Georg Etscheit / 05.05.2021 / 13:00 / Foto: Tim Maxeiner / 73 / Seite ausdrucken

Tschüß, Öko-Lifestyle!

Ich möchte dem Sonntagsfahrer keine Konkurrenz machen. Doch ich bin kürzlich auch einmal recht zügig gefahren mit meinem nagelneuen Golf Diesel. 200 km/h, so rasant war ich noch nie erdgebunden unterwegs, außer mit dem ICE, wobei der ICE 4, das Flaggschiff der Deutschen Bahn ICE 4 – Wikipedia, auch nur auf eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h kommt. Ich dachte, ich hebe ab und war erstaunt, wie schnell man mit konsequentem Bleifuß am Ziel sein kann. Einmal wurde ich bei dieser Todesfahrt geblitzt, irgendwo in der Nähe des reizenden Ortes Pirmasens, allerdings bei einer lässlichen Überschreitung von gerade mal zehn km/h im Baustellenbereich auf der Autobahn. Die zehn Euro Verwarnungsgeld waren mir den Spaß wert.

Warum erzähle ich überhaupt davon? Der Grund ist, dass ich bislang immer ausgesprochen moderat unterwegs gewesen bin. Ich hatte mir nämlich schon vor Jahren eine persönliche Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h auferlegt. Aus Gründen ökologischer Korrektheit und weil es mir einfach Spaß machte, wenn mir die stramm an meinem Zuckel-Polo vorbeiziehenden Schnellfahrer den Vogel zeigten. Das Spritsparen entwickelte ich zu einer Art Sport, und im Gespräch mit Freunden berichtete ich stolz davon, dass ich gewissermaßen ein Dreiliter-Auto fahre. Sie waren dann immer sehr erstaunt. Die meisten wussten noch nicht einmal, wo sich auf ihrem Armaturenbrett die Sprit-Verbrauchsanzeige befindet.

Doch jetzt ist Schluss mit Öko. Seitdem man mich zwingen will, mich ökologisch zu verhalten, habe ich die Lust daran verloren. Meine persönliche Höchstgeschwindigkeit werde ich jetzt schrittweise heraufsetzen. Aktuell sind es – man soll nicht gleich übertreiben – 130 km/h, wobei es in Ausnahmefällen auch schneller sein darf. Und ich muss zugeben, zügig Auto zu fahren macht Spaß. So, wie mir immer auch das Fliegen Spaß gemacht hat. Das markige Aufheulen der Düsentriebwerke beim Start, das Erzittern der Kabine, das In-den-Sitz-gepresst-werden, all dies hat mir immer lustvolle Schauer über den Rücken gejagt. Doch mein ökologisches Gewissen hatte mir diese faszinierende Art der Fortbewegung bisher nur selten gestattet. Wenn ich mich anstrenge, kann ich noch jeden Flug meines schon fast sechzig Jahre währenden Lebens aufzählen. Auch das wird sich ändern, wenn man endlich wieder fliegen kann und zwar ohne Maske.

Ausgeben, solange es noch geht

Wie gesagt, lange Zeit gefiel ich mir in der Rolle des selbst ernannten Umweltchampions. Ich schrieb für das Magazin „natur“ – das mich dann wegen meiner Artikel auf der Achse geschasst hat –, sogar eine Reportage über meinen sensationell niedrigen Stromverbrauch. Ich hatte nämlich anhand meiner Stromrechnung festgestellt, dass ich in einem Zwei-Personen-Haushalt plus Hund deutlich weniger verbrauche als der Durchschnitt eines Ein-Personen-Haushaltes ohne Hund. Ich ließ einen Stromsparexperten der Münchner Stadtwerke ins Haus kommen und nachprüfen, ob nicht ein Messfehler vorliege. Er sah sich alles genau an, ließ sich zeigen, was ich alles mache, um Strom zu sparen – vom Kühlschrank ohne Tiefkühlfach über die Abschaltleiste für Stand-by-Geräte bis zur Energiesparlampe – und erteilte mir dann in aller Medienöffentlichkeit das Nihil obstat. Das war der Ritterschlag.

Doch mit der Zerstörung meiner geliebten deutschen Landschaften durch die angeblich so ökologischen Windräder, mit dem Erscheinen der bleichgesichtigen Klima-Kassandra aus Schweden, im Zuge der beständig anschwellenden, unsere Freiheiten und jede Lebenslust mehr und mehr infrage stellenden Klimapanik und im Bewusstsein der vielen Lügen, die verbreitet werden, um die gutgläubige Bevölkerung in ständiger Angst vor dem drohenden Weltuntergang zu halten sowie, last but not least, im täglichen Angesicht einer neuen, ausgesprochen intoleranten Kaste von Öko-Wohlstandsbürgern mit Baby vorm Bauch, Alibi-Tesla und Cargo-Fahrrad beschloss ich, meinen Lebensstil grundlegend zu verändern. Ich möchte jetzt all das, was ich mir bisher nicht gegönnt habe, genießen und zwar in vollen Zügen.

Und eingedenk dem oft von Bruno Kreisky bemühten Bonmot, dass Dank keine politische Kategorie sei. Soll heißen: Ich habe schon so viel Ökokapital angesammelt, dass ich jetzt gut mal über die Stränge schlagen kann. Denn gedankt wird einem nichts, im Gegenteil. Die grünen Durchregierer werden mich in Zukunft genauso knechten wie jemand, der sich noch nie auch nur einen Deut darum geschert hat. Darum wird jetzt ausgegeben, so lange es noch geht, mit vollen Händen.

Nur noch die Sensorik zählt, keine Ideologie

Als Sofortmaßnahme habe ich sowohl meine Bahncard als auch mein Nahverkehrsabonnement beim Münchner Verkehrsverbund gekündigt. Gefahren wird jetzt nur noch und ausschließlich im eigenen Auto, ohne Maske und lärmende oder müffelnde Mitfahrer und nervende Ansagen in kabarett-reifem Bahner-Englisch immer dann, wenn man gerade in ein besonders spannendes Buchkapitel vertieft ist. Im eigenen Auto bin ich mein eigener Herr und komme in der Regel dann an, wann ICH will. Zumindest, solange die Ökobolschewisten das Autofahren nicht ganz verbieten.

Zweite Maßnahme: Fleisch kommt dann auf den Tisch, wenn wir Lust dazu haben. Es darf gerne Ökofleisch sein, ja, aber nicht, weil es öko ist, sondern weil es in der Regel einfach besser schmeckt. Bei Grundnahrungsmitteln wie Zucker, Mehl oder Butter, wo man den Unterschied nicht merkt, sind jetzt wieder Produkte aus böser, konventioneller Landwirtschaft angesagt. Ich bin sicher, dass wir uns dabei nicht vergiften werden, denn große Teile der Menschheit dürften noch nie so sichere Lebensmittel in ausreichender Menge konsumiert haben wie heute.

Was in Bio-Qualität signifikant besser schmeckt, darf weiterhin auf den Tisch, etwa „Erdnussmus crunchy“ von Rapunzel. Nur noch die Sensorik zählt, keine Ideologie. Und wenn wir uns gelegentlich mal Schrimps zubereiten, dann werden die für die Zuchtbecken irgendwo auf der Welt, die wir nicht werden retten können, abgeholzten Mangrovenwälder einfach verdrängt. Klappt prima und geht auch bei Gänseleberpastete, für die die Tiere auf durchaus unerfreuliche Weise gemästet werden. Ich habe mir die Prozedur des Stopfens im Internet angesehen. Da muss man durch, wenn man sich mal ein Scheibchen Terrine de foie gras gönnen will, zu Weihnachten, weil es etwas Besonderes ist und bleiben soll.

Ich spüle bis dato brav jedes Aludeckelchen

Eigentlich möchte ich auch keinen Ökostrom mehr beziehen, aber leider sind die Münchner Stadtwerke drauf und dran, die gesamte von ihnen verkaufte Energie grün zu labeln, etwa, indem sie in Norwegen gegen den Widerstand der ortsansässigen Bevölkerung riesige Windparks kaufen oder bauen. Ich hoffe, dass es irgendwann einen Anbieter gibt, der Strom nur aus Kernkraftwerken vermarktet. Apropos Kernkraft: Ich bin gerade dabei, auch mein Wertpapierportfolio den neuen Realitäten anzupassen. Meine nette Anlageberaterin der Münchner Stadtsparkasse, die längst auch auf dem grünen Trip ist, wunderte sich sehr, als ich beim letzten Beratungsgespräch ankündigte, ich wolle meine Anlagen in puncto Moral stärker streuen und suche, als Ausgleich für diverse Ökopapiere, nach einem Aktienfonds, der explizit in Kernkraft, Rüstung und Kinderarbeit investiert sei.

Die mit einer ökologischen Lebensweise verbundenen, vielfältigen Verhaltensweisen zu ändern, ist nicht so einfach, wie es scheint. So habe ich mir angewöhnt, morgens nur sehr kurz warm zu duschen, obwohl ein Durchflussbegrenzer im Duschkopf die Wassermenge ohnehin schon wirksam reduziert. Doch lange Duschorgien sind nicht mein Ding und ich habe es noch nicht gewagt, statt der kachektischen Tröpfelbrause eine verbrauchsfreudige Regendusche wie im Wellnesshotel zu installieren.

Ähnlich geht es mir mit dem täglichen Ritual der Mülltrennerei. Ich spüle bis dato brav jedes Aludeckelchen, peinlich darauf achtend, durch den Gebrauch von möglicherweise zu viel Warmwasser und Spülmittel, die Ökobilanz nicht ins Negative kippen zu lassen. Doch sobald ich es mir mal erlaube, den mit Joghurt verschmierten Metallfetzen einfach dem Mülleimer zu überantworten, stellt sich augenblicklich ein schlechtes Gewissen ein. Da werde ich noch an mir arbeiten müssen.

Übrigens geht es nicht nur mir so. Ein russischer Nachbar, den ich manchmal an der Wertstoffinsel treffe, sagte mir, er bekomme immer Gewissensbisse, wenn er Plastikverpackungen in den Restmüll werfe, obwohl er sehr wohl wisse, dass der Inhalt des Wertstoffcontainers im Zweifelsfall ja auch in der Müllverbrennung lande. Dabei hasst er die Grünen, liebt Putin und hat mit Ökologie und einer entsprechenden Lebensweise streng genommen überhaupt nichts am Hut. Aber die jahrzehntelange Erziehung und Konditionierung zeigen auch bei ihm ihre Wirkung. Da hilft nur ein konsequentes Umerziehungsprogramm. Wär doch gelacht, wenn aus mir nicht doch noch eine lupenreine alte Umweltsau wird!

Foto: Tim Maxeiner

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Detlef Rogge / 05.05.2021

Es gibt wohl einen Anbieter, von dem sich reiner Atomstrom beziehen läßt. Der kommt aus der Schweiz. Wenn ich nicht so faul wäre, hätte ich längst gewechselt. Eigentlich ist es ja nicht die Weltanschauung selbst, sondern die Penetranz, mit der sie vermittelt wird, die mich und andere so nervt. Das Sendungsbewußtsein und die Kompromißlosigkeit der Protagonisten stoßen mich einfach ab. Weiterhin gute Fahrt für den Autor.

Gabriele H. Schulze / 05.05.2021

Alles gut - nur mit der Stopfleber klappt es bei mir nicht, auch ohne Bilder, schade….Pâté de foie gras gab es vor Jahrzehnten zum 2. Frühstück bei der Weinlese in der Champagne. Dazu un petit rouge. Glückselige Ignoranz!

M.Lutz / 05.05.2021

Seit mir in den letzen zwei Jahren klar geworden ist, dass ich mit meinem grünen Lebensstil all diejenigen mittelbar unterstütze, die eine Ökodiktur anstreben, lasse ich vieles sein. Ich kaufe nicht mehr nur im Bioladen, sondern bei Aldi, wenn mir danach ist, stelle Waschmaschine und Spülmaschine bei Windstille und Wolkendecke an und fahre, was die Karre hergibt, über die Autobahn, falls ich darauf Lust habe. Ich pfeiffe auf die Mülltrennung, die schon immer eine Voksverarsche war. Leider fahre ich gerne mit dem Fahrrad und mag es nicht, Sachen wegzuwerfen.

M.Bingel / 05.05.2021

GENIAL !!!

dr.goetze / 05.05.2021

Herr Etscheit, ich bin voll und ganz bei Ihnen! Die sinn- und verstandlosen Restriktionen der Grünen haben bei mir schon vor geraumer Zeit genau das Gegenteil bewirkt, was sie eigentlich bewirken wollen! Ich gelte immer schon als Trotzkopf, obwohl ich das bestimmt nie wirklich war: jetzt bin ich einer! Ich bin ein alter weißer Mann, bin stolz drauf und lasse mir nicht von einem unreifen, dämlichen und ungebildeten Grünen Gemüse das Leben verhunzen ;-)

Andreas Giovanni Brunner / 05.05.2021

Cargo Fahrräder?! Aah, Sie meinen diese Bestattungsfahrraeder mit Holzsarg vorne dran. Also bei mir im Bezirk in Wien wird eigentlich nur Papier getrennt. Manche Leute, ist aber eine Minderheit trennt auch noch Glas. Die Mehrheit und in dem Fall zaehle ich mich dazu, schmeißt alles in den Restmuell. Da scheisst sich keiner etwas. Das Kurioseste was ich bislang gesehen habe, war ein kopfüber entsorgtes Mofa!!! in einem Altmetallsammelcontainer. Ist schon eine Weile her, gebe ich zu. Aber, mittlerweile gibt es bei den Mezsllcontsinern nur mehr runde schmale Öffnungen, wo gerade mal Buechsen durchlassen - darum kaum genutzt. Ja wir Ostmaerker sind trotz Oekokommunisten in der Regierung immer noch nicht auf Vordermann/Frau gebracht worden. Wenigstens das ist tröstlich.

T.Kaiser / 05.05.2021

Mein BMW Händler meinte, seit etwa 2019 reißen die Kunden ihm die extrem motorisierten Fahrzeuge aus der Hand. Alles unter dem Motto “Wann, wenn nicht jetzt?” Gilt natürlich auch für AMG oder Porsche.

Franz Robert Mathe / 05.05.2021

Sehr geehrter Herr Etscheit, sind Sie schon wegen der diversen Vergehen, die Sie ja offenkundig begangen haben, angezeigt worden? Liebe „achse“, bitte Herrn Etscheit und Herrn Lehmann in die Rubrik „ausgestoßene der Woche“ aufnehmen! Bitte noch bis Samstag warten! Erst dann ist die Woche vorbei! Stalin, Pol Pot, Idi Amin und weitere verstorbene oder lebende, lupenreine Demokraten lassen Güssen! Unseren Österreicher hätte ich beinahe vergessen! Nix für ungut!

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