Georg Etscheit / 27.10.2020 / 13:30 / Foto: Pixabay / 58 / Seite ausdrucken

Auf zur Henkersmahlzeit!

„Oh Gott, fängt das jetzt wieder an?“ Die Dame am Telefon eines Münchner Spezialitätenrestaurants wusste offenbar noch nichts von ihrem Glück, das darin besteht, dass sich mit großer Wahrscheinlichkeit spätestens übermorgen ein neuer Lockdown über das Land senken wird. 

Dass es nach der Videoschalte von Bundeskanzlerin Merkel und den Ministerpräsident(Sternchen)innen am Mittwoch einschneidende Maßnahmen geben wird, darüber besteht wenig Zweifel. Laut einer Umfrage rechnen zwei Drittel der Deutschen fest mit einem zweiten, zumindest teilweisen Lockdown. Die Frage ist nur, welche Institutionen von der neuerlichen Schließung betroffen sein werden. 

Die bayerischen Theater dürfen schon jetzt nur noch vor 50 Zuschauern spielen. Bei der Premiere der Oper „Die Vögel“ von Walter Braunfels am Samstag in der Bayerischen Staatsoper wären vermutlich mehr Mitwirkende auf der Bühne als Zuschauer im Auditorium. Vielleicht steht Intendant Nikolaus Bachler ja am Eingang und nimmt jeden Besucher persönlich in Empfang. 

Bislang konnten im Rahmen eines von der bayerischen Staatsregierung großzügig anberaumten „Pilotprojektes“ im Nationaltheater sowie in der Münchner Philharmonie immerhin 500 Menschen Platz nehmen, was auch recht intim war. Nur noch 50 Hanseln im Parkett und auf den Rängen, das kommt den Separatkonzerten des irren „Märchenkönigs“ dann schon recht nahe. Für alle anderen Veranstaltungsorte galt bislang eine Obergrenze von 200 Besuchern. Nun ja, warum wir „widersprüchliche Maßnahmen aushalten müssen“, das erklärt uns heute Spiegel online.  

Kartoffelsuppe und Königsberger Klopse 

Die „Bild“-Zeitung will aus dem Kanzleramt erfahren haben, dass die Bundeskanzlerin auf jeden Fall bei der Gastronomie „hart durchgreifen“ möchte. Vielleicht wird sie jetzt alle Deutschen zu ihren Lieblingsspeisen, Kartoffelsuppe und Königsberger Klopse, verdonnern. Wäre doch mal eine Idee: tägliche Corona-Kochshow mit Mutti, bei der alle Kabinettsmitglieder reihum ihre Küchenklassiker präsentieren. Die Rezepte kann das Volk dann zu Hause nachkochen, weil das mit schick Essen gehen jetzt vermutlich ein paar Monate lang wieder schwierig wird. Fressen und saufen mit Maske ist leider eine echte Sauerei und keine Alternative, um das „Pandemiegeschehen“ in den verfluchten Restaurants in den Griff zu bekommen. 

Als ich heute las, dass zuerst wieder die Gastronomie stillgelegt wird, durchzuckte es mich. Dann griff ich zum Telefonhörer, um schnell noch zwei Plätze für eine Henkersmahlzeit in besagtem Restaurant zu buchen. Morgen dürfte es dafür schon zu spät sein. Und unsere schöne Herbstreise ins Elsass mit Besuch in dem einen oder anderen Gourmetrestaurant fällt ins Wasser wie schon der Pfingsturlaub. Sicher, das wäre alles zu verschmerzen, beschliche einen nicht das Gefühl, dass dieser Lockdown noch sinnärmer als der erste ist. 

Davor hauen wir aber nochmal kräftig auf die Pauke. Zur Vorspeise nehmen wir „hausgemachte, feine Nudeln mit Trüffelcremesauce“, anschließend „Medaillons vom bayerischen Rehrücken mit Wacholderrahmsauce“ und zum Dessert einen „Wachauer Marillenpalatschinken“. Zu viele Gänge empfehlen sich nicht, weil man um 21.00 infolge vorverlegter Sperrstunde ja schon wieder hinauskomplimentiert wird. Dann wird, hoffentlich kostenfrei, der Urlaub storniert. Und am 1. November geht’s zur Querdenken-Demo mit Allerheiligen-Andacht auf die Theresienwiese. 

Foto: Pixabay

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Wolfgang Janßen / 27.10.2020

Die Gastronomie hat sich doch eigentlich vorbildlich verhalten. Überall, wo ich hingekommen bin, war die Anzahl der Tische reduziert, Abstände wurden eingehalten und zum Teil noch eine Art Trennwände aufgestellt bzw.  von der Decke abgelassen. Im Herbsturlaub habe ich ein beliebtes Lokal nicht aufgesucht, weil mir 45 Minuten Zeit für das Anstellen zu lange waren. Das Lokal war immer gut besucht und hatte zahlreiche Tische entfernt. Die Umsatzeinbußen lagen bei 30-40 Prozent, wie ein Bekannter mir berichtete. Alle Maßnahmen wurden durchgeführt, obwohl es auf der Insel schon seit Wochen keinen einzigen Fall mehr gab. Warum soll ein Gewerbe, das sich vorbildlich verhielt, weil ansonsten die Schließung drohte, derart an die Wand gefahren?

s.andersson / 27.10.2020

Die „Bild“ ist keine Zeitung .... wollte ich nur noch mal angemerkt haben. Die meisten anderen Zeitungen sollte sich auch nicht so betiteln .... die Zeit der Zeitungen so wie ich es verstehe ist nach meinem Empfinden schon lange vorbei .... Auflage & Einschaltquote. Das mit dem letzten Essen werde ich mir noch mal überlegen. Ist ja unter Umständen ein guter Tipp ...

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