Von Malca Goldstein-Wolf.
Der Bericht des Innenministeriums zur Muslimfeindlichkeit sorgte vor drei Wochen für Aufsehen. Unerwähnt blieb, dass darin Islamisten die Möglichkeit gegeben wurde, Kritik an ihrem Extremismus als Muslimfeindlichkeit zu verschleiern.
Als vor drei Wochen das Bundesinnenministerium (BMI) einen Bericht zur Muslimfeindlichkeit herausgab, wurde das von vielen Medien aufgegriffen (Achgut berichtete). Verfasser war allerdings nicht das BMI, sondern ein „Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ (UEM), den noch der Vorgänger von Nancy Faeser, Horst Seehofer, eingesetzt und einen Bericht in Auftrag gegeben hatte. Das Urteil des Kreises fiel vernichtend aus. Muslimfeindlichkeit sei weit verbreitet, hieß es.
Sicher ist jeder echte Fall von Rassismus einer zu viel. In dem Bericht wurde jedoch Muslimfeindlichkeit mit Rassismus gleichgesetzt und derart breit gefasst, dass nahezu jede Kritik an Muslimen als muslimfeindlich aufgefasst wurde. Dass die Presse über Dschihadisten des Islamischen Staates nicht freundlich berichtete, dass Razzien in verfassungsfeindlichen Moscheevereinen in der Zeitung standen, all das vermengt der Expertenkreis zu der Behauptung, dass über den Islam und die Muslime allgemein zu negativ und zu selten positiv berichtet werde.
Nun geht es allen so, dass über Normalität wenig berichtet wird. Auch im Bericht ist ja über Muslimfeindlichkeit, nicht Muslimfreundlichkeit zu lesen, nicht über die vielen Projektförderungen für muslimische Verbände. Man liest nichts über die Deutsche Islamkonferenz, nichts über die bereits bestehende Gleichberechtigung. Was man aus gleichen Rechten allerdings macht, ist jedem selbst überlassen.
Es lohnt sich allerdings, auch einen Blick darauf zu werfen, wer die Muslimfeindlichkeit feststellte und wer zum Bericht beitrug. Von den anfangs durch das BMI eingesetzten Personen, zwölf an der Zahl, waren zu Abschluss des Projekts noch neun beteiligt. Wie die Welt im Nachgang feststellte, wirkten, und das ist ein Skandal, „Islamistische Verbände an der Studie“ mit. Da auch sie als „muslimische Betroffene“ angehört wurden, flossen auch ihre Wertungen mit ein. Und so wurden umstandslos Kritiker islamistischer Verbände und Einzelpersonen zu Muslimfeinden erklärt oder sonstwie herabgesetzt. Das traf eine Reihe von Personen.
„Oft faktisch unhaltbare und pauschale Urteile“
Die Frauenrechtlerin Necla Kelek wurde gemeinsam mit Thilo Sarrazin und Alice Schwarzer in einen Topf geworfen als Personen, die „oft faktisch unhaltbare und pauschale Urteile fällen“. Es traf Dorothee Dienstbühl, eine ehrenwerte Wissenschaftlerin, der das Arbeiten mit „zweifelhaften faktischen Grundlagen“, also Unwissenschaftlichkeit, unterstellt wurde. Sie forschte zu Clanstrukturen. Es traf den prominenten jüdischen Publizisten Henryk M. Broder, dem Islamfeindlichkeit attestiert wurde und der – besonders perfide – zur Herabsetzung einer anderen Person benutzt wurde. Nicht zuletzt traf es in besonderem Maße die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann, die ebenso breit wie diffamierend beschrieben wurde und der ausgerechnet Nurhan Soykan als Opfer von Muslimfeindlichkeit gegenübergestellt wurde.
Sigrid Herrmann schreibt seit Jahren über islamistische Organisationen und Funktionäre. Und da sie das, was sie schreibt, gut zu belegen weiß, ist sie da auch wenig angreifbar – und damit ist sie einer gewissen Klientel ein Dorn im Auge. Dass Meinungen ihrer Gegner über sie allerdings für bare Münze genommen werden und in diesem Bericht erfasst werden, ist der Versuch, aus Meinungen Fakten zu schaffen. Sigrid Herrmann geht dagegen rechtlich vor. Die ihr gegenübergestellte Nurhan Soykan war wegen einer anvisierten Beratungstätigkeit beim Auswärtigen Amt in die Kritik geraten. Soykan ist langjährige Funktionärin des Zentralrats der Muslime (ZMD). In diesem muslimischen Dachverband ist mit der ATİB eine Organisation vertreten, die der Verfassungsschutz den rechtsextremen und antisemitischen Grauen Wölfen zurechnet.
Bitte um Klarstellung unbeantwortet
Die Vorwürfe gegen die Anti-Islamismus-Aktivistin Sigrid Herrmann werden aufgehängt an einem Vorgang aus dem Jahr 2017, zu dem es unterschiedliche Darstellungen gibt (sie hatte Blogbeiträge darüber veröffentlicht, dass zwei muslimische Mitarbeiter des hessischen Violence Prevention Networks (VPN) selbst Kontakte zur islamistischen Szene unterhalten würden, siehe hier und hier. Das Hessische Innenministerium gab jedoch ohne Bezugnahme auf Herrmanns Funde bekannt, dass von beiden Mitarbeitern kein Sicherheitsrisiko ausgehe, Anm. d. Red.). Zentral sind die Wertungen aus einem Spiegel-Artikel aus dem Jahr 2017, der aus der Feder von Özlem Gezer stammt.
Fazit: Der Bericht nützt vor allem muslimischen Verbänden. Viele der „Empfehlungen“ werden aus ihren Vorstellungen stammen. Und er nützt ihnen, weil er Islamismus-Kritiker unter dem Dach des Bundesinnenministeriums, also mit dem Schein staatlicher Seriosität und Autorität versehen, herabwürdigt. Sigrid Herrmanns Bitte um Klarstellung und die Beseitigung falscher Tatsachenbehauptungen ließ das Bundesinnenministerium übrigens unbeantwortet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Malca Goldstein-Wolf ist eine deutsch-jüdische Aktivistin und Publizistin, die sich gegen Judenhass einsetzt. Neben ihrem Aktivismus als ehrenamtliches, geschäftsführendes Mitglied des deutschen Präsidiums von Keren Hayesod, Israels größter Spendenorganisation, sammelt sie Gelder für israelische Menschen in Not. Mehr finden Sie auf ihrer Facebookseite.