Als der Iran Israel attackierte, war im deutschen Fernsehen kaum etwas dazu zu sehen. Auch die Politiker schwiegen. Aber nicht für immer, was noch schlimmer war.
Am späten Samstagabend startete das Mullah-Regime im Iran seinen ersten direkten Angriff auf Israel: 185 Kamikaze-Drohnen, 110 ballistische Mittelstreckenraketen und 36 Marschflugkörper wurden auf den Weg geschickt. Israel aktivierte den Iron Dome, Kampfjets der Luftwaffe stiegen auf. In den Nachbarländern halfen amerikanische, britische, ja sogar jordanische Piloten, den Großangriff abzuwehren. (Wie die Bürger Israels diese Stunden erlebten, lesen Sie hier.)
Währenddessen schlief die Polit-Prominenz in Berlin den Schlaf der Selbstgerechten, noch ganz beseelt von dem gerade im Bundestag durchgedrückten Beschluss, dass künftig jeder nach Lust und Laune sein Geschlecht wechseln kann, jedenfalls einmal pro Jahr. Nicht nur, dass, Staatsräson hin oder her, dem jüdischen Staat keine aktive Hilfe geleistet wurde, es kam einfach: nichts.
Nach Stunden bequemte sich Annalena Baerbock endlich zu einer Stellungnahme bei X (Twitter) und gab sich dabei keine große Mühe. Der übliche Griff in den Satzbaukasten (oder war’s ChatGPT?) generierte folgendes geharnischtes Statement:
„Iran hat Drohnen & Raketen auf Israel abgeschossen. Wir verurteilen den laufenden Angriff, der eine ganze Region ins Chaos stürzen kann, aufs Allerschärfste. Iran & seine Proxies müssen diesen sofort einstellen. Israel gilt in diesen Stunden unsere ganze Solidarität.“
Oha – nicht nur „aufs Schärfste“ sondern sogar „aufs Allerschärfste“, mit 1,5 Millionen Scoville gewissermaßen. Dabei hatte Baerbock laut Spiegel noch vor Tagen „mit iranischem Minister über möglichen Angriff auf Israel“ gesprochen, eine Formulierung, die offenließ, ob es um einen deutschen, um einen iranischen oder einen koordinierten Angriff auf den jüdischen Staat ging. Beim Spiegel änderte man dann die missverständliche Schlagzeile ab.
Alles begann damit, dass Israel zurückschlug
Wie auch immer: „Israel gilt unsere ganze Solidarität“, wenigstens „in diesen Stunden“. In diesem beruhigenden Wissen gingen die Kampfpiloten der IAF und die Iron-Dome-Besatzungen frohgemut ans Werk und fingen 99 Prozent der einfliegenden Geschosse ab. Immerhin hatte sogar Ursula von der Leyen von einer „nicht zu rechtfertigenden Attacke“ gesprochen, genauso wie Olaf Scholz („unverantwortlich und durch nichts zu rechtfertigen“).
Das sahen allerdings nicht alle so. Aydan Özoğuz, Vizepräsidentin des Bundestags, schrieb, sie mache sich Sorgen um alle Menschen in der Ukraine, in Israel und in Gaza. „Warum musste diese Situation noch provoziert werden? Bombardierung der iran. Botschaft hat Nahost gefährdet.“, schrieb Özoğuz (hier fehlt der Link, weil sie ihren Post nach heftigem Gegenwind wieder löschte), womit sie, so wie alle, die es mit Israel nicht so haben, behauptete, an dem iranischen Großangriff sei der jüdische Staat selber schuld. Da befindet sie sich in vielsagender Gesellschaft etwa mit dem notorischen Jürgen Todenhöfer, der findet: „Auch der Iran hat ein Recht auf Selbstverteidigung“. In diesem Sinne moderierte auch Ingo Zamperoni am späten Samstagabend die „Tagesthemen“ an:
„Es muss den Verantwortlichen in Israel sehr klar gewesen sein, dass dieser Zwischenfall nicht ohne Folgen bleiben würde. Und Iran hatte Vergeltung ja auch unverzüglich angekündigt.“ Für Zamperoni – und nicht nur für ihn und Frau Özoğuz – ist also Israel der Provokateur, der eigentlich Schuldige, der für die Eskalation Verantwortliche. Ganz so, wie ein Evergreen der Nahostberichterstattung besagt: „Alles begann damit, dass Israel zurückschlug“.
Die Mullahs und ihre „Proxies“
Nun ist es allerdings so, wie der Politikwissenschaftler Carlo Masala bei X schrieb: „,Der Iran zeigt sein wahres Gesicht' schreiben auch nur die, die seit 1979 unter einem Stein leben.“ Denn Tatsache ist, dass der Iran und Israel gute Beziehungen hatten, bevor Ayatollah Khomeini sein islamistisches Regime errichtete – ein Ereignis übrigens, zu dessen 40. Jahrestag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine herzlichen Glückwünsche übermittelte, „auch im Namen meiner Landsleute“, wie er irrtümlich annahm.
Der Iran führt seit vielen Jahren einen indirekten Krieg mit Israel, einem Staat, den er von der Landkarte wischen möchte, was er immer und immer wieder unverhohlen betont. „Marg bar Israel!“ lautet die Parole nicht nur am Al-Quds-Tag, „Tod für Israel“, den „kleinen Satan“, den das Regime ebenso hasst wie den „großen Satan“ Amerika. Und es blieb nie bei Worten: Seine Stellvertreter wie die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon und die Huthi-Miliz im Jemen erledigten bisher den praktischen Teil, auch im Irak und in Syrien und im Gazastreifen baute der Iran Terrorstrukturen auf oder half dabei. Die Hisbollah etwa feuert seit einem halben Jahr Raketen und Mörsergranaten auf Galiläa ab, was Özoğuz, Zamperoni und Todenhöfer entweder entgangen sein muss oder schlicht egal ist.
Dieser Krieg mit dem Ziel der Vernichtung Israels, den die Mullahs schon lange führen, ist der Kontext zur Eskalation. Dass sieben Mitglieder der Revolutionsgarden, darunter zwei Generäle, in der iranischen Botschaft in Damaskus keines natürlichen Todes starben, ist genau in diesem Zusammenhang zu sehen, ebenso wie die mitunter robuste Sabotage des iranischen Atomprogramms durch mutmaßlich israelische Agenten. Dass man zwischen Haifa und Eilat nicht mit den Händen in den Taschen zusieht, wenn sich die erklärten Todfeinde eine Atombombe bauen, sollte eigentlich auch schlichteren Gemütern einleuchten. Stattdessen klatschen sie sich schon mal mit dem Botschafter des Regimes ab.
Zwischen Ignoranz und Belehrungseifer
Als die über 300 Geschosse durch die Nacht auf Israel zuflogen, lief, so war zu lesen (der Autor selbst pflegt das Fernsehen zu meiden), in der ARD die Familienshow „Wer weiß denn sowas XXL“ und im ZDF „Das aktuelle Sportstudio“. „Auch das Zappen zu ZDFinfo, dem Newskanal des ZDF, half nicht weiter“, schreibt der Tagesspiegel, dort gab es „Faszination Universum“ zu sehen.
Wie wir gesehen haben, ist gar keine Reaktion aber auch nicht schlimmer als solche, wie sie zu lesen und zu hören waren. Im Zweifel ist Schweigen ja doch Gold. Jedoch sollte man sich da keine falschen Hoffnungen machen: Da Israel auf keinen Fall zurückschlagen darf (Eskalation! Flächenbrand-Gefahr!), sind jetzt erst einmal verstärkte Ermahnungen zur „Besonnenheit“ und „Zurückhaltung“ in Jerusalem zu erwarten. Wir wissen schließlich immer noch am besten, wie sich Juden ihrer Todfeinde zu erwehren haben.
Denn der Tod ist ein Schulmeister aus Deutschland.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.