Obwohl ich eine Mitbegründerin der Association for Women in Psychology (1969) und eine Pionierin der feministischen Psychologie bin, habe ich schon vor langer Zeit aufgehört, an professionellen Treffen teilzunehmen. Dafür gibt es viele Gründe, unter anderem eine zunehmend toxische Sicht auf das Judentum und Israel durch Akademiker, die in keiner Weise Experten für diese Themen sind. Dies führte zur Gründung von Berufsverbänden jüdischer Frauen innerhalb verschiedener Branchen, die oft als Nachahmung oder als Versuch angesehen wurden, schwarzen Frauen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Nachdem ich 2003 „The New Antisemitism“ veröffentlicht hatte, erhielt ich eine Flut von E-Mails von Professoren, deren Ruf, Finanzierung, Freundschaften und sogar Jobs in Gefahr waren, weil ihre Ansichten über Israel zu positiv, weil faktenbasiert waren. Ich stieß auf eine Redakteurin im Bereich Bildung der New York Times, die an einem Interview mit diesen gefährdeten Akademikern interessiert war. Aber nach wenigen Wochen sagte sie mir, dass sie „von höchster Ebene gestoppt wurde“.
Viele jüdische Psychologen, sowohl an der Universität als auch im klinischen Betrieb sind hoch assimilierte Progressive, oft links, stolz darauf, nicht-religiös zu sein, gleichzeitig „kulturell“ jüdisch. Vor etwa 10 Jahren hielt ich als Gefallen für zwei befreundete Psychoanalytiker einen Vortrag über Antisemitismus vor einer großen Gruppe von New Yorker Analytikern. Ich kam gerade noch ungeschoren davon. Zu erleben, wie der Unglaube, die Wut, die Anschuldigungen, die Ablehnung dessen, was sie als eine zu zionistische Sichtweise wahrnahmen, mich fast zu einem gefährlichen Außenseiter, einer peinlichen Hinterwäldlerin machte, war sehr irritierend.
Antisemitismus in der Wissenschaft nicht existent
Der Repräsentantenrat der American Psychological Association (APA) verabschiedete zwar 2005 eine Resolution zu antisemitischen und antijüdischen Vorurteilen und änderte sie 2007, als beschlossen wurde „Forschung zu fördern“, „eine Führungsrolle einzunehmen“ und „angemessene Informationen über Antisemitismus in seine multikulturellen und Diversity-Trainingsmaterialien und -aktivitäten aufzunehmen.“ In den eigenen Reihen änderte sich jedoch nicht viel.
Trotz all ihrer Arbeit für soziale Gerechtigkeit ist den meisten Psychologen – Professoren, Therapeuten, Psychoanalytiker und so weiter – nur selten aufgefallen, was ihr Kollege, der Psychologe Neil Kressel, bereits 2012 dokumentiert hat: Nämlich, dass es auch unter Muslimen einen virulenten Antisemitismus gibt; dass amerikanische Publikationen über Vorurteile und Rassismus den muslimischen Antisemitismus nicht einbeziehen und im Übrigen den Antisemitismus selbst selten als eine Form des Rassismus betrachten. In den Jahren 2016 und 2017 veröffentlichte Kressel eine Reihe von Studien, die das mangelnde wissenschaftliche anti-rassistische Interesse am Antisemitismus dokumentierten. „Keines der in den letzten zwei Jahrzehnten veröffentlichten Bücher, das sich mit dem aktuellen Antisemitismus beschäftigt, wurde in die Forschung miteinbezogen“, schrieb er. „Darüber hinaus gibt es keinen einzigen Bezug darauf, dass Antisemitismus von Muslimen, Arabern oder der muslimischen Welt ausgeht."
Antisemitismus scheint also für die Wissenschaft nicht zu existieren, ist nicht wichtig, nicht einmal eine einzigartige Form des Vorurteils. Aber falsche Konzepte wie „Islamophobie“, die von der Muslimbruderschaft und von Hatem Bazian (Professor für islamisches Recht und Theologie an der kalifornischen Universität Berkeley, Anm. d. Red.) propagiert werden, werden als göttliche Wahrheit angesehen. Der Antizionismus, der heute eine aktuelle Form des Antisemitismus ist, wird heftig diskutiert und als solcher geleugnet. Der Kanzler der Rutgers University hat sich gerade bei der Studentenorganisation Students for Justice in Palestine (SJP) der Universität entschuldigt, weil er Antisemitismus verurteilt hatte. Die SJP erklärte der Rutgers-Verwaltung, dass Antizionismus ein zentraler Bestandteil ihrer Identität als Palästinenser sei und eine Verurteilung daher gleichbedeutend mit ihrer Auslöschung sei.
Es ist Zeit für eine neue Art von akademischem Kämpfer, einen, der für Fakten kämpft, nicht für Narrative. Einen Helden, der bereit ist, um der Wahrheit willen viel zu riskieren.
Fortschrittlich und zionistisch als Widerspruch
Hier kommt Julie Ancis ins Spiel, eine psychologische Beraterin, Feministin, die frühere Vorsitzende der Abteilung zur Förderung von Frauen bei der American Psychological Association und eine Zeit ihres Lebens „politisch korrekte“ Linke. Ancis hat Lehrbücher über Vorurteile und Rassismus veröffentlicht. Sie hat im Bereich Interkulturelle Beratung gelehrt, Lehrpläne verfasst und viel beachtete Artikel und Lehrbücher zu diesem Thema veröffentlicht. Derzeit ist sie Direktorin für Cyber-Psychologie am New Jersey Institute of Technology.
Dennoch schwimmt sie seit Jahren gegen einen starken Strom von antijüdischer, antizionistischer und pro-palästinensischer Propaganda unter ihren Psychologenkollegen. Egal, um welches Thema es geht (Beratung von Vergewaltigungsopfern farbiger Menschen, Therapeutische Techniken für Immigranten etc.), das Gespräch dreht sich immer um das böse Israel und die Leiden der Palästinenser.
In unserem letzten Gespräch nannte Ancis dies „die Politisierung von begrenztem Wissen mit dem Ziel, sich BDS-Aktionen anzuschließen, um Israel zu delegitimieren. Profis imitieren oder spiegeln antisemitische Stimmungen mit völliger Unkenntnis über das Thema. Ihr Fokus als Fachleute ist nur auf ein Land gerichtet – Israel. Am schmerzlichsten ist das ohrenbetäubende Schweigen, wenn es um Antisemitismus in allen E-Mail-Diskussionen geht.“
Asaf Romirowsky, der geschäftsführende Direktor der Studienförderung Scholars for Peace in the Middle East, stimmt Ancis zu.
„Wir konnten beobachten, wie immer mehr Studenten ihr Stipendium durch Propaganda ersetzten“, sagte er mir. „Die Generationen, die an intellektuelle Integrität, Ehrlichkeit, tatsächliche Forschung und Verantwortlichkeit glauben, vergehen. Man kann mittlerweile nicht gleichzeitig als fortschrittlich und als zionistisch angesehen werden. Wir haben es mit einer gut geölten Propagandamaschine zu tun, die monolithisch ist und keine Debatte zulässt. Wir sind zersplittert. Und die Erzählung von David und Goliath hat sich verschoben. Israel ist jetzt Goliath.“
Plötzlich begann ihre antirassistische Arbeit zu „verschwinden“
Ancis begegnete den Sorgen schwarzer, brauner und einheimischer Studenten, Patienten und deren Therapeuten, während sie sich ihr eigenes wachsendes Unbehagen gegenüber dem „ältesten Hass“ verkneifen musste. Sie ist weiß, weiblich und jüdisch, und das hat sie, genau wie andere ihrer Art, schnell zur Zielscheibe von Verdächtigungen gemacht.
Im Jahr 2016 jedoch trat Ancis „energisch gegen“ die BDS-Kampagne gegen Israel auf. Sie schrieb an eine Gruppe von Vertretern der Beratungspsychologie über deren Stellungnahme zur Black-Lives-Matter-Bewegung. Sie wollte wissen, ob die Psychologen „die offizielle Plattform von BLM gutheißen“.
„Ein Grund zur Besorgnis ist, dass die Plattform hetzerische Sprache in Bezug auf Israel als ‚Apartheids-‚ und völkermörderischen Staat enthält“, schrieb sie. „Die Plattform ruft auch zum Kampf für BDS auf, mit dem Ziel, den Palästinensern zu helfen und die ‚freie Meinungsäußerung‘ zu fördern, obwohl BDS in Wirklichkeit das Gegenteil von beidem ist ... Ich bitte respektvoll um Aufklärung und darum, dass wir kritischere Konsumenten von Informationen werden und dass wir versuchen, Unterdrückung nicht zu manifestieren, während wir für Gerechtigkeit eintreten.“
Sie konnte beobachten, wie seither ihre bis dato gefragte antirassistische Arbeit zu „verschwinden“ begann. Ihre Studien und ihr Fachbuch fanden nicht mehr wie bisher Eingang in die Lehrpläne oder in andere Bücher.
Die Krankheit des Hasses
Ancis wartete ab – Sie war immer noch vorsichtig, geduldig, gerecht und niemand, der ins Wespennest sticht. Doch schließlich hatte sie genug. Noch vor dem Memorial-Day-Wochenende um den 31. Mai rief sie zu einer „Koalition der Psychologen gegen Antisemitismus“ auf.
Ihre erklärten Ziele sind:
1. Antisemitismus bekämpfen
2. Aufklärung der Psychologie über Antisemitismus
3. Einen Rahmen für pro-jüdische Ausbildung, Studien, Forschung und Praxis schaffen
Innerhalb von fünf Tagen bekundeten mehr als 135 Psychologen ihr Interesse an einem Beitritt. Ancis sagte, sie habe auch E-Mails von „Psychologen aus verschiedenen Bereichen erhalten, die ihre Anerkennung der Aktion und ihre Besorgnis über Antisemitismus, das Schweigen über antijüdischen Hass und Berichte über schwierige Auseinandersetzungen mit Kollegen an ihrem Arbeitsplatz, die BDS befürworten, zum Ausdruck brachten.“
Diese Psychologen vereinen eine ungewöhnliche Fülle an Kompetenz. Wenn sie zum Beispiel Parteipolitik und politisch korrekte Narrative beiseitelassen, können sie uns helfen, Antisemitismus als eine irrationale Überzeugung oder Angst zu sehen, die vom Antisemiten und nicht vom Juden verursacht wird. Sie können auch eine wertvolle Expertise in Bezug auf empathisches Zuhören und die Verarbeitung von Konflikten ohne Rückgriff auf Jargon oder Propaganda zur Verfügung stellen.
Die Aufgabe, um die es geht, ist gewaltig, weil Israel und die Juden versuchen, sich gegen ungeheuerliche Lügen und Verleumdungen zu verteidigen.
Israel ist angeblich ein kolonialer, imperialistischer, jüdisch dominierter Aggressor; ein Nazi-Apartheidstaat, der ethnische Säuberungen durchführt und die Geschichte des einzigen einheimischen Volkes der Region – der Palästinenser – ausgelöscht hat. Forderungen, israelische Produkte und israelische Akademiker zu boykottieren und jüdische Studenten und Professoren zu beschämen, zu belästigen und anzugreifen, die sich weigern, diese völkermörderische Propaganda zu unterschreiben, sind seit fast 20 Jahren im Gange.
Als Israel einen Verteidigungs-Krieg nach dem anderen gewann, finanzierten die Judenhasser eine tödliche Propagandakampagne, in der sich Israel zunehmend von unverdientem Hass umgeben sah, nicht nur in der sunnitischen und schiitischen muslimischen Welt, sondern auch bei den Vereinten Nationen, unter prominenten Künstlern, Akademikern, in den Medien, im Internet und unter studentischen Aktivisten für soziale Gerechtigkeit an den Universitäten im Westen.
Wie so viele andere hatte ich angenommen, dass der Hass und die Verfolgung der Juden beendet sei, dass sich die jüdische Geschichte nie mehr wiederholen würde. Ich hatte mich geirrt.
Im Jahr 1990 schlug der Psychiater und Psychoanalytiker Theodore Isaac Rubin vor, dass Antisemitismus eine Krankheit ist – ein Wahnsinn – ein Virus, eine Seuche, ansteckend, etwas Böses, das nicht von Juden verursacht wird. Wir müssen unsere Illusionen dauerhaft ablegen, während wir nach dem Gegenmittel suchen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei The Investigative Project on Terrorism.