Gerd Buurmann / 25.10.2022 / 06:00 / Foto: Xaver X. Dreißig / 176 / Seite ausdrucken

Wohin, FDP?

Kaum ist die FDP in einer Koalition, reicht sie ihren Koalitionspartnern die Waffe des Staates, statt den Liberalismus zu verteidigen. Warum bloß vergisst die FDP ihre eigenen Werte immer, sobald sie an der Macht ist?

Ich bin Mitglied der FDP. Vor zehn Jahren habe ich bereits einmal erlebt, was mit der FDP passiert, wenn den Bundestagsabgeordneten der Partei die Posten in der Regierung lieber sind als der liberale Geist. Dann fliegt die FDP komplett aus dem Bundestag. Heute erlebe ich diesen Verrat am Liberalismus erneut.

Ich bin ein Anhänger der Philosophie der Freiheit. Ich verstehe den Liberalismus als eine Bewegung, die für die größtmögliche Freiheit des Individuums streitet. Ich bin fest davon überzeugt, dass die individuelle Freiheit eng verbunden ist mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Individuelle Freiheit und Verantwortung sind sogar untrennbar. Liberalismus ist Freiheit aus Verantwortung, anstatt Freiheit von Verantwortung. Freiheit ist nicht Egoismus. Freiheit ist Verantwortung.

Diese Philosophie sehe ich im Jahr 2022 von der FDP verraten. Ich zitiere daher einfach mal vier wesentliche Grundsätze des Liberalismus, die von der regierenden FDP gerade bitter vernachlässigt werden. Die folgenden Zitate stehen in den Wiesbadener Grundsätzen. Sie sind das eigentliche Programm der Freien Demokratischen Partei und wurden auf dem 48. Ordentlichen Bundesparteitag der FDP in Wiesbaden am 24. Mai 1997 beschlossen.

„Solidarität ist zur staatlichen Dienstleistung verkommen“

„Für Liberale verläuft die politische Grenze nicht zwischen rechts und links, sondern zwischen freiheitlich und autoritär.“

„Nicht der Staat gewährt den Bürgern Freiheit, sondern die Bürger gewähren dem Staat Einschränkungen ihrer Freiheit.“

„Liberale treten für mehr Freiheit für mehr Menschen ein und wissen, dass sie damit mehr Verantwortungsbereitschaft verlangen. Liberalismus vertraut auf den Willen und die Fähigkeit des Menschen, in eigener Verantwortung zu entscheiden und zu handeln. Für jeden Einzelnen gibt es Situationen, in denen er auf Hilfe angewiesen ist. Die Hilfe zur Selbsthilfe greift in die eigene Freiheit und Verantwortung am wenigsten ein. Sie ist daher die menschlichste und menschenwürdigste Form der Hilfe. Liberale setzen auf den mündigen Bürger, nicht auf den Vormundschaftsstaat mit Rundumbetreuung. Liberale muten den Bürgern mehr zu, weil sie ihnen mehr zutrauen.“

„In Deutschland hat sich die Politik immer mehr daran orientiert, was bei den Betroffenen gut ankommt, was gefällt. Sie hat sich zur Gefälligkeitspolitik entwickelt, bei der es nicht mehr darauf ankommt, ob eine Entscheidung gut oder schlecht ist, sondern nur noch darauf, ob sie ankommt oder nicht. Die Gefälligkeitspolitik, die allen alles verspricht, ist unfinanzierbar und kann daher nicht halten, was sie verspricht. Mittlerweile hat sich in Deutschland die Illusion verbreitet, der Einzelne besitze die persönliche Freiheit, und der Staat trage die Verantwortung und könne Freiheit und Sicherheit in allen Lebenslagen garantieren, ohne dass die Menschen dafür selbst Verantwortung übernehmen müssen. Verantwortung wurde verstaatlicht. Solidarität ist zur staatlichen Dienstleistung verkommen.“

Das letzte Mittel jeder staatlichen Forderung ist die Gewalt

Kann man von der momentanen FDP wirklich sagen, dass sie sich daran hält?

Als liberaler Mensch bin ich mir der Waffe des Staates bewusst. Wenn ich ein freies Unternehmen nicht mag, muss ich dort nicht einsteigen. Wenn ich ein Produkt nicht mag, muss ich es nicht kaufen. An die Gesetze des Staates jedoch muss ich mich halten. Am logischen Ende jeder staatlichen Forderung befindet sich die Waffe.

Das letzte Mittel jeder staatlichen Forderung ist die Gewalt. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dieses Bewusstsein macht es nötig, die Waffe des Staates immer wieder zu hinterfragen, besonders in Zeiten, wo der Staat zur (vermeintlichen) Garantie der Sicherheit immer mehr Freiheitsrechte einschränkt.

Ich verstehe nicht, warum mir mit Waffengewalt vorgeschrieben wird, wann ich meinen Laden zu schließen habe, an welchen Tagen ich zu ruhen habe, welche religiöse Steuer ich zu entrichten habe, welchen Preis ich für meine Ware zu nehmen habe, was ich sagen darf und welche Fernsehsender ich zu finanzieren habe. Ich verstehe auch nicht, warum mir mit der Waffengewalt des Staates eingetrichtert werden muss, wie gefährlich der Coronavirus sein soll, wann und wo ich eine Maske zu tragen habe und ich mich impfen lassen soll. In all diesen Fällen plädiere ich für deutlich mehr staatlichen Pazifismus. Wir können in viel mehr Angelegenheiten auf die Gewalt des Staates verzichten.

Deutlich öfter auf die Freiheit des einzelnen Menschen vertrauen

Der Staat, das sind wir. Wir müssen uns jedoch nicht ständig von der Regierung mit Gewalt dazu zwingen lassen, gut zusammenzuleben. Wir können viel öfter darauf vertrauen, uns zu befähigen, miteinander bestmöglich auszukommen. Wir können deutlich öfter auf die Freiheit des einzelnen Menschen vertrauen als auf die Gewalt des Regierung. Wir können mehr Freiheit wagen.

Ja, liebe Grüne, wir müssen die Umwelt schützen, ja, liebe SPD, wir müssen dafür sorgen, dass mehr Wohnraum entsteht, ja, liebe Linke, wir müssen was gegen die Armut tun, ja, liebe AfD, es gibt zu allen Plänen auch immer eine Alternative, und ja, liebe CDU, wir müssen das alles schaffen, aber müssen wir wirklich immer gleich die Waffe des Staates ziehen?

Kaum ist die FDP in einer Koalition, reicht sie ihren Koalitionspartnern die Waffe des Staates, statt den Liberalismus zu verteidigen. Wir brauchen aber nicht noch mehr Verbote, und vor allem brauchen wir deutlich weniger staatliche Gewalt. 

Wir brauchen mehr Vertrauen in den einzelnen Menschen, in seine Kreativität, seinen Erfindergeist und in die Freiheit. Die meisten Verbote werden durch gute Erfindungen überflüssig. Der Mensch ist deutlich besser als sein Ruf. Warum bloß vergisst die FDP das immer, sobald sie an der Macht ist? 

Foto: By Xaver X. Dreißig, CC BY-SA 4.0, Link

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Sam Lowry / 25.10.2022

Sehr geehrter Herr Lindner, eine Frage: Warum beträgt die Grundschuld 1 Mio. mehr, als das Haus gekostet hat? Siehe auch BBBank…

Dr. Bernd Große-Lordemann / 25.10.2022

Nicht liberal? Die FDPler? Wer könnte wohl liberaler sein als z.B. unser aller Justizminister? Nun ja, das mit den Masken stört Sie , oder die Verschärfung des Volksverhetzungsschwammerl-Paragraphen sei nicht wirklich liberal? Es ist aber doch nur gut gemeint! Wir wissen ja alle von welcher Seite vor Gericht und auf hoher See die Gefahr droht, nicht wahr. Das grüne Licht an Steuerbord darf im besten Deutschland, das wir je hatten, nicht etwa freie Fahrt bedeuten! Er liebt uns eben alle, der Marco! Vielleicht noch nicht so intensiv wie die Nancy und früher der Erich, nein nicht Honni, der andere Erich, der Verehrer von Feliks Edmundowitsch ! Aber gemach, was nicht ist, kann ja noch werden!

D.Graue / 25.10.2022

Nach einem Jahr Ampel steht D kurz vor dem Kollaps. Das muss doch selbst Lindner und Co klar sein, dass diese Gurkentruppe das Ende der Legislatur nicht erleben wird oder dann die Schäden in Volkswirtschaft und Gesellschaft irreparabel sein werden. Die FDP hat nur eine verbliebene Option um zu überleben, diese unsägliche Regierung platzen lassen, aber die Zeit dafür läuft bald ab.

Rupert Drachtmann / 25.10.2022

Die FDP hat keine eigenen Werte.

Arne Ausländer / 25.10.2022

@H. Weller / Th. Weller: Man könnte noch zubilligen, daß Herr Weller das Ende des Mittelalters wohl um 1789 ansetzt - sonst wäre die genannte Auswanderung nach Amerika doch allzu phantastisch. Aber einmal ist die Datierung des Mittelaters auf die Zeit von 500-1500 weit besser begründet und sinnvoll, dazu nahm die Auswanderung nach Amerika erst im Laufe des 19.Jh. Massencharakter an, bis zur Mitte des 20. Jh. DAS als Mittelalter und Adelsherrschaft zu verstehen, wäre nun blanker Unsinn. Auch der in den Arbeitshäusern verkörperte brutale Anpassungszwang endete erst mit dem 1. Weltkrieg. Man lese in Thomas de Quincys “Bekenntnissen”, daß im 19.Jh. in England das Übernachten unter freiem Himmel verboten war, oder in Hesses “Knulp”, daß der Held dort freundliche Meister kannte, die ihm sein Wanderbüchlein als reisender Geselle in Ordnung hielten - denn sonst hätte eben das Arbeitshaus gedroht. Freilich konnte man sich auch durch Vorweisen von 10 Mark davor schützen (wohl so 200 Euro heute entsprechend), was angeblich manch ein Landstreicher als “Freiheitsversicherung” praktiziert hatte, trotz der Risiken, deshalb ausgeraubt zu werden, und im Kampf mit dem häufigen Hunger. Diese Verhältnisse der frühen Neuzeit, über Generationen hinweg, werden von manchen Sozialforschern als Grund weitverbreiteter tiefsitzender Ängste bei den Menschen gedeutet, Ängste, die von der Politik benutzt werden. Mir erscheint diese Sicht plausibel.

Sabine Schönfeld / 25.10.2022

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder FDP zu wählen und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Frei nach Einstein oder von wem immer das ursprüngliche Zitat stammt.

Lutz Liebezeit / 25.10.2022

FCK AFDP Die Sozialdemokratie schafft sich über Strohleute alle Konkurrenten vom Hals. Bin ich Patriot, oder bin ich kein Patriot? ist die entscheidende Frage. 90% der Migranten kommen aus wilden Diktaturen. Und die stellen mittlerweile 90% der Bevölkerung in Deutschland. Auf die Minderheitendiktatur folgt nun die ethnische Diktatur. Wenn’s um Xinjiang geht, haben die Sender keine patriotischen Beklemmungen, da sagt man, wie China vorgeht, nämlich mit einer Zuwanderung von Han-Chinesen. Die Uiguren werden so zur Minderheit im eigenen Land. Von dem Frieden, denn uns gewissen Parteien jahrzehnte vorgeträumt haben, ist nichts geblieben als Krieg, Terror und Despotie. Die neue Freiheit stellt überall Zäune auf, überzieht sie mit Nato-Draht und warnt, es würde alles mit Kameras überwacht. Praktisch werden wir auf Schritt und Tritt drangsaliert und kanalisiert. Da kommt man sich vor wie bei einem Viehtrieb. Was sind das für Zeiten? Oder?

Dieter Kief / 25.10.2022

Kleiner Tipp für die FDP - ein gericht in New York hat sämtliche Kündigungen wg. Covid-Impfstatus aufgehoben - und Entschädigungszahlungen an die Gekündigten verfügt. Na? FDP?!

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