Es weihnachtet. Für viele Menschen die Zeit, in kleinen, gemütlichen, inhabergeführten Buchhandlungen nach Geschenken zu stöbern. Hier ein paar Gründe, warum man manche Läden unbedingt meiden sollte.
Wie es sich gehörte, war ich als junger Kinogänger öfters fernverliebt. Zum Beispiel in Natalie Wood, Christine Kaufmann, Karin Dor. Am längsten in Ingrid Bergman. Davon ist bis heute was geblieben. Neulich sah ich eine Bilderbiografie über die schwedische Naturschöne im Schaufenster einer Buchhandlung am Hamburger Rathausmarkt. Herrliches Cover, das Ganze dick wie ein Ziegelstein und nicht teuer. Für 19,80 Euro kriegt man höchstens ein ödes Adler-Olsen-Paperback.
Ich hätte in den Laden gehen und den zweieinhalb Kilo schweren Bergman-Wälzer gleich mitnehmen können. Doch was ich im Schaufenster sonst noch erblickte, war von abstoßender Konformität.
Alles, aber auch alles war da auf Frau gequält, wie Journalisten über die Machart von Frauenzeitschriften zu witzeln pflegen. Beziehungsweise auf queer geeicht. Der Frauen Atlas, Das Patriarchat der Dinge, Me and white Supremacy, 75 Heldinnen der Literatur, Geständnisse einer Teilzeit-Feministin, Feminism is for everyone, Female Choice, Schwules und lesbisches Leben in der Bundesrepublik, Caroline Kekebus, Warum Männer Frauen töten – das volle Programm.
Vier der ausgestellten Bücher stammten aus der Produktion einer Schwedin mit Namen Liv Strömquist. Die womöglich unkomischste Comiczeichnerin, welche die lesbisch-schwule Szene hervorgebracht hat, für Fans von Ralf König und dem frühen Walter Moers eine peinliche Zumutung.
Und dann, groß und prominent am Ladeneingang plakatiert, ein Joint Venture von Barack Obama und Bruce Springsteen. Ebony & Ivory im Rentnerpack. Ikonen des besseren Amerika, so to say.
Ein paar Straßen weiter sah es genauso aus, nur noch penetranter. Dort waren die Fenster eines Buchladens entweder auf Klimapanik (Die Grüne Null, Wege aus der Klimakrise, Noch haben wir die Wahl, Klimawandel – ein Appell, Die Klimaschmutzlobby, Gretas Weg) oder auf die Verbrechen des Kapitalismus (Lobbyland, Das Ende der Gier, Das Ende des Kapitalismus, Die Cum-Ex-Files) getrimmt.
Gängige Gassenhauer der Wokeness
Weitere Auslagen enthielten jede Menge Drittes Reich, das Scheitern des Westens, die fiesen Machenschaften der Amerikaner seit 1945 sowie eine von manchen Leuten dringend ersehnte „Rückbesinnung auf linke Ideale“. Wieder andere Bücher priesen die Weisheit der Pflanzen und die Vorzüge der Umsiedelung aufs Land (Wege aus Klimakrise, Monokultur und Konsumzwang).
Kurz, die gängigen Gassenhauer der Wokeness waren da wie in einer Hitparade versammelt. In ähnlichen Läden sah es ähnlich aus. Meiner Schätzung nach 80 Prozent der ausgestellten Bücher waren offenbar für Leute bestimmt, die ohne Unterlass einen inneren Kirchentag leben. Wie viele mögen das sein? Ist das wirklich die Kernkundschaft der Buchhandlungen? Liegt es daran, dass viele Bücher von Frauen gekauft werden und viele der Verkäufer Frauen sind?
Ich selber habe die kleinen, woddeligen, inhabergeführten Buchläden lange gemocht. Vielleicht lag es an frühen Erfahrungen mit, nun ja, Zensur. Das kam so: Nachdem unsere Schülerzeitschrift wegen unbotmäßiger und unzüchtiger Artikel am Gymnasium verboten worden war, führten wir sie als „jugendeigene Zeitschrift“ fort, im modernen Offset-Druckverfahren und mit einem von der hippen Twen geklauten Layout. Motor des Projekts war ein cleverer Bursche namens Stefan Aust.
Die Lehrerschaft war nicht amüsiert. Auch der stets mit irgendwelchen Obrigkeiten verbandelte Chefredakteur des Stader Tageblatts pestete uns ordentlich an. Aber die zwei Buchhandlungen der Kleinstadt, Bacheratz und Schaumburg, hielten uns die Stange. Ohne ihre Vertriebshilfe hätten wir die aufmüpfige Jugendgazette nicht finanzieren können. Vielleicht stammt aus jenen Jahren mein positives Vorurteil, das belesene Personal von Buchläden sei latent antiautoritär, rebellisch, antizeitgeistmäßig gestrickt.
Oder lag es an Howard Hawks? In dessen Verfilmung von Raymond Chandlers Noir-Krimi „Tote schlafen fest“ gibt es eine Szene in einer Buchhandlung. Humphrey Bogart sagt der etwas streng aufgemachten Buchhändlerin beiläufig, er habe ein Fläschchen Whisky in der Tasche seines Trench. Worauf die junge Frau das Rollo der Eingangstür mit einer unnachahmlichen Bewegung runterlässt. Dann nimmt sie auch noch die Brille ab und die Klammern aus dem Haar – more sexy als das meiste, was Marilyn Monroe je gestemmt hat.
Das Verschwinden ist kein großer Verlust mehr
Kein Wunder, dass mich Buchhandlungen faszinierten. Habe ich sie denn auch mal als Erotikum in einen Regionalkrimi eingebaut.
Und wie ich solche Läden mochte. Heute denke ich, ihr Verschwinden wäre kein großer Verlust. Viele von ihnen haben sich längst der woken Kulturguerilla angeschlossen. Das Schaufenster einer Buchhandlung ist ja eine Botschaft. Die lautet: Das Ausgestellte solltet ihr unbedingt lesen, liebe Kunden. Wenn die Empfehlungen kleiner oder mittelgroßer Buchläden mittlerweile einen kapitalen Drall ins Grünrotidentitäre bekommen haben, dann darf man annehmen, dass ein Sarrazin-Interessent dort nicht gerade willkommen ist.
Kleiner Tipp: Wer eine(r) Buchhändler(in) den Tag versauen möchte, der frage nach Werken von Akif Pirinçci. Womöglich setzt es Hausverbot! Der rappende Blogger, Islambasher und Verfasser schön sonderbarer Romane wie „Die Tür“ oder „Odette“ darf für sich beanspruchen, der geächtetste aller deutschen Autoren zu sein. „Mein Kampf“ ist mittlerweile als kommentierte Ausgabe frei erhältlich. Doch selbst die einstmals hoch gerühmten, teils verfilmten, vollkommen unpolitischen Katzenkrimis von Pirinçci sind nicht mehr zu kriegen. Außer natürlich bei Amazon.
Und wie sieht es aus bei Thalia, Hugendubel und Co.? In den elenden Supermärkten wird zwar nicht gut bedient, aber auch nicht indoktriniert. Vom Eingang der Filiale in Hamburgs Spitalerstraße sieht man schon die Spiegel-Bestseller. Und wenn das Magazin seine Liste nicht gerade mal wieder von schlimmen Fingern gesäubert hat, erhält man wenigstens einen schnellen Überblick, was viele Leute momentan so lesen. „Gretas Weg“ eher nicht.
Von vielen, zu vielen der kleinen Läden hat ein Buch, das nicht in den von Staatsfunk, Spiegel, Zeit, SZ et al. planierten Meinungskorridor passt, wenig Unterstützung zu erwarten. Bestenfalls wird es in der Auslage zusammen mit einer Phalanx von Gegenschriftgut ausgestellt, wie ein Sarrazin aus dem Jahre 2018. Eine politisch-korrekte Einkreisung, die einem Welt-Redakteur offenkundig gefiel.
Schlechtenfalls wird eine geplante Buchvorstellung abgesagt, weil der Buchhändler mit Entsetzen feststellen musste, dass der Autor Alexander Wendt tatsächlich die „Erklärung 2017“ unterschrieben hatte. Dazwischen liegt eine hübsche Bandbreite von Verschüchtert- und Verdruckstheiten. Einige kommen sehr ulkig zur Aufführung.
So war es im Fall der Münchener Traditionbuchhandlung Lehmkuhl nicht das Geschäft, sondern eine dort zur Lesung Angesagte, die den Termin brüsk cancelte. Begründung: Lehmkuhl verkaufe auch Bücher rechter Autoren, etwa solche aus dem Antaios-Verlag von Götz Kubitschek. Dieser Einwand kam ausgerechnet von der linksradikalen Feminista und Spiegel-Kolumnistin Margaret Stokowski („Antifa bleibt Handarbeit“). Was ungefähr so klang, als beschwerte sich ein Einbrecher, dass die von ihm erbeuteten Lacoste-Hemden gefälscht seien.
Es kommt auf den einzelnen Laden an
Interessanter als die Absage der Lesung war die Reaktion des Buchhändlers. Nicht etwa zeigte er Lady Gendergaga symbolisch den Mittelfinger, verbunden mit dem Versprechen, sie nie wieder in seinen erlesenen Schwabinger Bookstore einzuladen. Stattdessen ein Kotau. Ach, leider sei die intellektuelle Rechte so verdammt schlau geworden, man müsse sie studieren, um sie besser bekämpfen zu können.
Er habe die Bücher, erklärte er beflissen, in einem Regal mit der Aufschrift „Neue Rechte, altes Denken“ verwahrt. Praktisch wie teuflische Waffen, die man genau anschauen muss, wenn man es mit dem alt bösen Feind aufnehmen will. Kein Wort darüber, dass man natürlich jedes Buch, das sich einer gewissen Nachfrage erfreut und keine gesetzlich verbotenen Inhalte transportiert, zum Kauf bereithalten darf; egal, was deutsche Taliban dazu meinen. Dieses Geschwurbel aus dem Mund des Geschäftsführers einer – nach seiner Aussage „linksliberalen“ – Buchhandlung unwürdig zu nennen, wäre höflich formuliert.
Und ja, ein Buchladen darf sogar Zeugs verkaufen, das von Gossengeschöpfen in die Tastatur gekloppt wurde. Etwa von Gestalten wie Hengameh Yaghoobifarah, die ein zivilisierter Mensch nicht mit der Kneifzange anfassen würde und deren Hassauswürfe selbst Taz-Leser reihenweise auf die Palme schicken.
Fairnesshalber bleibt festzuhalten: Es kommt immer auf den einzelnen Buchladen an. Gibt auch ein paar, die nicht auf Vordermann stehen. Man erkennt sie leicht an dem, was sie im Fenster präsentieren. Kaum anzunehmen übrigens, dass das Buchhaus Loschwitz von Susanne Dagen in Dresden – buchhandlungspreisgekröntes, konservatives Pendant zu Lehmkuhl – ein Problem damit hätte, auch mal Autoren mit toxischer Gesinnung lesen zu lassen. Eine Stokowski wäre dort wie ein Kalb mit drei Köpfen, volle Reihen garantiert.
Doch in der Regel hat der kleine, angeblich kulturell unentbehrliche und vermeintlich schützenswerte Buchladen an der Ecke (es gibt davon vielleicht noch 4.500, Tendenz kontinuierlich fallend) fest ans kulturelle Hauptstromkabel angedockt. Klima-, Gender-, #metoo-, Antifa- und Antira-Erzeugnisse – alles, was gerade vom Mainstream gehypt wird, kriegt hier Support. Die meisten dieser Läden sind nicht viel mehr als Resonanzböden für tonangebende Feuilletons oder TV-Bücheronkels wie Denis Scheck.
Mit den Schafen blöken
Wetten, dass? Würde sich die „Erklärung der Vielen“, ein Hegemoniemanifest subventionskultureller Einrichtungen, nicht auf Theater, Museen, Konzerthäuser, Kunsthochschulen etc. beschränkt haben – sehr viele Buchläden hätten dabei mitgemacht. Mit den Schafen blöken, mit den Hühnern gackern, das ist im gegenwärtigen Kulturbetrieb so selbstverständlich wie in der Preußischen Akademie der Künste ab Februar 1933. Auch damals wurden die Vielen ruckartig aktiv.
Um auf das Ingrid Bergman-Buch zurückzukommen: habe ich mir von Amazon schicken lassen. Ein alter weißer Mann hat in bestimmten Läden nichts mehr zu suchen.