Familienbande können ein materiell wie emotional abgesichertes Leben ermöglichen. Das Leben ist dann oft vorgezeichnet, bietet wenig Freiräume für eigenverantwortliche Entscheidungen. Diese werden vom Familienrat abgenommen. Positiv ist die absichernde Gemeinschaft, die unbedingte Solidarität seitens der Familienmitglieder. Dem persönlichen Werdegang, der persönlichen Entwicklung, der Bildung einer reifen Persönlichkeit, dem Erkenntnisgewinnung sind jedoch Grenzen gesetzt. Risiken werden vermieden. Der Einzelne stellt sich in den Dienst an der Gemeinschaft. In verschiedenen Religionen wird der Weggang und eine Ablösung von dieser Gemeinschaft verlangt, auch von Jesus oder von Buddha, als Voraussetzung für Selbst-oder Gotteserkenntnis. Es werden neue, familienunabhängige, selbst gewählte Verbindungen eingegangen. Im Islam ist das anders und auch die christlichen Kirchen haben das Evangelium nicht in diese Richtung interpretiert, sondern, im Gegenteil, singen ein Loblied auf die „heilige Familie“. Allerdings erlaubt die Kirche die Liebesheirat, welche vor Gott geschlossen wird und erlaubt somit eine Verbindung, die der Ursprungsfamilie übergeordnet wird. Der Islam scheint eine Unterordnung unter den Clan zu bevorzugen, die Entwicklungsmöglichkeit des Individuums werden hierdurch als von vornherein stark begrenzt angesehen, und sind, wenn überhaupt, nur innerhalb eines eng gesteckten Rahmens und immer nur im Sinne ihrer Nützlichkeit für die Gemeinschaft denkbar. Individuelle Entwicklung (Befreiung) wird nicht angestrebt. Auch eine individuelle Gottesbegegnung scheint nicht denkbar zu sein. Insofern lassen sich gar Parallelen zwischen Sozialismus und Islam erkennen. Und zwischen Christentum und Kapitalismus. Die jetzigen Kirchenführer scheinen sich, in ihrem nicht selten linken Ansatz, auch aus diesem Grund dem Islam zuzuwenden und Sympathien zu entwickeln. Aber diese Anmerkungen schweifen doch sehr von Anlass, dem Artikel, ab. Trotzdem seien sie in den Raum gestellt.
Aufgabe von Familien- und Clanstrukturen sind nicht ohne ein funktionierendes und verlässliches, staatliches Sozialsystem möglich. Ich fürchte, wir Deutschen werden in mittlerer Zukunft auch wieder vermehrt auf Familienzusammenhalt setzen müssen.
Lieber Herr Mücke, wo sehen Sie bitte, dass in Italien die Mafia auf dem Rückzug ist? Weil sich die Mafia jetzt massiv nach Norden ausgeweitet hat? Oder weil unsere Massenmedien nicht darüber berichten? - Wenn sich Ihr Bruder begeistert über den Zusammenhalt süditalienischer Familien zeigt, dann ist das für mich ein Zeichen von Sehnsucht nach Gemeinsamkeit. Ich sehe die Ursachen des Zerbröselns unserer Familienstrukturen in der verstärkten wirtschaftlichen und geistigen Unabhängigkeit des Einzelnen, insbesondere auch der Frauen. Eine Entwicklung, die Unabhängigkeit und Selbständigkeit fördert, kann auch andererseits zu mehr Vereinsamung führen. Freiheit kann auch einsam machen, aber einen Weg zurück gibt es nicht.
Ich sehe der Zukunft nicht halb so positiv entgegen wie der Autor. Technischer Fortschritt wird die Lage nicht zum guten wenden. Weder die Fortschrittsgläubigkeit, noch die Ablehnung des Fortschritts, werden dieses Poblem lösen. Ich würde den Begriff “Technik” i.S. Oswald Spenglers lieber in den Kontext der Fragestellung “Mit welcher Überlebenstechnik schafft es die westliche Gesellschaft zu überleben?” setzen und nicht in Zusammenhang mit wissenschaftlichem Fortschritt. Die Zerfaserung großfamiliärer Strukturen durch Individualismus und Fortschritt erfordert als Gegengewicht den Sozialstaat und den starken Staat, der die Großfamilie oder Sipper ersetzt, um den Einzelnen zu schützen und im Notfall zu versorgen (Solidargemeinschaft). Der schwache Staat schafft es aber nicht mehr, seinen Bürgern Schutz zu bieten und verlangt zudem immer mehr Eigenforsorge im Bereich der Solidargemeinschaft. Der Staat zieht sich zusehens immer weiter von seinern Kernaufgaben zurück, gibt stattdessen lieber Ernährungstipps, verbietet das Rauchen und mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen. Dem Einzelnen bleibt nichts weiter übrig, als sich (in Ermangelung einer Großfamilie) einen neuen Stamm, eine neue Sippe, zu suchen. Das arbiträre WIR der tolleranten und bunten, liberalen Spaßgesellschaft, wird einer Rückbesinnung auf das Tribalistische weichen. Eine andere Technik des Überlebens sehe ich nicht. Die Ethnie wird zum Symbol der Stammeszugehörigkeit werden und zum Maß der Unterscheidung zwischen “Denen” und “Uns”. Ohne diese “Uns” gibt es nur “Die”. Der tollerante, liberale Individualist der Gegenwart hat keine Zunkunft.
Alles hat seinen Preis. Die müffelnde Nestwärme der Großfamilie bezahlt man mit totaler Kontrolle über das Leben, das man führt. Nur die Not schweißt zusammen, so dass man in Hunger- und Notzeiten seine persönliche Freiheit einem Teller Suppe zu opfern bereit ist. Aber nur dann. Wohlstand bedeutet hingegen Freiheit und Unabhängigkeit. Damit können die eingewanderten Grossfamilien nichts anfangen. Sie leben ihr archaisches Muster in einer Wohlstandsgesellschaft einfach weiter und unterwandern sie damit parasitär.
@ jonas callsohn Das sind zwei Ebenen, denke ich. Sie sprechen die transzendierend/spirituelle Ebene an. Die ist den westlichen Kulturen im Rahmen der Säkularisierung zunehmend verloren gegangen, obwohl da ein anthropogenes Bedürfnis besteht. Esoterik, aber auch Ideologien versuchen sich da als Surrogate. Da sind die islamischen Gesellschaften noch straight forward verankert. Was in gewisser Weise zu individueller und gemeinschaftlicher Stabilisierung, andererseits aber auch zu zivilisatorischer Stagnation und totalitären Gesellschaftsstrukturen führt. Der Tribalismus zielt aber vornehmlich auf die gesellschaftlichen Machtstrukturen und deren Loyalitätsebenen ab, die Sicherheit bieten. Ein Bruder erschlägt den anderen Bruder. Eine Familie die andere (Brüder halten zusammen). Ein Clan erschlägt den Anderen (Familien halten zusammen). Eine Nation erschlägt die andere (Clans halten zusammen). Eine Religion erschlägt die andere (Nationen halten zusammen). Das in Kombination mit dem militanten Bekehrungsauftrag des Islam macht die Brisanz der Masseneinwanderung von Muslimen in nicht muslimische Gesellschaften aus. Das westliche Familienmodell war eine Emanzipation vom Tribalismus. Die ideologisch motivierte Auflösung der Familie war der Anfang vom Ende der westlichen Kulturen. Ist halt Evolution….
Ich war von 1994 - 2004 (als es also weder staatlichen Segen noch Gelder, noch Lob dafür gab) mit syrisch-orthodoxen Christen sehr eng befreundet und wurde Familienmitglied mit allen Rechten und Pflichten. Als Einheimische hatte ich die Familienpflicht, auf Ämter zu gehen, Formulare auszufüllen, deutsche Bräute/Bräutigamme für Scheinheiraten zu suchen, die deutsche Welt zu erklären, mir stundenlang anzuhören, wie böse und kalt die Deutschen wären - nur ich hätte ein gutes Herz - , nächtalang Hochzeits- und Verlobungsfeiern mit frischen Importbräuten zu ertragen. Ich habe mir angehört, dass auch christliche Frauen keusch und jungfräulich zu sein hätte und dass ab 25 Jahren die Braut nicht mehr vermittelbar sei. Ich musste mit ansehen, dass meine syrische Freundin soweit ging, Blut zu spenden, um das Geld dafür mit den anderen Familienmitgliedern für eine weitere Flucht eines entfenten Verwandten (von denen es unendlich viele gibt) zusammelnzulegen. Als endlich die “alte” Schwester von 35 Jahren an einen Brätugam vermittelt wurde, ließ sie sich auf seinen Wunsch vor der Hochzeit die Nase operieren und bat mich, sie mit zu meiner Frauenärztin zu nehmen, um ihr Hymen wiederherstellen zu lassen - nicht, dass sie je Sex gehabt hätte. Es war halt einfach weg. Bei meinem Besuch in Syrien wurde der Vater als Familienoberhaut verehrt, die Männer taten NICHTS und ließen sich bis um Umrühren des Zuckers im Tee und dessen Anreichen bedienen. Ich wurde als Vorwand für einen Ausflug nach Damaskus benutzt. Tatsächlich besuchten meine Freundin sowie ihre Cousine und ich ihre Schwester, die seit 17 Jahren mit 5 Kindern im Untergrund lebte, weil sie einen Halbmoslem geheiratet hatte und es die Pflicht ihres Bruders war, sie aus Familienehre zu erschießen. Dieser Besuch bei der bitterarmen Familie versteckt in den Weinbergen gab mit nach 10 Jahren den Rest. Ich beendete danach radikal die Freundschaft mit dem gesamten Clan, denn halbe Sachen gibt es dort nicht.
Warum Europa Alternativen zur Großfamilie fand, ist auch ein Ergebnis der Aufklärung. Familienplanung bedarf der Vernunft und Ratio. Menschen die dem magischen Denken unterliegen, vertrauen dagegen auf Gott und liefern ihre Kinder Armut, Elend und Unterdrückung aus. In der Verantwortung sehe ich hier die katholische Kirche, die einerseits großzügig für Asyl wirbt, in Afrika aber jegliche Bemühungen für Geburtenkontrolle untergräbt. Bei einer Aufklärungskampagne der UNO in den 90er an der ich selbst als Helferin mitgearbeitet habe, stellte uns Misereor Helfer für die Bestückung einer Aufklärungsbroschüre mit einem Kondom zur Verfügung. Wie sich später heraus stellte, freundliche Nonnen in einem Kloster, hatten hunderte von Kondomen auf Broschüren getackert, obwohl Klebestreifen bereit gestellt waren.
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