Jesko Matthes / 24.03.2018 / 10:00 / 15 / Seite ausdrucken

Angela Merkels natürliche Anteilnahme

Wir sind natürlich bei den Betroffenen und Angehörigen und sprechen ihnen aus vollem Herzen unsere Anteilnahme aus. Wir stehen, wenn es um terroristische Bedrohungen geht, natürlich an der Seite Frankreichs, und wo immer wir helfen und unterstützen können, werden wir das tun."

In welchem Sinn verwendet Angela Merkel in ihrer Stellungnahme den jüngsten Terrormorden in Frankreich das Wort „natürlich“? Benutzt man das Wort „natürlich“, wenn es um etwas geht, von dem man sich abgrenzen und gegen das man sich gemeinsam mit anderen nach Kräften zur Wehr setzen will? Vor allem: Welcher Gedankengang zwingt dazu, das Wort zu benutzen?

Ich benutze es umgangssprachlich, wenn ich jemandem heftig zustimme: „Ja, natürlich!“ Aber es ist so eine Sache mit dem Wort „natürlich“. Neben der manchmal nötigen Affirmation, für die es meist ziemlich allein, informell und am Ende dasteht, dient es – je früher es erscheint und je länger und formeller sein Kontext, desto deutlicher – auch der unnötigen Affirmation und damit der Relativierung.

Beginnen Sie einen Satz mit „natürlich“: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie das Wörtchen im Sinne von „zwar“ benutzt haben. Sofern Sie es dann doch noch irgendwie fertig bringen, das „aber“ wegzulassen, wird Ihr Zuhörer den irgendwie zusammengekittet wirkenden Satz in diesem Sinne zu Ende denken, das ist kaum zu vermeiden. Das gilt auch dann noch, wenn Sie „natürlich“ nur als Füllsel benutzen, in Satzmitte, und insbesondere, wenn sie es wiederholen. Meine Eltern haben mir beigebracht, glaubwürdig zu kondolieren: Keine Füllsel. Je schlichter, desto besser. Das unscheinbare Wörtchen „natürlich“ klingt sonst nämlich so wie in Merkels Erklärung, die ich deshalb noch einmal wiederhole:

Wir sind natürlich bei den Betroffenen und Angehörigen und sprechen ihnen aus vollem Herzen unsere Anteilnahme aus. Wir stehen, wenn es um terroristische Bedrohungen geht, natürlich an der Seite Frankreichs, und wo immer wir helfen und unterstützen können, werden wir das tun."

Misst man den zweiten Satz an der Realität, wird es noch verworrener: Die Politikerin, die den Satz spricht, befindet sich auf einer Pressekonferenz und eben gerade nicht bei den Betroffenen und Angehörigen. Es geht auch nicht um „terroristische Bedrohungen“, sondern um einen vollendeten islamistischen Raubmord in Tateinheit mit Geiselnahme und weiteren Morden. Und wer – es ist ihr offensichtlich nicht abzugewöhnen – ist „wir“? Der pluralis maiestatis? Deutschland? Oder doch „die Deutschen“? Warum kann eine deutsche Kanzlerin, wenn sie das schon nicht sagen will oder kann, nicht einfach „ich“ sagen? Und, wo „immer“ können wir helfen und unterstützen? Sollte die Frage nicht konkreter heißen: „Wem“ kann Angela Merkel „jetzt“ überhaupt noch helfen? Und ist Frankreich so arm und desorganisiert, dass sie das müsste?

Merke: Die absolute Sicherheit beginnt immer erst angesichts des Todes. Davor und danach gibt es keine absolute Sicherheit. Noch nicht einmal die vor der Sprache.

Hier noch einmal, zum nachlesen.

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Leserpost

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Rainer Nicolaisen / 24.03.2018

GRÖKAZ erweist sich halt selbst in ihren Floskeln als wurstig und beschränkt.

K.H. Münter / 24.03.2018

Daß diese seltsame Frau eine erbärmliche Art hat sich sprachlich auszudrücken ist ja seit geraumer Zeit bekannt. Schon zu Zeiten der wirklich Großen Koalition lies Merkel viele Journalisten nach Pressekonferenzen ob ihrer sprachlichen Verrenkungen ratlos zurück und gelegentlich wurde das in den bekannten Medien sogar zum Ausdruck bzw. Abdruck gebracht. Hatte Merkel angesichts ihrer doch geschwundenen Macht das Bedürfnis, die im Artikel genannten Sätze genau so von sich zu geben? Hat sie die Sätze vom Blatt abgelesen oder in ihrer bekannten Art und Weise in freier Rede ausgesprochen? Ich war ja weder dabei noch habe ich die Sätze in den Staatsmedien vernommen. Denn jedesmal wenn ich das Merkel’sche Gesicht auf dem Bildschirm auftauchen sehe schalte ich aus Gründen des gesundheitlichen Selbstschutzes weiter. Und damit bin ich mittlerweile nicht mehr allein in Deutschland. Deshalb mein großes Kompliment an den Autor für seine Leidensfähigkeit in Sachen Merkel. Auch im Alter hat der Mensch noch Träume und einer dieser meinen Träume besteht darin daß Merkel im Bundestag mal von einer großen Zahl Bundestagsabgeordneter einfach nur lauthals und lange ausgelacht wird. Das verstünde dann (fast) jeder.

Wolf-Dietrich Staebe / 24.03.2018

Ich glaube, dieses Kanzlerinnen-Unwesen hat einen völligen Dachschaden. Anders ist das geschwurbelte BlaBlaBla fernab jeglicher Realität nicht zu erklären.

Uta Buhr / 24.03.2018

Selbstverständlich wäre in diesem Falle das bessere Wort gewesen, mit dem Merkel ihre Anteilnahme an dem Massaker hätte bekunden sollen. Aber was erwartet man von einer Sprachkünstlerin, die stets inhaltlose Floskeln von sich gibt und Mühe hat, zwei Sätze hintereinander ohne Stottern und Stammeln hervorzubringen. Ich denke allerdings, dass die Opfer des Terrors auf dem Breitscheidplatz erfreut gewesen wären, von unser aller Kanzlerin einige tröstliche Worte zu hören mit der Betonung darauf, dass sie an ihrer Seite steht und “natürlich” mit ihnen trauert. Dies aber unmittelbar nach dem Anschlag und nicht mit einer Verzögerung von 363 Tagen. Und dies auch nur auf Druck vonseiten der Bevölkerung. Im Übrigen wage ich zu bezweifeln, dass diese eiskalte Frau überhaupt zu empathischen Gefühlen gegenüber anderen Menschen fähig ist. So traurig dies “natürlich” auch sein mag.

Sabine Schönfelder / 24.03.2018

Da muß Mutti schon ein bißchen trösten, wenn die bösen Muslimbuben wieder garstig waren. Da ist sie ganz bei chér papi Macron. Diese gütige Nachsichtigkeit und Anteilnahme Merkels kann die Stuttgarter Zeitung aus dem Herzen des Kretschmerlandes und des Landesvaters n a t ü r l i c h voll unterstützen. Routinierte Beileidsheuchelei und ansonsten ‘weiter so’, das ist der Plan. Quo vadis Deutschland?

Thomas Weidner / 24.03.2018

Arnaud Beltrame, der Polizist, der sich gestern in Carcassonne gegen eine weibliche Geisel austauschen ließ, ist tot. Nachdem der islamistische Geiselnehmer auf ihn geschossen hatte, erlag er in der vergangenen Nacht seinen Verletzungen. Ein Märtyrer für den bürgerlich-demokratischen Rechtsstaat. Dazu noch ein Mann…

Peter Swoboda / 24.03.2018

Es ist nicht die Klugheit dieser Kanzlerin die sie für dieses Amt prädestinierte, es ist dieser Jargon den sie benutzt und den man ihr lange Zeit abgenommen hat. Diese Wortwahl die im ersten Moment Nähe vermittelt und bei genauerer Betrachtung entlarvend ist.

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