Dirk Maxeiner / 14.08.2019 / 06:29 / Foto: Joseph M. Buliavac / 100 / Seite ausdrucken

Salvini, Johnson, Trump & Co: Die deutsche Tortenschlacht

Matteo Salvini macht gerade das, was in Italien seit einem dreiviertel Jahrhundert ständig üblich ist – er provoziert eine Regierungskrise. Die Regierung, der er angehört, ist die 65. seit Ausrufung der italienischen Republik 1946. Durchschnittlich hielt eine italienische Nachkriegsregierung also 59 Wochen. Die gerade zerbrechende liegt mit einer Amtszeit von fast 63 Wochen schon über dem Durchschnitt. Was in Rom gerade geschieht, ist also nichts weiter als der italienische Normalfall. Nur hierzulande herrscht große Aufregung, denn der Mann, der neuer Ministerpräsident werden will, ist Deutschlands neuestes Schreckgespenst und führt die Hitparade des Grauens aktuell sogar noch vor Boris Johnson und Donald Trump an.

Anfang der Woche wurde ich noch vor dem Frühstück vom „Morning-Briefing“ des „Handelsblatt“ davon unterrichtet, der „badebehoste Mann mit Bauchansatz“ toure im Dienste seiner „rechtsextremen Partei“ durch Italiens Strandbäder und erzähle dort ganz viel populistisches Zeugs. Das geht natürlich gar nicht. Besonders nicht, ohne das Kanzleramt oder die Chefredaktion des Handelsblatt um Erlaubnis zu fragen. Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs ist persönlich beleidigt: „Mir fällt bei soviel geistiger Armdrückerei Leonardo da Vinci ein: Die Dummheit schützt vor Schande, gleichwie die Dreistigkeit vor Armut.“ 

Das erinnert mich ein bisschen an Claus Kleber, der unlängst im heute Journal auf den frisch gebackenen britischen Premier Boris Johnson zu sprechen kam. Boris Johnson habe sich selbst als “durchgeknallten Idioten” bezeichnet, verortete er den Anführer des perfiden Albion. Inzwischen musste Kleber sich von seinem eigenen Intendanten darüber aufklären lassen, dass diese Behauptung „nicht korrekt“ gewesen sei, was eine euphemistische und der Loyalität gegenüber Mitarbeitern geschuldete Umschreibung für eine lupenreine Falschmeldung ist. Auf eine Entschuldigung Klebers dürften wir aber noch länger warten als Samuel Beckett auf Godot oder Angela Merkel auf einen Besuch von Donald Trump.

Womit wir bei dem Dritten im Bunde des Grauens sind. Donald Trump wurde schon kurz nach seiner Amtseinführung auf dem Titel des Spiegel als halsabschneidender Schlächter portraitiert, so, als sei der Grafiker im Oberkommando der Wehrmacht, Abteilung Propagandakompanie, eingeschlafen und 75 Jahre später in der Spiegel-Chefredaktion mit einem alten Entwurf im Schoß wieder erwacht. Seitdem wird Trump in deutschen Medien wahlweise abgesetzt oder herabgesetzt. Er ist aber immer noch da und wird wohl auch noch eine Weile bleiben, ganz im Gegensatz zu den amerikanischen Truppen in Deutschland.  

Bauchansatz, Übergewicht, schlecht sitzende Frisuren

Beim Handelsblatt keimt aber schon wieder Hoffnung. Man zeigt im Morning-Briefing ein Jugendfoto von Trump und Jeffrey Epstein, der nach Stand der Dinge vor einigen Tagen Selbstmord beging. Unter dem Foto mit Trump wird im Zusammenhang mit einem „Mädchenhandelsring“ raunend gefragt: „Was hätte er erzählen können?“ Und dann steht da: „Der größte Wiederverwendungsartikel der politischen Praxis ist die Verschwörungstheorie“. Außer beim Handelsblatt natürlich, wo man sich von Verschwörungstheorien distanziert, indem man sie gleichzeitig in die Welt setzt. 

Aber man darf heutzutage nicht lange fackeln, schließlich wird die moralische Hochburg Deutschland von Feinden umstellt. Der Umgang mit Salvini, Johnson, Trump und Co ist von den immer gleichen Zwangshandlungen gekennzeichnet. Da ist zunächst einmal die Herabsetzung mit dem Hinweis auf vorgebliche körperliche Defizite wie "Bauchansatz“, „Übergewicht", schlecht sitzende Frisuren und dergleichen. Bei unseren Spitzenpolitikern gibt’s so etwas ganz offensichtlich nicht. Wenn Donald Trump Diskriminierendes vom Twitter lässt, fordern die gleichen Leute allerdings eine Sondersitzung des Welt-Sicherheitsrates, mindestens. Auch Zuschreibungen wie „Idiot“  oder „Pausenclown“ für den Staatschef eines einstmals befreundeten Landes gehen den Helldeutschen so flüssig über die Lippen wie einem Geisterfahrer, dem der Rest der Welt auf der falschen Seite der Autobahn entgegen kommt. 

Noch nie seit 1933, so scheint es, war Deutschland so umzingelt von faschistoiden Bösewichtern wie heute. USA, Italien, Großbritannien, Frankreich, Österreich, Niederlande, Dänemark, Tschechien, Polen, Ungarn, Finnland – überall lauern mehr oder weniger rassistische, fremdenfeindliche und reaktionäre Kräfte, seien sie nun katholisch, in gelbe Westen gewandet oder als Sarrazin-Sozialdemokraten getarnt. Merke: Die ganze Welt ist fremdenfeindlich, nur wir nicht, es sei denn, es handelt sich um falsch wählende Amerikaner, Italiener, Briten, Franzosen, Österreicher, Niederländer, Dänen, Tschechen, Polen, Ungarn, Finnen...

Der Spiegel wähnt den Feind sogar schon im Inneren und vermeldet, eine von der israelischen Regierung und dem Mossad gesteuerte jüdische Lobby übe mit Geld und schmutzigen Tricks entscheidenden Einfluss auf die deutsche Nahostpolitik aus. Deutsche Straßen sind indes für Kippaträger nicht mehr sicher und die Stiftungen der Regierungskoalitions-Parteien laden deutsch-israelische Schriftsteller aus, damit so etwas nie wieder passiert. 

Mit dem Flixbus aus Moskau

In ihrer machtlosen Paranoia kreuzt die Deutsche-Moral-First-Bewegung durch ein Meer von Widersprüchen und verkündet permanent das baldige schlimme Ende der Volksverführer. Auch Matteo Salvini wird das Jüngste Gericht ereilen, oder, wie das Handelsblatt schreibt:  „Die Geschichte eines Landes wird nicht zwischen Sandburg und Sandbank geschrieben“.

Die Geschichte eines Landes wird allerdings auch nicht zwischen Wagenburg und Sandmännchen geschrieben, außer vielleicht in Deutschland, aber auch da kann man nicht sicher sein. Während die amerikanischen Truppen in Richtung Polen verduften, lässt Putin schon mal Landungsboote in der Kieler Bucht auffahren, beobachtet von einem Klepper-Faltboot der Bundeswehr. Aber keine Angst, die Süddeutsche Zeitung gibt Entwarnung: „Moskau modernisiert seine Flotte. Das jüngste Manöver war mit mehr als 10.000 Soldaten das größte seit Ende des Kalten Krieges – Kriegsschiffe kreuzten sogar in der Kieler Bucht. Doch der Eindruck neuer Stärke täuscht“.

Im Prinzip ist es auch vollkommen egal, wie stark Putin ist. Denn ein Land, das seine Grenzen nicht bewacht und jeden hereinlässt, ob er nun Papiere hat oder nicht, braucht auch keine Landesverteidigung. Insofern ist der Zustand der Bundeswehr mit der Politik der gegenwärtigen Regierung absolut konsistent. Auf zehntausend russische Marineinfanteristen würde es auch nicht mehr ankommen. Im Ernstfall kommen die Jungs sowieso mit dem Flixbus aus Moskau und wandern in den Sozialstaat ein, weil die  Leistungen deutlich besser sind als der karge Lohn eines russischen Armeeangehörigen. 

Was die Absicherung internationaler Interessen angeht, haben die Regierenden unseres  Landes offenbar zu oft bei Aldi und Lidl geshoppt, anscheinend halten sie die NATO für eine Discounter-Filiale, in der man den Rabatt selbst bestimmt. Und jetzt kommt dieser Trump daher und sagt: Dann geh doch zu Netto! Vielleicht leiht sich AKK aber auch beim neuen Freund in Peking die Terrakotta-Armee aus. Das Schöne am neuen Deutschland ist in jedem Fall: Die Welt muss keine Angst mehr vor ihm haben. Grund zur Beunruhigung haben nur die, die schon länger da leben.

Foto: Joseph M. Buliavac U.S. Navy via Wikimedia Commons

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Leopold Hrdlitschka / 14.08.2019

Alles kein Problem für die deutschen Propagandasender, allen voran der Deutschlandfunk und der Bayerische Rundfunk und leider auch für die ACHSE (wenn es diesen Putin oder das Reich des Bösen am Persischen Golf) trifft. BR2 brachte gestern eine Sendung mit Zuhörerbeteiligung von der allein die Einleitung der fest angestellten Propagandamitarbeiterin fassungslos machte.

Johannes Schuster / 14.08.2019

Im kalten Krieg sind uns jede Woche die Fenster fast rausgeflogen wegen einem supersonic. Ein paar Russen und Amerikaner mit herben Kriegswaffen in und über Deutschland ist nur Salz, was die fade Veggiwirklichkeit süßt. Macht weiter so liebe Russen, ich will mal wieder zittern und vorm Fernseher, mit Krisensendungen sitzen, erlöst vom banalen Schwachsinn fader DDR - Unterhaltung. Und wenn die USA Deutschland in Polen in die Zange setzen, wohl an, die Krauts brauchen dieses Hallo - Wach.

Lars Schweitzer / 14.08.2019

Der Mehrheit der Deutschen muss es erst richtig schlecht gehen, bis sie merken, dass sie sich verrannt haben. Die Rückkehr zur Vernunft wird noch kommen, aber bis dahin werden unsere Weltenretter leider schon unermesslichen Schaden angerichtet haben. Ob es mit dem Wiederaufbau dann so gut klappen wird wie früher schon einmal, ist leider auch keineswegs sicher.

Dr. Klaus Rocholl / 14.08.2019

„Bauchansatz, Übergewicht, schlecht sitzende Frisuren“ ... Der werte Herr scheint die derzeitige Kanzlerin zu meinen… !

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