Interview / 25.09.2019 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 24 / Seite ausdrucken

Steckt der Antisemitismus in der christlichen DNA?

Der Judaist und Talmudgelehrte Hyam Maccoby (1924–2004) wirkte zu Lebzeiten als Bibliothekar am Leo Baeck College in London sowie als Professor für Judaistik an der Universität Leeds. Seine Forschung befasste sich vor allem mit Formen des alten und neuen Antisemitismus. Dieser im englischen Sprachraum bekannte Gelehrte ist in Deutschland nahezu unbekannt. Peter Gorenflos hat im Hentrich & Hentrich – Verlag Hyam Maccobys Ein Pariavolk. Zur Anthropologie des Antisemitismus erstmals auf Deutsch heruasgegeben. Dieser Band bildet den Auftakt einer Trilogie, deren weitere zwei Teile 2020 erscheinen werden.

Peter Gorenflos spricht im Interview über Maccobys hellsichtige Analyse des christlichen Antisemitismus und beantwortet die Fragen, warum Judenfeindlichkeit größtenteils eine christliche und muslimische Spezialität ist und worin sich der Pariastatus der Juden von dem der Unberührbaren des indischen Kastensystems unterscheidet. Das Gespräch führte Ulrike Stockmann.

Ulrike Stockmann: Herr Gorenflos, Sie haben Hyam Maccobys „Ein Pariavolk. Zur Anthropologie des Antisemitismus“ kürzlich erstmals auf Deutsch herausgebracht. Das englische Original erschien bereits 1996. Wie kamen Sie darauf, dieses Buch neu zu veröffentlichen und warum ausgerechnet jetzt?

Peter Gorenflos: Ende der 1990er Jahre hatte ich von Maccoby „Jesus und der Jüdische Freiheitskampf“ und „Der Heilige Henker“ gelesen. Diese Bücher waren echte „Augenöffner“, man versteht plötzlich, wie das Christentum entstanden ist, wie es sich entwickelt hat, aber auch, dass Jesus gar nicht der Gründer dieser Religion ist, sondern Paulus. Maccoby ist ja im angelsächsischen Raum vor allem durch sein Theaterstück „The Disputation“ bekannt geworden, aber im überwiegend katholischen Kontinental-Europa ist er tabu.

Auch die drei anderen Werke sind erst mit erheblicher Verzögerung in der Bundesrepublik erschienen und nur bei kleinen Verlagen. Maccoby entmythologisiert das Christentum und stellt es auf seine historischen Beine. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Nora Pester bedanken, in deren Verlag (Hentrich & Hentrich) „Ein Pariavolk“ veröffentlicht wurde und bei Wolfdietrich Müller für die ausgezeichnete Übersetzung dieses sicher nicht einfachen Textes. Geplant ist übrigens eine Antisemitismus-Trilogie mit Band 2 im Januar 2020 und Band 3 für Herbst 2020.

In Ihrem Vorwort und auch im Text von Maccoby fungiert Paulus als Dreh- und Angelpunkt des christlichen Antisemitismus. Woraus speist sich diese Betrachtung?

Maccoby macht durch seine kritische Analyse der Evangelien klar, dass Jesus ein jüdischer Widerstandskämpfer mit messianischem Anspruch war, Anhänger der Pharisäer-Bewegung (politisch-religiöse Strömung des antiken Judentums, Anm. d. Red.), der bei seinem Kampf gegen die römische Besatzung verhaftet und gekreuzigt wurde, wie das bei den Römern üblich war, wenn jemand deren Machtanspruch in Frage stellte. Maccoby zeigt, dass Paulus, der eigentliche „Erfinder“ des Christentums, mit dem Judentum nur oberflächlich vertraut war, dass er keineswegs ein „Pharisäer der Pharisäer“ war, wie er selbst von sich behauptete. Er kam aus Tarsus in Kleinasien, das keine Hochburg des Pharisäertums war. Dort standen die Mysterienkulte im religiösen Mittelpunkt und genau in diesem Sinne deutet Paulus das Leben und Sterben von Jesus um. Bei ihm wird Jesus zu einem geopferten Gott wie Attis, Adonis, Osiris und viele andere, der für die Gläubigen einen stellvertretenden Sühnetod stirbt und ihre Unsterblichkeit bewirkt.

Blick über den „monotheistischen Tellerrand“ hinaus

Er wird entpolitisiert, hellenisiert, wenn man so mag. Maccoby macht auch auf die zahlreichen Widersprüche im Neuen Testament aufmerksam. Weshalb lehrt und predigt Jesus überhaupt, wenn der Sinn seines Lebens der Sühnetod am Kreuz ist? Weshalb brüstet sich Paulus damit, ein Pharisäer zu sein, womit er sich ja Autorität und Ansehen verleihen will, wenn er deren Bewegung gleichzeitig als legalistisch und heuchlerisch verleumdet? Diese und viele andere Widersprüche sind der Schlüssel zum Verständnis des Neuen Testamentes. Paulus macht zum ersten Mal „die Juden“ verantwortlich für den Tod Jesu, obwohl das historisch natürlich die Römer waren. Damit setzte er den Auftakt zum christlichen Antisemitismus. Aber wirklich virulent wurde der christliche Antisemitismus erst mit den Evangelien, die nach der Zerstörung des Tempels entstanden (70 n. Chr., Anm. d. Red.), während die Paulusbriefe vor diesem einschneidenden Ereignis geschrieben wurden. Das paulinische Christentum hat dieses Ereignis als Bestrafung der Juden interpretiert, die Jesus nicht als Messias anerkennen wollten.

Wodurch zeichnet sich der christliche Antisemitismus aus?

Der Antisemitismus steckt im Grunde in der christlichen – und etwas weniger zentral in der muslimischen – DNA. Christentum und Islam leiten sich vom Judentum ab und wollen es ersetzen, sind laut Maccoby Usurpationsmythen, die auf Grund ihrer Genese dem Judentum verächtlich bis hasserfüllt gegenüberstehen. Ein Usurpationsmythos ist die Inanspruchnahme der Erzählung einer anderen religiösen Gruppe für eigene Zwecke, bei welcher die Anhänger der usurpierenden Religion die Stellung der usurpierten Religion übernehmen und deren Mitglieder auf einen niederen Status herabstufen. Der christliche Usurpationsmythos ist deswegen so tiefgreifend, weil dessen Gründer Paulus, im Gegensatz zu Mohammed, die gesamte Hebräische Bibel für seinen neuen Bund mit Gott in Anspruch nahm, zur Propädeutik (Vorbildung, Anm. d. Red.) seiner neuen Religion herabstufte und die Juden – als kollektive Prügelknaben – auf das Prokrustes-Bett von Gottesmördern zwang, die das entsetzliche, aber für die Erlösung der Christen notwendige Opfer vollbrachten.

Im christlichen Mittelalter wurde der Mythos vom jüdischen Übel für die jüdische Bevölkerung zur prekären sozialen Realität. Aber auch nach der Französischen Revolution verblieb das Stigma wie ein Instinkt, ein Reflex in den Köpfen und bekam mit der Rassenlehre einen pseudowissenschaftlichen Anstrich. Der von den Kirchen konstruierte Grabenbruch zwischen mittelalterlichem und modernem Antisemitismus ist nur eine Apologie. Will man Judenhass dauerhaft überwinden, dann muss man sich der historischen Rolle des Christentums stellen. Maccoby verweist darauf, dass das Christentum glücklicherweise kein Naturphänomen ist, wie ein Gewitter, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt. In „Antisemitism and Modernity“ empfiehlt er eine Art von Psychoanalyse, bei welcher die unbewussten Wurzeln in Mythos, Folklore und Kunst offengelegt werden und dadurch ein rationales Verständnis der langen Geschichte des Judenhasses möglich gemacht wird. Das gilt zumindest für die westliche und muslimische Welt, denn in Hindu-Indien, China oder Japan hat sich aus genannten Gründen Antisemitismus nie entwickelt oder – wenn importiert – nie gehalten. Maccobys Blick über den „monotheistischen Tellerrand“ hinaus, ist sehr aufschlussreich für das Verständnis des Antisemitismus.

Die dämonischen Züge fehlen

In der heutigen Zeit werden vor allem von öffentlicher Seite die Juden gern in Verbindung mit anderen Minderheiten gebracht, die angeblich einer ähnlichen Verfolgung ausgesetzt seien. Hyam Maccoby erklärt jedoch, dass nicht einmal die Unberührbaren im indischen Kasten-System einen ähnlichen Pariastatus wie die Juden innehätten. Woran macht er das fest?

Der entscheidende Unterschied beim Vergleich der jüdischen Bevölkerung im Christentum mit den Unberührbaren Indiens ist deren Selbstverständnis. Die Unberührbaren waren fester Teil des Kastensystems und hatten sich in der Regel mit dem niederen Status abgefunden. Sie wurden in Ruhe gelassen, wenn sie sich an die religiösen Spielregeln hielten. Man träumte vom individuellen Aufstieg im Kastensystem durch Reinkarnation. Die Juden sind von ihrem religiösen Selbstverständnis her das Gegenteil, ein Priestervolk, das die anderen Nationen durch ihr Vorbild aus deren Knechtschaft herausführt. Die Charta des Judentums, wie Malinowski das nannte, ist die eines erfolgreichen Sklavenaufstandes, der Auszug aus Ägypten. Das Elend der Juden im Mittelalter war von außen aufoktroyiert, sie waren subjektiv eher Brahmanen – um bei dem Vergleich zu bleiben – die durch miserable Umstände, mit Gewalt und zeitlich beschränkt zu Parias degradiert wurden.

Wann immer sie die Gelegenheit zum Aufstieg hatten, haben sie diese auch genutzt. Ihr Traum war eher von kollektiver Natur, denn die Tora ist ja auch eine Art früher Gesellschaftsvertrag, was der Aufklärer Rousseau, der ihnen mit Hochachtung begegnete, sofort begriff. Der Unterschied zu anderen Pariagruppen besteht vor allem darin, dass die dämonischen Züge fehlen, welche Christen in geradezu paranoider Weise den Juden unterstellten. Für Paulus, vor allem für die Evangelisten, später für die Kirchenväter, waren Juden die Mörder Christi, Opfervollbringer im Sinne der Mysterienreligionen, den eigentlichen religiösen Wurzeln des Christentums. Diese Opferung, war (und ist!) für die subjektive Erlösung der Christen zwingend erforderlich. Die damit verbundenen Schuldgefühle – man will den Tod des göttlichen Meisters selbst – werden auf „die Juden“ abgeladen. Sie werden zu den kollektiven Prügelknaben. Der christliche Usurpationsmythos ist, anders als der gnostische oder muslimische, vom Typ „Heiliger Henker“, eine fatale, hochexplosive Mischung, die am Anfang einer Entwicklung steht, die im Holocaust kulminierte.

Maccoby bezieht sich in seinen Analysen auch auf die Theorien des bekannten Soziologen Max Weber (1864-1920). Dieser empfindet die Juden als eine Pariakaste, die ihren marginalisierten Status durch ihre separatistische Religion pflegen würde. Maccoby lehnt diesen Standpunkt entschieden ab und hält dagegen, dass die Juden sich niemals freiwillig der Ausgrenzung ausgesetzt hätten. Wie kommt es zu derart entgegengesetzten Standpunkten unter Gelehrten, selbst wenn man berücksichtigt, dass Weber und Maccoby einen Altersunterschied von rund 60 Jahren aufweisen?

Im „Pariavolk“ widmet Hyam Maccoby Max Weber ein ganzes Kapitel und widerlegt ihn eigentlich in jeder Hinsicht. Er zeigt, wie universalistisch das Judentum in Wirklichkeit ist, dass der Vorwurf des Separatismus eher auf das Christentum zutrifft. Auch die Idee vom „Ressentiment“ der Juden durch deren historische Niederlagen wird detailliert widerlegt, denn wann immer der äußere Druck nachließ, nahmen sie begeistert am gesellschaftlichen Leben teil. Gerade dann, wenn sie Webers Idee vom Separatismus und der Rachsucht widerlegen, nach der Französischen Revolution, kippt die gesellschaftliche Stimmung in eine ganz andere Richtung. Jetzt gewinnt der Neid der christlichen Mehrheitsgesellschaft die Oberhand, die Angst vor einer feindlichen Übernahme und der mittelalterliche Antisemitismus bekommt sein „modernes“, rassentheoretisches Gewand. Nach Maccoby gibt Webers Porträt der Juden nur die jahrhundertealte christliche antijüdische Polemik wieder, maskiert in Soziologie. Weber hält auch an der Theorie fest, dass Juden mit zweierlei Maß messen, was – jedenfalls in dieser Form – völlig unhaltbar ist.

Eine Leerformel ohne Wurzeln

Wie betrachtet Maccoby eigentlich den muslimischen Antisemitismus?

In Band 2 der Trilogie, „Der Antisemitismus und die Moderne“, widmet Maccoby diesem Thema ein ganzes Kapitel. Zunächst einmal muss man festhalten, dass der muslimische Antisemitismus bis zur Gründung des Staates Israel weit weniger bösartig war als der christliche. Deshalb haben auch viele Juden aus dem mittelalterlichen Europa Zuflucht in muslimischen Ländern gesucht, sind zum Beispiel nach 1492 aus Spanien ins Osmanische Reich geflohen. Das hängt mit dem speziellen muslimischen Usurpationsmythos zusammen. Man deutet die Akedah (Opferung Isaaks, Anm. d. Red.) um und betrachtet Ismaël statt Isaak als das Opfer, das der Gott zunächst gefordert und dann verhindert hat. Ismaël wurde so nach muslimischer Lesart zum Stammvater der Araber. Mohammed ist kein göttlicher Gründer des Islam und sein Tod wurde nie jüdischen Machenschaften zugeschrieben. Im Islam waren die Juden eine erfolglose, besiegte religiöse Gruppierung, die man eher verachtete, als hasste.

Und wie lautet Maccobys Urteil in Bezug auf asiatische Länder, in denen der Islam und das Christentum nicht tonangebend sind?

Maccoby zeigt uns, wie die Juden im südindischen Kochi jahrhundertelang in wirklicher Freundschaft mit ihren Hindu-Nachbarn lebten und sich der Gunst der Rajas erfreuten. Sie dienten auch im Militär, wo sie am Sabbat von Kampfeinsätzen ausgenommen wurden. Bei allen wichtigen Anlässen wurden jüdische Vertreter zur Teilnahme eingeladen. Ihre Speisevorschriften wurden respektiert. Erst als 1502 die katholischen Portugiesen kamen, begann das Desaster, Synagogen und heilige Bücher wurden verbrannt und es war nur dem Eingreifen und dem Schutz der Rajas zu verdanken, dass sie vor der totalen Katastrophe bewahrt wurden. Das endete erst mit der Ankunft der Holländer 1663, die zwar auch christlich-protestantisch waren, aber zu diesem Zeitpunkt vor allem Repräsentanten der weltlichen Bewegung der Tolerierung waren, die auf die Emanzipation der Juden in Europa hinarbeitete.

In Japan wurde Antisemitismus aus Deutschland importiert durch das Bündnis mit Hitler und Mussolini. So richtig Fuß gefasst hat er dort aber nicht. Es war im Grunde das Konstrukt einer angeblich angestrebten jüdischen Weltherrschaft, das Eindruck in der Bevölkerung machte, weil man in Wahrheit selbst imperialistische Absichten hatte und Südost-Asien unter seine Kontrolle bringen wollte. Antisemitismus bestand dort, sehr moderat, in Form erfolgreicher Unterhaltungsliteratur fort, welche die Machenschaften einer weltweiten jüdischen Verschwörung verbreitete. Und in China gab es durch die Kooperation mit der Sowjetunion einen Antisemitismus, der sich als „zionistischer Imperialismus“ maskierte. Da er dort aber keine wirklichen Wurzeln hat, wurde er eine Leerformel, wie Maccoby erkennt, und wird die weitere politische Entwicklung wahrscheinlich nicht überleben.

Was erhoffen Sie sich als Herausgeber und Maccoby-Experte von der Veröffentlichung?

Das Buch ist ja erst seit Mai auf dem Markt und ich bin selbst gespannt auf die Resonanz. Von den anderen bisher erschienen Maccoby-Büchern ist mir bekannt, dass sie nie die öffentliche Aufmerksamkeit bekamen, die sie eigentlich verdienen. Eine Aufführung seines Stückes „Die Disputation“ in der Bundesrepublik wäre übrigens ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, ein Kontrapunkt zu den Oberammergauer Passionsspielen, die nächstes Jahr wieder stattfinden. Welche Rolle Passionsspiele in der historischen Entwicklung des Antisemitismus spielen, beleuchtet Maccoby im für 2020 geplanten Band 3 der Trilogie, „Judas Ischariot und der Mythos vom Jüdischen Übel“.

„Ein Pariavolk. Zur Anthropologie des Antisemitismus“ von Hyam Maccoby, herausgegeben von Peter Gorenflos, 2019, Hentrich & Hentrich: Berlin, Leipzig, hier bestellbar.

Der Beitrag erschien zuerst in der Jüdischen Rundschau.

Foto: Achgut.com

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Thomas Schmied / 25.09.2019

“Steckt der Antisemitismus in der christlichen DNA?” Das Buch habe ich nicht gelesen. Auf die Frage will ich aber kurz antworten, weil sie etwas auf den Punkt bringt, was mich seit Jahren nervt. Verwerfungen und Tod im Rahmen der Kreuzzüge, Machtmissbrauch der Kirchen und ihrer Protagonisten im Mittelalter, Inquisition, Hexenwahn in der frühen Neuzeit, Kooperation einiger Geistlicher mit Faschisten und Nationalsozialisten und heute die Mißbrauchskandale katholischer Geistlicher. Das alles sei “christlich”. Ebenso wie Judenverfolgungen in christlichen Ländern, die zum Beispiel recht einfach damit zu erklären sind, dass man “die Juden” dafür verantwortlich machte, dass Jesus am Kreuz gelandet ist. Das waren aber nicht “die Juden”, sondern ihre damaligen machtgeilen Repräsentanten, die Angst um ihre Pfründe hatten und einen potentiellen politischen Gegner beseitigen wollten, der eigentlich kein politischer Gegner war. Die erwähnten Verfehlungen und politischen Schachzüge sind nicht als “christlich” zu bezeichnen. Das ist nicht christlich. Es ist weder durch überlieferte Taten des Mannes aus Nazareth, noch durch Aufrufe im neuen Testament legitimiert. Jesus war ein Jude, er lebte (und starb) in einer jüdischen Umgebung, in jüdischer Tradition und unter Juden. Aller Wahrscheinlichkeit nach starb der historische Jesus auch in dem Glauben, als Jude zu sterben. Die ersten Anhänger Jesu waren Juden. Judenchristen waren zunächst die größte Gruppe unter den ersten Christen überhaupt. Soviel zur Frage oben in der Überschrift. Im Islam ist Judenhass allerdings ganz klar, systemimmanent verankert. Er ist nachlesbar. Der Prophet des Islam tötete Juden, weil sie Juden waren. Sorry, das ist schon ein Unterschied, meine ich.

Gudrun Meyer / 25.09.2019

Das meiste, was Maccobys ausführt, ist richtig und schon länger zumindest in Teilen bekannt. Falsch ist die Behauptung, der Islam habe eine an sich weniger antisemitische DNA als das Christentum - der Koran strotzt von Hetze gegen die Juden, obwohl es tatsächlich muslimische Gesellschaften gab, die deutlich toleranter mit religiösen Minderheiten als zeitgleiche christliche Gesellschaften umgingen. Manchmal wurde und wird behauptet, eine Jüdin habe Mohammed mit Gift getötet, und auch unter Muslimen, die das nicht glauben, läuft der Mythos um, Mohammed habe 15 Giftanschläge überstanden, 12 von jüdischer und 3 von heidnischer Seite aus. Maccoby scheint wenigstens punktuell von einem europäischen Mythos auszugehen, der die islamischen Gesellschaften als tolerant und aufgeklärt sieht. Dieser Mythos basiert nur darauf, dass es in Europa lange Zeit noch schlimmer aussah. Auch der Begriff “Pariavolk” kommt mir angreifbar vor, eben weil das Selbstverständnis des Judentums völlig anders war - nicht geknickt, sondern selbstbewusst, nicht passiv (“gut, dann werden wir halt als etwas Besseres wiedergeboren”), sondern aktiv am eigenen “Schicksal” beteiligt, wann immer das möglich war. Nach meinem Eindruck - bitte sehr, der kann auch falsch sein -, war das Judentum in Europa jahrtauselang verhasst und wurde wahnhaft als verschwörerisch aufgefasst, aber selten verachtet. Das Problem bei dt. Rechts- und Linksextremen von 2019 scheint mir antisemitischer Hass und nicht so sehr Verachtung zu sein. Diese kommt mir eher behauptet als echt vor. Was die Sache nicht entschuldigt.

Markus Hahn / 25.09.2019

Frau Stockmann ist ganz offensichtlich sehr sympathetisch in Bezug auf Maccoby´s Thesen.  Die Akzeptanz der Thesen Maccoby´s auf Seiten der Religionswissenschaftler ist jedoch reziprok zur Akzeptanz auf Seite linker Sozial- und Politikwissenschaftler, vorrangig in England. Ein etwas reflektierenderer Artikel zur Arbeit Maccoby´s würde dem Thema gut tun.

Marcel Seiler / 25.09.2019

Während meiner ganzen Kindheit und Jugend war ich Mitglied in Gruppen der christlichen (lutherischen) Kirche. Von diesem Antisemitismus, der angeblich in der DNA des Christentums stecke, habe ich *nichts*, aber auch *gar nichts* mitbekommen. Einen Antisemitismus, der sich aus der “Usurpation des Judentums” und Ähnlichem speist, kann ich heute auch sonst nirgends entdecken. Die von Hyam Maccoby erhobenen Vorwürfe gehen am Problem des heutigen Antisemitismus völlig vorbei.

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