Auch ich habe einen. Und wenn ich ihn heraushole, kann ich damit Eindruck schinden. Männer wie Frauen werfen mir dann bewundernde, bisweilen neidische Blicke zu. Vorausgesetzt, sie wissen das edle Kleinod noch zu schätzen; mit anderen Worten, sie sind ein bisschen von gestern, aus der guten alten Zeit.
Damals, vor 20 oder gar 25 Jahren, habe auch ich mir das gute Stück zugelegt: einen Füllfederhalter von Montblanc in der kleineren Ausführung. Die Kosten beliefen sich auf etwa 150 DM (Deutsche Mark), umgerechnet 75 Euro. In der Steuererklärung machte ich sie nachher als einkommensmindernde Betriebsausgabe geltend. Da ich mein Geld als schreibender Journalist verdiente, fühlte ich mich dazu berechtigt. Das Finanzamt nahm keinen Anstoß daran. Die Steuerersparnis hielt sich in Grenzen. 35, höchstens 40 DM (runde 20 Euro) weniger musste ich von meinem erarbeiteten Einkommen an den Staat abführen.
Natürlich hätte ich weiterhin auch mit den billigen Kugelschreibern vorlieb nehmen können, zumal sie seinerzeit zu den beliebten Werbegeschenken zählten. Von allen Seiten bekam man sie großzügig zugesteckt. Allein, das schöne Schreibgerät lag besser in der Hand. Manchmal schien es sogar die Gedanken zu beflügeln. Ich durfte mir einbilden, dass die Anschaffung der Arbeit zugute kam.
Außerdem korrespondierten wir noch immer brieflich. Und da machte es einen gute Eindruck, wenn die getippten Anschreiben mit einem Füller unterzeichnet waren. Es drückte sich darin ein gewisser, beinahe altmodischer Respekt gegenüber den Adressaten aus. Allerdings verlor das Ritual schnell seine Bedeutung; der email-Verkehr machte ihm den Garaus. Die Tinte in meinem Montblanc ist unterdessen längst eingetrocknet. Heute könnte ich nicht mehr sagen, wann ich den Füller das letzte Mal verwendet habe. Der Luxus, auf den ich stolz war, hat seine Bedeutung verloren.
Pofalla und Schily stürmen den Gipfel
Das, scheint es jetzt, unterscheidet mich nun endgültig von den gewählten Parlamentariern unseres Landes. Denn noch von zehn Jahren ließen sie sich mit dem teuersten Schreibgeräten großzügig ausstatten. Allein der damalige CDU-Generalsekretär Roland Pofalla hat bei dieser Einkaufstour über 3.000 Euro verbraten. Otto Schily, damals schon nicht mehr im Amt des Innenministers, machte 2.600 locker. Mit einer Anschaffung im Wert von 169,50 Euro begnügte sich der seit 2005 amtierende Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Als erste Informationen über diese ebenso unnütze wie anspruchsvolle Ausstattung der Abgeordneten an die Öffentlichkeit drangen, untersagte er 2010 zwar die Anschaffung von Füllern mit vergoldeter Feder, weigerte sich aber weiterhin, die Nutznießer der höfischen Prachtentfaltung im Deutschen Bundestag namentlich bekannt zu geben.
Jetzt, knappe sechs Jahre später, erfahren wir - BILD sei Dank dafür -, dass seinerzeit 396 der teuersten Schreibgeräte von den gewählten Mitgliedern des Hohen Hauses geordert wurden. Die Abrechnung erfolgte über das sogenannte „Sachleistungskonto“, also über die Bürokostenpauschale von 1.000 Euro, die jedem Parlamentarier zusätzlich zu seiner „Abgeordnetenentschädigung“ von inzwischen 9.327 Euro monatlich zusteht. Insgesamt belief sich die Rechnung des parlamentarischen Kaufrauschs auf rund 68.800 Euro. Geld, das bis auf den letzten Cent dem Steuerzahler aus der Tasche genommen wurde.
Nun ist das gewiss keine Summe, die im Staatshaushalt bedrohlich zu Buche geschlagen wäre, die ihn womöglich hätte ruinieren können. Rein rechnerisch betrachtet handelt es sich um die sprichwörtlich gewordenen „Peanuts“. Wirklich ruinös für die Demokratie ist indessen die Selbstverständlichkeit, mit der unsere politische Klasse ihrem repräsentativen Herrschaftsgebaren frönt.
Wie die Hofschranzen ihre Zierdegen
Denn wofür sonst als zum Angeben hätten die Volksvertreter die prächtigen Schreibgeräte gebrauchen können? Wollten sie damit persönlicher anmutende Briefe an die Wähler verfassen? Brauchten sie die Füller für die Niederschrift ihrer Reden? Wie hätte das funktionieren sollen? Enthalten die Federhalter doch kein Rechtschreibprogramm, das die Hand das Schreibers so führen könnte, dass ein halbwegs fehlerfreier Text aufs Papier kommt.
Nein! Bei der Sprachbeherrschung, die die Angehörigen unserer politischen Klasse - allen voran die Frau Bundeskanzlerin - zu erkennen geben, wenn sie sich öffentlich äußern, dürfen wir davon ausgehen, dass sie mit ihren Montblancs nie etwas Sinnvolles anfangen konnten. Zum Schreiben jedenfalls dürften sie ihnen in den seltensten Fällen dienen. Wenn sie überhaupt noch gezückt werden, dann eher schon aus Prestigegründen, um sich ein Ansehen zu geben wie einst die Hofschranzen, wenn sie ihre Zierdegen umschnallten. Und wie sehr die politische Klasse unterdessen wieder auf solchen Mummenschanz angewiesen zu sein scheint, das immerhin hat die läppische Montblanc-Affäre abermals an der Tag gebracht.
Dabei war die Angelegenheit doch eigentlich längst schon vergessen. Zwar klagte BILD weiter auf die Herausgabe einer Liste mit den Namen der stilbewussten Abgreifer. Aber wer sonst dachte noch daran? Der Streit hätte sich im Stillen Jahr um Jahr hinziehen können, hätten nicht die Ertappten den Stein selbst wieder ins Rollen gebracht.
Weil der Bundestag seinem langjährigen Lieferanten von Büromaterial den Stuhl vor die Türe setzte, nachdem herausgekommen war, dass er sich politisch bei der AfD engagierte, tauchten plötzlich Kundenlisten auf, die der Unternehmer, wie vom Finanzamt verlangt, weiter aufbewahrte, während sie die Bundestagsverwaltung nach fünf Jahren ordnungsgemäß entsorgt hatte.
Es sind halt immer die Kamele, die das Gras abfressen, kaum dass es über einen peinlichen Vorfall gewachsen ist.