In den letzten Wochen des Wahlkampfs gab es in den Medien und den etablierten Parteien mehr und mehr besorgte Stimmen zu den häufigen Pfeifkonzerten und anderen Protesten bei Wahlkampfveranstaltungen von Angela Merkel. Dies gilt als Zeichen der Verrohung und eines wachsenden Mangels an demokratischer Gesinnung. Marietta Slomka befragte dazu im ZDF den Bielefelder Radikalismusforscher Prof. Zick, der wunschgemäß das Phänomen zu einem vorwiegend rechten Problem erklärte. Bundesjustizminister Maas stellte gar einen Zusammenhang mit einem Vordringen des Rechtsradikalismus her.
Nur in Nebensätzen wurde erwähnt, dass die AfD im Wahlkampf fortlaufend massive Gewalttaten gegen ihre Geschäftsstellen erfährt und die meisten ihrer Plakate gewaltsam entfernt werden, von den Ereignissen am Rand ihrer Wahlkampfveranstaltungen ganz zu schweigen.Tatsächlich ist es so, dass die öffentliche Gewalt gegen Andersdenkende in Nachkriegsdeutschland ein Ergebnis der 68er-Bewegung ist und sich insbesondere in der linksautonomen Szene verselbständigt hat, begleitet von augenzwinkerndem Verständnis und klammheimlicher Schadenfreude im linksliberalen Milieu.
Die Empörung von rechts blieb im gegenwärtigen Wahlkampf und in der gesamten Pegida-Bewegung weit unterhalb dieser Schwelle. Tatsächlich muss die Dresdner Polizei seit 2014 weit überwiegend Pegida-Demonstranten vor Linksautonomen beschützen und nicht umgekehrt. Angela Merkel stellte bereits 2014 in ihrer Weihnachtsansprache Pegida-Demonstranten pauschal als Feinde der Demokratie dar. Und sie stand schon 2010 an der Spitze der medialen Diffamierungskampagne gegen mein Buch Deutschland schafft sich ab, die auch mich als Person betraf.
Wer jammert, macht sich schwach
Seit sieben Jahren habe ich bei meinen öffentlichen Auftritten als Autor Erlebnisse, die alle Erfahrungen, welche Angela Merkel gegenwärtig macht, weit in den Schatten stellen. Ich habe darüber nie öffentlich geklagt, denn wer jammert, macht sich schwach und bestätigt seine Feinde in ihrem Tun. Aber bei dieser Gelegenheit sei es doch einmal gesagt: Von der Eifel bis Wismar habe ich kleine Buchhandlungen erlebt, die durch ganze Hundertschaften von Polizisten geschützt werden mussten, weil sie mich eingeladen hatten.
Vor wenigen Monaten wurde in Düsseldorf eine kleine Weinhandlung vollständig "entglast", als ihre Einladung an mich bekannt wurde. Meine beiden Lesungen dort mussten durch massiven Polizeieinsatz geschützt werden. An der TU Berlin sagte der Präsident Jörg Steinbach einen Auftritt von mir in einer Vorlesung ab, weil er nach Drohungen linker Studenten um die öffentliche Ordnung fürchtete. Als ich dies in einem Schreiben an ihn als Eingriff in die Meinungsfreiheit kritisierte, antwortete er, ich sollte nicht so empfindlich sein.
Generell wurden Veranstaltungsorte vor allem in Universitätsstädten schon im Vorfeld massiv beschmiert, wenn sie mich eingeladen hatten, Veranstalter wurden und werden eingeschüchtert. Im Berliner Ensemble sprengten die Linksautonomen 2014 ausgerechnet eine Veranstaltung über mein Buch Der Neue Tugendterror. Die Theaterleitung weigerte sich, als Hausherr die Polizei zur rufen, das widersprach ihrem Selbstverständnis.
Eine besondere Empörung in den Medien über den Umgang mit meinen öffentlichen Auftritten habe ich nie verspürt. Als eine Gruppe linksautonomer Schwuler 2014 die gesamte Fassade meines Wohnhauses lila besprüht hatte, titelte der Berliner Tagesspiegel lapidar "Rosa Kleid für Sarrazin Haus". Kein Wort der Kritik oder Distanzierung. Aber jetzt, wenn Pfeifkonzerte und Sprechchöre einen unschönen Hintergrund zu den Wahlkampfauftritten der Bundeskanzlerin bilden, wittert man gleich eine Gefahr für die Demokratie.
Hier wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen.