Der ‘innere Kirchentag’ isses - schnell aufgegossen. Wasser muss nicht mal kochen. Der Aufguss ist rückstandslos wie Nescafe. Wer ihn ziehen lässt, trinkt kalten Kaffee. Fast Fashion zum Wegschütten. ‘Frauenladen’ gabs in München schon vor 50 Jahren Da ging mann rein wie eine Frau ins Puff - fehl am Platz, wenn nicht beruflich. Im 2001 gabs wenigstens Linda Ronstadt für 3 DM. Dafür gabs kein halbes Kursbuch. Heute ist Hans Magnus auch klüger und ruhet bald auch. Zurück auf Los, wie Hesse Buddha kolportiert.
Das Thema hatte ich hier, im einzigen Buchladen meiner Kleinstadt, vor ein paar Monaten auch. In der Auslage der aktuellen Politbücher: Prantl und Co., auch die 110%-igen wie Böhmermann. Obwohl, oder eigentlich weil, ich die Antwort schon ahnte, frage ich die Buchhändlerin, warum der neue Sarrazin (Staat an seinen Grenzen) nicht auch in der Auslage sei. Sie erwidert, dieses Buch komme ihr nicht in den Laden. Ich sage, die Fakten in dem Buch seien korrekt, die Vorwürfe gegen Sarrazin ungerecht. Sie darauf, sie wolle das Buch nicht unterstützen, das mache sie in ihrem Buchladen eben so. Sie zog sich also auf ihre unternehmerische Freiheit zurück. Die passende Erwiderung darauf fiel mir leider erst hinterher ein: Die Buchpreisbindung fördert Buchhandlungen weil sie “wichtige Orte [...] des gesellschaftlichen Austauschs sind” (Zitat Börsenverein). Diesen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen solche Buchhändler aber nicht. Stattdessen erschaffen sie Filterblasen, gerade so wie die bösen Algorithmen von Facebook. Ich frage mich immer noch, ob diese Erwiderung in einem linken Verstand irgendeinen Erkenntnisprozess in Gang gebracht hätte. Schließlich sagt sie mir noch, sei aber bereit es für mich zu bestellen, denn sonst wäre das ja Zensur. Und dazu lächelt Michelle Obamas Buchcover von nicht weniger als drei Ecken aus in den Raum. Ich auf der anderen Seite nutze nun meine Konsumentenfreiheit, und kaufe meine Bücher inzwischen sehr komfortabel online bei einem großen Münchner Buchhandel, wo ich von Ideologie verschont bleibe. The road to hell is paved with good intentions.
@Lieber L. Bauer, vielen herzlichen Dank für den Hinweis auf diese Buchhandlung (die mir schon seit geraumer Zeit ein Begriff ist) und ihr Umfeld. Dass diese mutige Frau auch Fremdenzimmer bereitstellt, war mir bislang unbekannt. Dresden - ich komme! - Frage am Rande: Wo ist in dieser üblen Zeit die Stimme von dem einstigen Startrompeter Ludwig Güttler, der um den Wiederaufbau der Frauenkiche große Verdienste geleistet hat? Stumm geworden - wie all die DDR- Künstler, die weitreichende Freiheiten hatten - und sich dann auch noch dem Publikum gegenüber arrogant verhalten haben. (L. Güttler ist für mich ein Musterbeispiel an Arroganz).
@L.Bauer… die Ecke um das „ Buchhaus Loschwitz“ ist wirklich ein magischer Ort. Ich habe es als Wessi tagsüber bei einer „ Rundfahrt“ nur kurz gesehen und wollte abends unbedingt wieder dort hin. Es war eine ganz wunderbare Atmosphäre, hat jetzt einen Lieblingsplatz in meinem Herzen. Vor einigen Monaten haben wir bei Susanne Dagen auch Bücher bestellt….die wurden quer durch Deutschland per Post geschickt.. Hoffentlich darf ich diesen herrlichen Ort noch einmal besuchen, aber ohne Delta-Omikron. Nachtrag: Lieber Herr Röhl, mir ergeht es wie Ihnen: der Spaß, eine klug bestückte Buchhandlung zu finden, ist leider vorbei.
@Archi W Bechlenberg - Auf der von Ihnen angeregten Reise durch Youtube bin ich auf ein recht frisches Interview mit John Cleese gestoßen. (“John Cleese talks creativity, freedom of speech and blacklisting himself from Cambridge University”) Darin zitiert er einen Robin Skinner mit diesen Worten: “When you can’t control your own emotions, you have to start controlling other people’s behavior.” Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nur Leute, die ihre eigenen Emotionen kontrollieren können, nicht darauf angewiesen sind, ständig Ansprüche an das Verhalten Anderer zu stellen. Er redet über die momentan alles beherrschenden “Woken”. “Woke” sind schlicht nicht in der Lage, ihre eigenen Emotionen zu kontrollieren und wollen deshalb den Rest der Welt dazu zwingen, sich ihren Defiziten anzupassen. Das war mir einfach noch einen Kommentar wert, auch wenn es nicht direkt zum Thema passt.
Franz Klar: Sie meinen mit Ihren Sätzen sicher den Kommentar von Günter Schaumburg. Da Sie nicht in der DDR gelebt haben, können Sie auch kein Urteil über dieselbe abgeben. Doch eines sollte kritischen Bürgern eigen sein, nämlich der Wahrheit die Treue zu halten. Ich habe nicht den Ausreiseantrag gestellt und neben 6 Jahren Wartezeit eine Menge Leid über mich und meine Familie ergehen lassen müssen, um volle Regale zu bestaunen, jedes Jahr mehrmals Urlaub zu machen und immer Haribo in der Hosentasche zu haben. Wir hatten oft Westbesuch, die erstaunt waren über das, was sie sahen. Sie gestanden uns, daß sie glaubten, wir führten ein Leben in Armut. Zwar gab es selten Bananen, Orangen und Dinge, die wir nicht kannten, dafür gab es Zusammenhalt und Solidarität. Das heißt nicht, daß ich die DDR lobpreise, aber ich wäre ein schlechter Dissident (bin es noch immer), wenn ich mich nicht der Wahrheit verpflichtet fühlte.
Da Sie ja Lehmkuhl als typisches Negativbeispiel erwähnten, was empfehlen Sie in München? Die Redaktion hat a meine Email und ich lösche auf Wunsch Ihre- Ehrenwort!
In Buchhandlungen muss man Schmökern und Stöbern können. Mein Mann und ich haben uns mal vor Jahren in Braunschweig vor einem Regenguss in eine Buchhandlung geflüchtet. Es war 13 Uhr. Wir haben den Laden “abgeschlossen” wie man so schön sagt.
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