Volker Seitz / 08.11.2019 / 06:00 / Foto: Copyleft / 69 / Seite ausdrucken

Migration: Frankreichs Kehrtwende

Seit Jahren sind sich die europäischen Staaten uneinig, wie die illegale Zuwanderung und damit auch die Chance für Migranten, mit Helfern beziehungsweise Schleppern nach Europa zu gelangen, eingeschränkt werden soll. Frankreich wird den Zugang nach Europa künftig deutlich erschweren. Mit der Regulierung der Einwanderung vollzieht das Land eine Wende. Nachdem sich die Partei von Marine Le Pen weiter im Aufwind befindet, nimmt der Druck auf Präsident Macron zu – vor den Kommunalwahlen in etwa sechs Monaten – neue Regeln für die Einwanderung zu finden. Ab kommendem Sommer sollen in Frankreich Quoten für qualifizierte Einwanderer gelten – nicht nach Herkunftsland, sondern nach Beruf. 

Die französische Regierung wird sich laut Arbeitsministerin Muriel Pénicaud beim Fernsehsender BFM-TV am 5. November 2019 an den Einwanderungsregeln von Kanada und Australien orientieren. Fachkräfte aus Mangelberufen sollen befristete Arbeitsvisa erhalten. Die Listen der Branchen mit Fachkräftemangel sollen jedes Jahr nach Bedarf angepasst werden.

Anders als Deutschland droht Macron, keine Visa mehr auszustellen, wenn illegale Einwanderer nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden können. (Nach meinen Erfahrungen in Afrika ist das die Höchststrafe für afrikanische politische „Eliten“.) Schon die Androhung hat zu besseren Zahlen geführt. Premierminister Edouard Philippe sagte am 6. November 2019, dass Frankreich die Kontrolle über seine Migrationspolitik zurückgewinnen will. Auch Frankreich kann die illegale Migration nicht zu hundert Prozent stoppen, aber die Anreize können abgemildert werden und den Schleppern das Geschäft entzogen werden. Das ist ein humaner Ansatz, denn es sterben so weniger Menschen im Mittelmeer oder in der Sahara.

Keine so hohe Duldungsquote wie Deutschland

Befürworter weitgehend offener Grenzen aus Linkspartei, Grünen, SPD und Teilen der CDU argumentieren hingegen, dass jede weitere Eindämmung der illegalen Migration auch diejenigen Menschen treffen würde, die tatsächlich gute Chancen auf einen Schutzstatus in der EU hätten.

Allerdings aus Seenot gerettete und nach Deutschland überstellte Migranten haben mehrheitlich keinen Anspruch auf Asyl. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Demnach entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bis Ende September in 142 Verfahren über einen möglichen Schutzstatus der Asylsuchenden, die im Mittelmeer gerettet und nach Deutschland gebracht wurden.

Davon wurden 74 Verfahren abgelehnt. Das entspricht einem Anteil von gut 52 Prozent. Lediglich fünf Personen wurden als Flüchtlinge gemäß Artikel 16a Grundgesetz oder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. 49 Menschen erhielten subsidiären Schutz. Bei neun weiteren Geretteten verhängte das BAMF Abschiebeverbote. Fünf Verfahren wurden aus sonstigen Gründen eingestellt.

Kein anderes Land hat eine so hohe Duldungsquote wie Deutschland. Ohne die konsequente Einhaltung geltender Gesetze wird der Graben zwischen Wirklichkeit und Rechtsordnung immer größer. Alle deren Anträge abgelehnt wurden (ohne Duldung) müssen abgeschoben werden, dann hätten wir eine Menge Platz und Geld, für die wirklich Asylbedürftigen. Auch die fehlende Aufnahmebereitschaft im Herkunftsland (siehe Frankreich) muss sich auf die Visavergabe und auf etwaige Hilfen auswirken.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Nachauflagen 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungshilfe, politische und wirtschaftliche Entwicklungen in Afrika.

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Thomas Taterka / 08.11.2019

Es wird meines Wissens immer gern unterschlagen, daß in den klassischen Einwanderungsländern ein Eid verlangt wird, durch staatsbürgerliche Zugehörigkeit die demokratische Verfassung des neuen Heimatlandes zu verteidigen und zu schützen. Darauf folgt eine Bewährungszeit, die bei Zuwiderhandlung eine Wiederaberkennung zur Folge haben kann. Für mich ist diese Vereinbarung der wichtigste Grundsatz eines korrekten Einwanderungsgesetzes und gemessen an diesem vorbildlichen Standard herrscht in Deutschland - von oben ” geduldete Anarchie “. Die Abwesenheit jeglicher Regel zum Nutzen Weniger.

Julian Schneider / 08.11.2019

Das sehe ich anders: Genauso wie in Deutschland, wird so getan als ob. In Wirklichkeit wird der “Migrationspakt” der UN erfüllt. Zu stark sind die Verknüpfungen. Die sozialistische Internationale und die Globalisten (die das gleiche Ziel verfolgen) haben das Sagen in UN und EU und in den großen Ländern wie D, F und GB (und per deep state auch in USA). Der Islam ist ebenfalls mit im Boot. Ziel: Die Auflösung der Nationalstaaten und die Flutung von Europa mit Menschen aus Afrika/Nordafrika. Spannend wird es, wenn Islam und Sozialismus darum kämpfen, wer denn tatsächlich die Weltherrschaft bekommt - beide wollen sie.

B. Schulz / 08.11.2019

@Klaus-Dieter Zeidler: Sie schulden uns eventuell noch den Post, der erklärt, was Sie meinen? Und auch wenn selbst Frankreich laaaangsam, ganz langsam die Zeichen der Zeit erkennt und nicht mehr uneingeschränkt mitspielen möchte, dann werden wir eben alleine weiter “kämpfen”, Frank-Walter hat’s versprochen.

Peter Maier / 08.11.2019

Schliesse mich der Meinung von Herrn Witthauer an, dass nur ein massiver Grenzschutz mit konsequenter Zurückweisung nicht Einreiseberechtigter eine Chance böte zumindest ein Stück weit verloren gegangene Souveränität über das Migrationsgeschehen zurück zu erlangen. Asylantragsstellung an entsprechenden Stellen im Ausland war bereits ein Vorschlag von Otto Schily in seiner Zeit als Innenminister, wofür er aber bereits damals heftig kritisiert wurde. Erinnere mich an ein Gespräch mit einem MDB in 2015 worin dieser die Meinung vertrat, Europa müsse zur Festung ausgebaut werden, da der Flüchtlingszustrom nicht zu bewältigen sei, aktuell lägen ihm Erkenntnisse vor, dass sich sehr viele junge Afghanen auf den Weg nach Europa machten. Na ja, die jungen Afghanen dürften inzwischen hier sein, besagter MDB sitzt im Bundestag und mir ist nicht bekannt, dass er sich dort jemals in der Weise geäußert hätte, wie in dem oben erwähnten Gespräch.

Paul Diehl / 08.11.2019

Während in Frankreich nicht nur der Druck durch den Front National, sondern auch durch echte Graswurzelbewegungen, wie etwa die Gelbwesten, immer größer wird, steigt in Deutschland der Einfluss sogenannter top-down-Bewegungen, wie etwa der open society foundation und ihrer diversen Ableger, oder etwa der Deutschen Umwelthilfe, unaufhaltsam. Diese top-down-Bewegungen bestimmen in Deutschland den medialen und politischen Diskurs. Daher wird es in Deutschland kein Umdenken im Hinblick auf die Migrationspolitik geben. In Frankreich kommt der Druck von unten, in Deutschland von oben.

B.Kröger / 08.11.2019

Mich würde interessieren, welche Politiker nach ihrem Job noch in Deutschland leben werden? Frau Merkel verflüchtigt sich nach Südamerika, oder doch lieber in die USA?  Selbst unserer Klima- und Schlepperqueen Rakete ist es ja heute bereits in Deutschland zu bevölkert. Also wohin werden unsere Fachmänner und erst unsere Fachfrauen alle flüchten? Bin mal gespannt.

Rainer Hanisch / 08.11.2019

Endlich mal eine “Wende”, die Sinn macht! Alles bisher dagewesene waren ja sinn- und realitätsferne Wunschkonzerte. Sollte Macron bei seinem Vorsatz bleiben, wird das wohl auch auf andere Länder wirken und zu radikaleren Maßnahmen gegen “Flüchtlinge” führen. Als einzige werden wieder die deutschen Weltverbesserer Gift und Galle spucken; den größten Teil der Welt kümmert’s eh nicht. Was das Abwerben der (tatsächlichen) Fachkräfte angeht: Schröder hat mit seiner Greencard für IT-Fachkräfte schon mal so ein Luftschloss gebaut. Die sind damals lieber in andere Länder gegangen. Ja, und was soll mit den Ländern passieren, aus denen reale Fachkräfte nach Europa abwandern? Brauchen die keine Ingenieure, Techniker, Ärzte oder gutausgebildete Facharbeiter, um aus dem Muspott zu kommen? Ach ja, dagegen gibt’s ja z-. B. “Ärzte ohne Grenzen”, die dann wieder in D fehlen. Also brauchen wir doch ausländische Fachkräfte. Migration nach Europa löst nicht ein einziges “Fluchtproblem”, im Gegenteil, sie schafft neue und verschärft bestehende. In den Ländern, aus denen Migranten kommen, müssen grundlegende Veränderungen stattfinden - sonst wird’s nie etwas.

von Kullmann / 08.11.2019

Bitte alles Bunte von Frankreich nach Deutschland in die Wohnungen der Bundeskanzlerin und der Bundestagsvizepräsidentin. Aus humanitären Gründen werden die Türen geöffnet, der Kühlschrank wird gefüllt und die alten weißen Frauen können im Gegenzug als Mitbewohner geduldet werden. Die hohen Pensionen teilen sie dauerhaft gerne nach dem Sankt Martin Prinzip (hälftig) mit ihren Schutzbefohlenen. Sankt Martin wird dann gerne im trauten Wohnzimmer in Mohammed umbenannt, weil ja das Zusammenleben immer neu ausgehandelt werden muss. Werden die Wohnungen zu klein, müssen neue gebaut werden.

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