Roger Letsch / 12.05.2021 / 15:00 / Foto: Pixabay / 24 / Seite ausdrucken

„Zwangsräumungen“ – Mythos und Wirklichkeit

Die sogenannten „Zwangsräumungen durch jüdische Siedlerorganisationen“ in Jerusalem (das Framing der Deutschen Welle ist mal wieder erste Sahne), die vorgeblich Auslöser der von der Hamas gesteuerten Ausschreitungen sein sollen, klingen für besorgte und indoktrinierte deutsche Ohren, als zöge man unschuldigen Bewohnern die Wohnung unter den Füßen weg. Das ist natürlich völliger Blödsinn. In Israel gibt es im Grunde drei Arten dieser Räumungen. Die erste und häufigste ist die, die zwar laut beklagt wird, aber nie stattfindet. Man findet allerorten palästinensische „Vertriebene“, die aber bruchlos zugeben, Häuser in Jerusalem, Jaffa und Akko zu besitzen. Die Anzahl der Häuser in Jerusalem, die seit 1948 tatsächlich geräumt wurden, ist geradezu lächerlich klein. Tuvia Tenenbom stieß bei den Recherchen für sein Buch „Allein unter Juden“ nur auf etwa ein Dutzend Fälle. Und ob diese Räumungen zu unrecht erfolgten, ist wohl eine Frage des Blickwinkels.

Die zweite Form ist eine, die in Deutschland fast unbekannt und einem gewissen arabischen Schlendrian bzw. dem Drang geschuldet sind, sich einen feuchten Kehricht um israelische Gesetze und Verordnungen zu scheren. Ich war 2019 durch Zufall in einem Viertel in Ost-Jerusalem unterwegs, dessen Straßen so eng und steil und dessen Kurven so unübersichtlich, unbeleuchtet und kreuzgefährlich waren, dass ich schon dachte, das Auto stehenlassen zu müssen, weil ich kaum wagte, weiterzufahren und auch nicht wenden konnte. Die Anspannung und das Gefühl, jeden Moment festsitzen zu können, geboten mir sogar, das Fotografieren lieber bleiben zu lassen – und das will schon etwas heißen. Die nette Vermieterin unserer Ferienwohnung erklärte mir später abwinkend die Zusammenhänge.

In vielen arabischen Vierteln Jerusalems wird gebaut, angebaut, abgerissen und erweitert, wie es gerade passt. Genehmigungen holt man sich nicht oder ignoriert die Ablehnungsbescheide. Statiker, Architekten und Stadtplaner sind unbekannt. Manchmal ist eine Straße im Weg, die dann kurzerhand verlegt oder einfach abgerissen wird. Die Autos quälen sich dann über buckelige, staubige Erde oder gleich über zurückgelassenen Bauschutt und Reste verbrannten Mülls. Die Behörden drohen und mahnen, es nützt nur nichts. Nach Jahren, manchmal auch erst nach Jahrzehnten der Taubheit gegenüber den israelischen Gesetzen und der Bürokratie sind die Umstände dann oftmals so schlimm, dass eingegriffen werden muss – nicht ohne dass sich vorher Gerichte ausgiebig damit geplagt und die Einsprüche von zahlreichen pro-palästinensischen NGOs und deren Anwälten abgearbeitet wurden. Spätestens wenn dann die Bagger anrücken, um eine Straße wieder passierbar zu machen und lebensgefährliche „Anbauten“ abzureißen, sind garantiert auch jede Menge Kameras, Presseleute und NGO-Aktivisten vor Ort, damit ja keine Palästinenserträne ungenutzt im Staub versickert.

Die deutsche Presse stimmt das übliche Zeter und Mordio an

Gerade haben wir es aber mit der dritten Art der „Zwangsräumungen“ zu tun und auch hier ist wieder deutsches Framing in der Berichterstattung am Werk. Man stelle sich vor: Die Welt funktioniert nicht überall so, wie Deutschland (noch) organisiert ist. Kein zentrales, allgültiges Kataster, das bei uns über Jahrhunderte zurückreicht. Stattdessen Ansprüche, Einflüsse und Rechtsquellen aus der Zeit des englischen Völkerbund-Mandats, des osmanischen Reiches, der jordanischen Besatzung und des israelischen Staates. Die fraglichen Häuser waren bis zur jordanischen Eroberung Jerusalems im Besitz jüdischer Familien, die Kaufverträge existieren und die Bestrebung, die von Jordanien kurzerhand enteigneten Häuser (das jüdische Viertel in der Altstadt von Jerusalem machte man kurzerhand gleich ganz platt) zurückzubekommen, liefen seit vielen Jahren vor vielen Gerichten mit vielen Einsprüchen. Doch letztinstanzlich wurde eben verfügt, dass die Rückgabe zu erfolgen hat. Das Angebot an die dort lebenden Araber, weiter dort zu wohnen aber fortan Miete zu zahlen, wurde abgelehnt. Stattdessen fliegen nun Steine, werden Juden aus Autos gezogen und fast gelyncht und schreit die deutsche Presse mal wieder Zeter und Mordio, weil Israel sich den Raketenbeschuss der Hamas aus dem Gaza-Streifen nicht einfach gefallen lässt.

Rein rechtlich handelt es sich bei der Räumung dieser Häuser um nichts anderes als das, was wir bei der Räumung der Hausbesetzer von „Rigaer 94“ in Berlin erleben durften – nur weniger queer-feministisch, dafür religiös fundamentalistischer. Mit dem kleinen Unterschied, dass in der „Haaretz“ oder der „Jerusalem Post“ nicht empörte Moralapostel den Stab über dem „Unrechtsstaat Deutschland“ brachen. Es gibt in Israel offenbar einen großen Mangel an Deutschlandexperten und Deutschlandkritikern!

Statt sich aufzuplustern und den antrainierten antiisraelischen Reflexen zu folgen, sollte Deutschland lieber erwägen, endlich die Finanzierung von Hamas und Fatah zu beenden. Alles Jammern über mangelnde Impfstoffe in Gaza und dem sogenannten Westjordanland kann die Tatsache nicht verdecken, dass man dort zwar nicht in der Lage ist, die eigene Bevölkerung gesundheitlich zu versorgen, das Geld aber reicht, um jeden Tag mehr als 250 Raketen auf das Land abzufeuern, von dem man diese bedingungslose Impfsolidarität erwartet.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt

Foto: Pixabay

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Harald Unger / 12.05.2021

Danke, Roger Letsch, für dieses extrem seltene Erlebnis, in einer deutschsprachigen Publikation zu lesen, was sich tatsächlich abspielt. Hier im Gebiet sollten wir uns schon mal langsam an die selbst erteilte Baugenehmigung auf Zuruf gewöhnen. Und das kreative Kataster des Stärkeren. Denn nichts anderes als Faustrecht ist es, was die Araber in Jerusalem oder Judäa und Samaria praktizieren.

S. Marek / 12.05.2021

MEMRI ( The Middle East Media Research Institute ) vom 12.Mai 2021:  Palästinensischer Islamischer Dschihad Offizieller Ramez Al-Halabi: Die Raketen, die wir benutzen, um Tel Aviv zu zerstören, unsere Waffen, unser Geld und unser Essen werden vom Iran geliefert   —-  Palestinian Islamic Jihad Official Ramez Al-Halabi: The Rockets We Use To Pound Tel Aviv, Our Weapons, Our Money, And Our Food Are Provided By Iran   —-    @ Dr Stefan Lehnhoff, tja, PM Netanyahu hat auch nach meiner Meinung die mögliche “Impf”-Wirkung mißverstanden und sich in seinem Bestreben das Volk Israels vor der Vernichtung zu Schützen irgendwie verrannt. Ob dabei auch ein politischer Aspekt, die nächsten Wahlen zu gewinnen, dabei war vermag ich nicht einzuschätzen und hoffe für Ihm, daß es keine Rolle spielte.  Das Theater um die Gefährlichkeit des CCP ( China Communist Party ) Virus, daß die Chinesen ab Ende Januar 2020 der Welt vorgespielt haben war ziemlich dramatisch und überzeugend.

Ulla Schneider / 12.05.2021

Vielen Dank für die Aufklärung. Ich wanderte bei Herrn Perrefort auf einem link und ” verirrte” mich auf weiterführende tweets : u.a. “....seit Jahrhunderten leben dort die Palästinenser….” etc.  pp.—- Mein Gedanke: “Was? Die gabs da noch gar nicht”. Ich konnte nicht weiterlesen. Das ist der Geschichtsunterricht, rauf und runter, seit 50 Jahren. Die Bücher sind im Inhalt die gleichen geblieben. Was um alles in der Welt ist mit und in diesen Schulbuchverlagen los??  Sitzen da nur arbeitslose Lehrer?

Gerhard Schmidt / 12.05.2021

Ich war fünf, als ich in den Nachrichten sah, wie “Palästinenser” den toten Flugkapitän Schumann wie einen Sack Abfall aus der “Landshut” warfen. Seitdem habe ich für dieses Geschmeiß nur Verachtung übrig, die für den Rest meines Lebens locker genügen wird.

Johannes Hoffmann / 12.05.2021

H. Milde:? Wer das zahlt? Sie….....

giesemann gerhard / 12.05.2021

Danke für die Klarstellung.

Hans Reinhardt / 12.05.2021

Solange nur “das Judenblut vom Messer spritzt” ist beim ÖR in Deutschland die Welt in Ordnung. Zu dumm aber auch, dass ausgerechnet die Israelis die einzige Demokratie im Nahen Osten errichtet haben. Und dann auch noch verteidigen! Das wird man ihnen nie verzeihen. Hat Maas schon eine Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates gefordert? Oder einen Soli für die armen Palästinenser? Irgendjemand muss die Raketen ja bezahlen, die auf Israel abgefeuert werden. Und wir mit unserer Vergangenheit können uns da nicht aus der Verantwortung stehlen.

P. Wedder / 12.05.2021

Habe gerade heute einer Bekannten erklärt, dass Deutschland den Terror gegenüber Israel mitfinanziert, ihr etwas über die Märtyrer-Renten von palästinensischer Seite erzählt, dann eine kurze Abschweifung darüber, dass es kein gegenseitiger Krieg ist, sondern Israel gerade dauerbeschossen wird und aufgerufen wurde Israelis in Jerusalem den Kopf abzuschneiden. Auch, dass Israel anderen Religionen gegenüber tolerant ist, Frauen gleichberechtigt sind und auch Palästinenser den gleichen Lohn erhalten wie Israelis, außerdem auch noch eine Demokratie ist, musste ich (zur Beruhigung meines Gemütszustands) noch unterbringen.  Als ich von dem zunehmend tolerierteren Antisemitismus auf den jährlichen Al Quds Demos redete, wurde sie nachdenklich. Und das alles nur, weil meine Bekannte anfangs der Meinung war, dass man diese arabischen Clans (Palästinenser und Israelis) ignorieren sollte, dann würde der Terror schon nicht nach Deutschland kommen. Erschreckend fand ich hier, dass es sich um eine intelligente, studierte Frau Ende 30 handelt, die sonst mit beiden Beinen ganz pragmatisch auf dem Boden der Realität verankert ist.

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