielten. Sie erinnern sich: Ypsilanti, Al Wazir….. Und wer liegt heute mit diesen im politischen Lodder-Bett? Man muss also nicht lange graben bei den sog. anständigen Altparteien. Dann kommt mehr brauner Dreck nach ob als bei der neuen blauen Partei.

Gregor Kühn / 18.02.2021

Jede neue Partei konservativ-liberale Prägung ist zum Scheitern verurteilt und unnötige Verschwendung von Personal und Finanzen. Wie die AFD von Beginn an gezielt diffamiert und ausgegrenzt wurde - genauso wird es jeder weiteren Partei gehen. Die politische Färbung der MSM ist doch bekannt und da wird konservativ-liberales Denken abgelehnt. Und zwar grundsätzlich und völlig losgelöst von einzelnen Vertretern dieser neuen Partei. Etwas Besseres als die AFD haben wir auf absehbare Zeit nicht. Herr Schneider, hören Sie doch endlich auf mit diesen naiven Träumen, akzeptieren Sie die politische Realität und wählen Sie die AFD als Zeichen des Widerstandes und als das geringste Übel

Silas Loy / 18.02.2021

Vielleicht gibt es ja wirklich (noch) keine “nennenswerte Mitte-Rechts-Partei”, aber es gibt die Option für eine nennenswerte Mitte-Rechts-Koalition. Und die mit absoluter Mehrheit. Das sollte doch genügen.

Franz Klar / 18.02.2021

So sehen Knockdown - Kollateralschäden aus : der Autor hat die Bütt verpennt . Wumtää !

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Thilo Schneider / 02.12.2023 / 12:00 / 15

Jahrestag: High Noon bei Austerlitz

In der auch „Drei-Kaiser-Schlacht“ genannten Schlacht in Mähren besiegt Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1805, genau ein Jahr nach seiner Kaiserkrönung, eine Allianz aus österreichischen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com