Volker Seitz / 04.10.2021 / 13:04 / Foto: Imago / 60 / Seite ausdrucken

Afrika ist überall? Vom Wählen in Berlin

Es gibt ein zählebiges Etikett: Immer wenn mir Afrikaner von Misswirtschaft, Korruption, sozialistischen Experimenten, maroder Infrastruktur, unfähigen Bürokraten, Unterfinanzierung von Schulen, heruntergekommenen Hochschulgebäuden in ihren Ländern berichten, endet ihre Klage mit dem Stoßseufzer „This is Africa“ oder "C' est l'Afrique".

Für diese Afrikaner stehen Wahlen z.B. in Kamerun, Uganda, Tansania, Guinea (kürzlich wurde der gewählte Präsident allerdings durch einen Militärputsch abgesetzt) für all das, was in Afrika gründlich schiefläuft. 

Da aber Deutschland und die EU, auch im Namen der Wohltätigkeitsindustrie bei diesen Wahlergebnissen – egal wie sie zustande kommen –, höchstens ein paar Unregelmäßigkeiten feststellen können, sagen mir diese Afrikaner sarkastisch „Afrika ist überall.“ Mir ging das immer zu weit.

Dies hat sich seit letzten Sonntag geändert. Ich sehe mich nach dem Chaos am Wahltag in dem überforderten und defekten Gemeinwesen Berlin nicht mehr in der Lage, afrikanische Staaten zu kritisieren, wenn sie demokratische Wahlen nicht angemessen organisieren können. Identische Wahlergebnisse gleich in 22 Wahllokalen habe ich in 17 Jahren in Afrika nie erlebt. „Geschätzte Zahlen“, fehlende Stimmzettel, mehr Wähler als Wahlberechtigte und stundenlanges Schlangestehen vor Wahllokalen, wie in Berlin, schon eher. Der Berliner Tagesspiegel hat berechnet, dass in mindestens 16 Wahlbezirken die Zahl der angegebenen Wähler höher ist als die der tatsächlich Wahlberechtigten. Daraus ergäbe sich etwa im Wahlbezirk Reinickendorf eine Wahlbeteiligung von 150 Prozent. In Tempelhof-Schöneberg wären es 126 Prozent.

Vielleicht haben meine afrikanischen Freunde doch recht: „Afrika ist überall“. Um dies zu ändern, bedarf es nicht nur in Afrika starker und verantwortungsbewusster Institutionen, Standards und Denkweisen.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“, ein Afrika-ABC in Zitaten).

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Winfried Jäger / 04.10.2021

Man stelle sich mal vor, was vor 20 oder 25 Jahren passiert wäre, als der Spiegel noch ein ernst zu nehmendes Magazin war. Oder die Zeit oder die Süddeutsche. Die Älteren werden werden sich vielleicht noch erinnern. Sie alle waren auch damals schon links, aber nicht so haltungs-schamlos und verlogen.

Dr Stefan Lehnhoff / 04.10.2021

Diese Wahl ist illegitim und illegal. Das Wahlrecht sowieso aberauch eine Briefwahlquote wie jetzt ist verfassungswidrig. Und wieviel gefälscht wurde weiß am Ende keiner. Dafür wurde gesorgt- egal, ob aus Inkompetenz oder Ansicht. Niemand, den ich gefragt habe musste sich ausweisen. Niemand. Out of Africa? Oder schon beyond Africa?

Elias Schwarz / 04.10.2021

Warum gleich Afrika? Haben es die Anhänger von Joe Biden vor kurzem in Pennsylvania und Wisconsin etwa anders gemacht?

Wolfgang Kolb / 04.10.2021

Deutschland sollte sich umbenennen in Bananenrepublik Deutschland Zu der allgegenwärtigen Zensur fällt mir spontan ein Bonmot von Idi Amin ein: “There is freedom of speech. But I cannot guarantee freedom after speech,” Soweit ist es bei uns gekommen. Traurig.

Stefan Hofmeister / 04.10.2021

Ich lebe in Südamerika. So was wie die Wahlen in Berlin gibt es hier nur in Venezuela.

M. Eisenack / 04.10.2021

Nachtrag: Meine Anfrage an die Landesgeschäftsstellen der bisherigen und wohl zukünftigen Oppositionsparteien: Sehr geehrte Damen und Herren. Aus der Berichterstattung über die Wahlen in Berlin muss ich entnehmen, dass es eine Vielzahl an Unregelmässigkeiten gegeben haben muss.  z.B. Wahlbeteiligung über 100%, geschätzte Wahlergebnisse usw.. Ich muss das jetzt nicht weiter ausführen. Die Häme ist allgewärtig. Wie positionieren Sie sich dazu? Ich kann jetzt keine so richtige Gegenwehr erkennen. Sind die berliner Zeitungen da entweder sehr schweigsam, desinteressiert oder, noch schlimmer, parteiisch? Ich bin keine Wahlstatistiker und kann nicht abschätzen, ob sich an den Ergebnissen etwas ändert. Dass Sie aber so schnell klein bei geben, überrascht mich schon. Müsste da nicht die Hütte brennen, vor lauter Wahlanfechtungen? Oder planen Sie schon den ganz großen Coup? Darf die Wahl erst anfochten werden, wenn alle Ergebnisse fest stehen? Die einzigen, die noch etwas zucken, scheint die AfD zu sein. Laut RBB fordern die eine Sondersitzung. Angesichts dessen muss man sich schon fragen, welchen Sinn Wahlen dann noch haben, wenn nach solchen Unregelmäßigkeiten in einer demokratischen Wahl,  eine dröhnende Grabesstille einkehrt. Oder ist das die allgewärtige BVG-Werbung:…….ist mir egal……? Bitte klären Sie mich auf. Mit freundlichen Grüßen M. Eisenack Mal schauen was da kommt…...

armin_ulrich / 04.10.2021

@Petra Wilhelmi Ich hatte einmal 112 gerufen, weil ich auf dem Weg vom Wannseebad zum S-Bahnhof Nikolassee Qualm gesehen habe. Das “Gespräch” ging leider erst nach einer Minute warten los. Dann war es dem Mann am anderen Ende der Leitung nicht klarzumachen, wo sich der Brand befindet, weil “sein Kartenmaßstab zu groß war”. Man läßt bei solchen “Gesprächen” sehr schnell seine Hemmungen fallen, seinem Gegenüber “die Mißachtung seiner geistigen Fähigkeiten spüren zu lassen”.

g.schilling / 04.10.2021

“”“- Identische Wahlergebnisse gleich in 22 Wahllokalen, - geschätzte Ergebnisse, - fehlende Stimmzettel, - mehr Wähler als Wahlberechtigte.”“”  Dieses Wahlergebnis muss sofort korrigiert werden, die Wahl ist zu annullieren. Wo ist Merkel? Hey Mutti, lebst du noch?

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