Von Wolfram Ackner
Vor einem Jahr zog ich mit meiner Frau und unseren zwei kleinen Töchtern aus der wilden, bunten, linksalternativen Leipziger Südvorstadt ins beschauliche, konservative Lausen, ein Siedlungsstadtteil mit dörflichem Charakter am Kulkwitzer See, an der äußersten südwestlichen Leipziger Peripherie gelegen, wo wir als Familie genau das taten, was im Moment halb Deutschland zu tun scheint. Wir griffen nach dem letzten Strohhalm, den das große europäische Friedens- und Wohlstandsexperiment €uro den kleinen Leuten lässt, um selbst für ein einigermaßen unbeschwertes Alter vorzusorgen, und bauten uns ein Haus.
Tja, und jetzt haben wir ein Problem. In unserem neuerschlossenem Baugebiet leben junge, weiße, heterosexuelle, verheiratete Paare, in der Altsiedlung daneben ältere, weiße, heterosexuelle, verheiratete Paare. Gestutzte grüne Hecken, getrimmter Rasen, Blumenbeete, gepflegte Außenfassade. Es ist schlicht und ergreifend so spießig, dass die grüne Jugend der Südvorstadt unser Lausen vermutlich als "völkisch" bezeichnen und eigentlich "Flashmobs gegen Alltagsrassismus" oder "Fahrraddemos gegen Zwangsheteronormativität" organisieren müsste - wenn sie nicht glücklicherweise mit wichtigeren Dingen beschäftigt wären. Zum Beispiel imponierschwatzen im linken Szenecafe beim dreieurofünfzig Machiato. Oder in den Semesterferien mit Ryanair nach Barcelona, London, Rom, Madrid fliegen.
Ryan Air-Flieger, ausgebucht mit grüner Gesinnung
Ersparen Sie mir jetzt Ihr süffisantes Grinsen und dieses hämische: "Ach so - und der ökologische Fußabdruck?" Es ist nämlich ein böswillig konstruierter Pseudowiderspruch, dass junge Anhänger der Grünen einerseits am lautesten die Umweltschädlichkeit von Billigflügen anprangern, andererseits aber selber diejenigen sind, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den nächsten Ryan Air-Flieger springen. Denn bei den eigenen Flügen zum Aldi-Tarif steht nicht das persönliche Vergnügen, sondern der Bildungsaspekt im Vordergrund! Und Bildung ist Investition in die Zukunft der GESAMTEN Gesellschaft.
Jawollja, konsequent um fünf Ecken zu Ende gedacht, kommen diese bei grün angehauchten jungen Menschen so beliebten Ryanair-Studienflüge nach Barcelona, London, Rom, Madrid auch Menschen zugute, die man als bunter, flippiger Szenemensch ansonsten eher verachtet ... beispielsweise 46-jährige Industrie-Arbeiter wie mich, die bei Aldilidlnorma ihr Billigfleisch in Plastiktüten wegtragen, demonstrativ dekoriert mit der BILD-Zeitung, und partout nicht das machen wollen, was die 25-jährigen "Befreier der Arbeiterklasse" von ihnen verlangen.
Sicher gibt es auch noch andere Gründe, warum die grüne Jugend bis jetzt dankeswerterweise auf alle Anstrengungen verzichtet, Lausen auf das nächsthöhere Bewusstseinslevel zu heben. Müßig zu spekulieren. Vielleicht kommen sie deswegen nicht an den tiefschwarzen Stadtrand, weil nicht jeder so tapferblöd sein kann wie damals im Leipziger Oberbürgermeisterwahlkampf die fünf Herrschaften von der Union, die mit dem absurden Argument, dass es selbst hier im ultralinken Kiez mehr CDU-Wähler als Wähler der Linkspartei gibt, am Connewitzer Kreuz einen Wahlkampfstand aufbauten ... im sicheren Wissen, dass es keine zwanzig Minuten dauern wird, bis dreißig Vermummte auftauchen, um dem braunen Spuk mit Gewalt ein Ende zu setzen.
Mein natürliches Biotop von Gartenzwerg, Rasensprenkler, blickdichter Hecke
Aber zum Glück war sich die Leipziger Zivilgesellschaft schnell einig in der Verurteilung dieser Provokation der CDU. Vorausgesetzt natürlich, die CDU hat es am Ende nicht selbst inszeniert ... cui bono, you know ... ? Ja, es gibt Tage, da steht die Leipziger Zivilgesellschaft auf, da will sie Courage zeigen, Farbe bekennen, Missstände benennen, den Anfängen wehren, Provokationen anprangern ... Aber man kann ja nicht jeden Tag dunkle Mächte wie hier einen CDU-Oberbürgermeisterkandidaten bekämpfen. Manchmal will man schließlich als Szenemensch auch einfach nur tanzen gehen. Oder im schicken alternativen Cafe einen Machiato zu Dreieurofünfzig trinken und potentiellen Sexualpartnern mit seiner nachdenklichen Belesenheit und seiner humanistischen Gesinnung imponieren ... womit sich der Kreis nun wieder schließt.
Und jedesmal, wenn ich jetzt auf dem Weg zum See quer durch unsere Siedlung laufe, Heimat und natürliches Biotop von Gartenzwerg, Rasensprenkler, blickdichter Hecke, und dran denke, dass unsere Große in wenigen Wochen in die zweite Klasse kommt, quält mich dieselbe Frage, der bei den großen und kleinen Krisen dieser Welt in vielen Medien eine eigene Rubrik eingeräumt wird."Wie erkläre ich es meinem Kind?"
Gar nicht so einfach, glauben Sie mir. Probieren Sie es doch einfach mal selber aus, ein schwieriges Thema einem Kind so zu erklären, dass es zumindest halbwegs versteht und Sie nicht der Versuchung erliegen, lächerlich und inhaltlich gradezu falsch zu simplifizieren. Ich meine, wer will sich denn schon zum Idioten machen, hochkomplizierte Geschichten, wo sehr viele Aspekte gegeneinander abgewogen werden müssen, auf Sätze herunterzubrechen wie "Terrorismus entsteht durch die vom Westen verursachte Armut der arabischen Welt"? Glauben Sie mir, die Rubrik "Wie erkläre ich es meinem Kind" ist die Königsdisziplin!
Die Lehre vom verkünden der Botschaft, dass die Biologie eine Scheibe ist
In diesem Fall geht es um Gender Mainstreaming, die Lehre vom verkünden der Botschaft, dass die Biologie eine Scheibe ist. Bewusst unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Normalbürger segelnd, auf Nachfrage mit treuherzigem Wimpernschlag säuselnd, dass es bei den Gender Studies darum geht, dass sich nicht mehr so viele Jugendliche umbringen sollen, weil sie auf dem Schulhof als "Schwule" gehänselt werden, und das man sich um die Gleichberechtigung der Geschlechter kümmert; Milliarden verschlingend, ohne sich jemals einer wissenschaftlichen Evaluierung zu unterziehen, an Anzahl der Lehrstühle in Deutschland nahezu gleichauf mit der Pharmazie, ähnlich viel Papier produzierend wie das einzige andere vom wissenschaftlichen Wert vergleichbare (ehemalige) Studienfach, der Marxismus-Leninismus, hat es Gender Mainstreaming mittlerweile geschafft, sich Schritt für Schritt den Weg vom Berggipfel ins Tal zu bahnen. Von der Richtlinie des politischen Handelns der Europäischen Union zur Richtlinie der Bundespolitik, von dort zu den Ländern und weiter sternförmig ausschwärmend in die Städte und Kommunen, wo die Genderista-Kampfbatallione mittlerweile in jedem Rathaus, in jeder Schule, selbst in den Kindergärten Einlass begehren.
Und jetzt haben wir den Salat. Wie erkläre ich es meinem Kind - das in seinen sieben Jahren nie etwas anderes erlebt hat, als das eine Familie aus Vater, Mutter, Kind besteht; für die es selbstverständlich ist, dass man Jungs am Schnippi erkennt und Mädchen an der Mumu - dass sie jetzt vielleicht schon bald in der Schule lernen wird, dass diese vermeintlich klare Einteilung in Jungs und Mädchen falsch ist. Das nicht das biologische Geschlecht entscheidend ist, sondern das soziale.
Und dass es nicht zwei Geschlechter gibt, sondern 3, 20, über 60 oder gar viertausend ... die genaue Zahl hängt davon ab, welcher Genderpriester gerade auf der Kanzel steht. Dass das Leben vermeintlich nicht schwarz/weiß - sprich zwangsdeterminierend weiblich/männlich - ist, sondern eben bunt und vielfältig ... weil es eben so uunglaublich viiiele sexuelle Identitäten gibt, und, wie es Professor Voß von der Uni Merseburg im Interview mit Deutschlandradio Kultur begründete, "man ja Geschlechter im Normalfall ja sowieso nicht klar zuordnen kann, weil sie meist von Kleidung verhüllt sind."
Wenn die Genderista-Kavallerie in die Kitas eingallopiert...
Wie erkläre ich meinen Kind, das diese scheinbare Natürlichkeit, mit der sich Männer zu Frauen hingezogen fühlen und Frauen zu Männern, nichts anderes als ein soziales Konstrukt ist, eine Frage von falscher Erziehung? Wie erkläre ich meinem Kind, dass in der Gender-orientierten Pädagogik der Wunsch besteht, "weg von der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie zu kommen hin zu Modellen, in denen Kinder auch glücklich sein können." wie es neulich eine Frau Kempe-Schälicke der Presse in die Blöcke diktierte, die in Berlin ein federführend ein Medienkoffer-Projekt betreibt, mit dem die Genderista-Kavallerie in die Kitas eingallopiert, um Rollenstereotype aufzubrechen ...
Ja, wie stellen wir das an? Wo unseren Kindern bis jetzt noch nicht einmal bewusst war, dass sie in dieser mitteralterlichen zwangsheteronormativen Konstellation unglücklich sind ... schlicht und einfach, weil es im rückständigen Sachsen niemand für nötig hielt, ihnen das mitzuteilen. Und dort in Berlin geht es um Vierjährige, während wir in unserem Fall von einem Schulkind reden. Jetzt geht es nicht mehr um Rollenstereotype, um Themen wie "fieses Rosa&Klischee-Blau", sondern um Sex. Schließlich wird in der Gender-Pädagogik schon von Grundschulkinder erwartet, dass sie sauber den Unterschied zwischen Intersexuellen und Transsexuellen herausarbeiten können. Und wenn dann noch das laut Eigenwerbung als Standardwerk empfohlene Buch "Sexualpädagogik der Vielfalt" von Elisabeth Tuider, Professorin für "Soziologie der Diversität unter besonderer Berücksichtigung der Dimension Gender an der Uni Kassel", zur Anwendung kommt, das als Zielsetzung die "Vervielfältigung von Sexualitäten, Identitäten, Körpern, das Verstören im aufzeigen verschiedener Idenditätsmöglichkeiten" nennt, kommt einiges an Erklärarbeit auf uns zu. Meine Güte ..."Vervielfältigung von Körpern"... Das ist selbst Kindern, die mit Einhorngeschichten groß wurden, nicht ohne weiteres zu vermitteln.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich stehe dem gesellschaftlichen Fortschritt durchaus nicht generell ablehnend gegenüber. Ich meine, klar, ich bin mir bewusst, ein Reaktionär zu sein, aber ich arbeite an meiner Einstellung. Denn wenn das BILDGIRL wegen Frauenfeindlichkeit in Zwangsrente geschickt wird; wenn Blätter von TAZ bis FAZ erzählen, dass es um Willy, den Blauwal, und den Fortbestand der Menschheit geht; wenn selbst Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen - adlig, elegant, Mutter von sieben Kindern - uns Fortschrittsverweigeren ins Gewissen redet, dass wir uns ändern müssen, oder ansonsten in Zukunft keine Partnerin mehr finden, dann muss was dran sein.
Sex-Entzug? Das zieht! Das wäre tatsächlich der Weltuntergang
Obwohl ich hinzufügen muss, dass die Uschi wirklich clever ist. Als realistische Konservative weiß die Frau genau, dass Appelle an Idealismus und höhere Einsichten zwecklos sind, weil sich Leute wie wir nur für die grundlegenden Bedürfnisse essen, trinken, fortpflanzen und eine warme, sichere Höhle interessieren. Ich würde Ihnen gerne etwas anderes erzählen, aber im Grunde ist es die traurige Wahrheit. Im tiefsten Inneren meines Herzens scheiße auf Willy, den Blauwal. Schließlich komme ich ja auch prima ohne Mammut, Dodo und Säbelzahntiger zurecht. Aber Sex-Entzug? Das zieht! Das wäre tatsächlich der Weltuntergang.
Deswegen wurde mir schon vor Jahren klar, dass ich dazu verdammt bin, mich zu bewegen. Dass ich meiner Partnerin beweisen muss, dass auch ich in der Lage bin, mich als Mann und Mensch weiterzuentwickeln - damit sie mir nicht noch am Ende mit einem der jungen wilden fortschrittlichen Männer durchbrennt, die ihrer Frau den Rücken für die Karriere freihalten, den Haushalt schmeißen, tolle Liebhaber sind, Superdaddys, geistreiche Gesprächspartner, bester Freund und die nie wie ich den leckeren Schweinekrustenbraten vom Fleischer alleine futtern und den Kindern die Schoki mopsen. Diesen Weg zu gehen war und ist schwer, dass will ich nicht verhehlen. Doch schon der erste Versuch brachte mir die Offenbarung.
Unmittelbar vor der Geburt unserer Jüngsten ließ ich mich dazu überreden, am Geburtsvorbereitungskurs teilzunehmen. Mitten im alternativsten Stadtteil Leipzigs, bei dementsprechenden Publikum ... Was tut man nicht alles aus Liebe und um im Rennen zu bleiben. Wir Jungs durften uns an einen Tisch setzen, der Reihe nach an eine Babypuppe in die Hand nehmen, berühren und vorsichtig weiterreichen. Denn dass Männer um die vierzig schon seit Jahren keine Lust mehr haben, zusammen mit anderen Männern mit Puppen zu spielen, ist vermutlich auch nur so ein zwangsdeterminierendes Stereotyp, dass es zu bekämpfen gilt. Dann wurde es Ernst.
Uta, die circa dreißigjährige Hebamme, kramte ein Beckenmodell raus und jeder von uns musste das Baby mit einer Vierteldrehung durch den Geburtskanal bugsieren. Denn auf die Vierteldrehung kommt es an, wie uns Uta mit ernster Miene erklärte. Nur mit dieser Vierteldrehung des Kopfes passt das Baby exakt durch den nicht kreisrunden, sondern leicht ovale Geburtskanal. Ohne diese Vierteldrehung leidet die Frau Höllenqualen. Dermaßen vorgebildet holte Uta uns Männer dann feierlich rein zu den Frauen, die schon erwartungsvoll im im Schneidersitz auf ihren Matten hockten.
Uta stellte sich vor uns, plapperte eine halbe Stunde über dies und das und erklärte dann, dass sie jetzt demonstrieren will, wie wir uns eine Geburt vorzustellen haben. Sie drehte uns den Rücken zu, ging auf alle viere, streckte den Hintern weit nach oben, legte ihren Kopf auf die Hände und fing laut und ekstatisch an, "AAAHH" und "OOOHH" zu stöhnen und dabei wild mit dem Hintern zu wackeln, zwei Minuten lang, die sich wie Stunden anfühlten. Ihr Hinterteil schwankte nach links und schwankte nach rechts, das Hinterteil zuckte nach oben, es zuckte nach unten, der Leib vibrierte,
"AAAHHH" und "OOOHHH "und "UUUHHH" und "AAAHHH"
In diesem Moment wurden mir die Augen geöffnet. Wurde mir bewusst, wie weit der Weg noch ist, und wie bitter ich es nötig habe, diesen Weg einzuschlagen. Ich meine, beim Blick auf die stöhnende Uta mit ihren weitgespreizten Beinen, deren Arsch direkt vor unserer aller Nase hoch- und runterwippte, war jedem im Raum die Situation klar. Der Babykopf schafft die Vierteldrehung nicht und die Schmerzen trieben Uta komplett in den Wahnsinn. Eigentlich sollte es wohl der normalste Gedanke der Welt sein, hinzugehen, ihr mit einem eiskalten Lappen die verschwitzte Stirn zu kühlen, ihre Hand zu halten und zu sagen, dass das wieder vorbei geht. Vielleicht. Irgendwann. Warum habe ich dann stattdessen, ähm, ein ganz anderes Bild vor Augen? Richtig, weil ich tatsächlich immer noch ein Steinzeit-Männchen bin, ein Dinosaurier - endlich hatte ich es begriffen!
Und seitdem versuche ich, mit einem anderen Ansatz an die Dinge heranzugehen. Wenn mir früher zu Ohren gekommen wäre, dass in Berlin die Queerszene und die Schwulenverbände Amok laufen, weil sich der Senat entschieden hat, doch noch nicht ab Klasse Eins das Thema sexuelle Vielfalt in den Lehrplan aufzunehmen, wäre ich vor die Blaue Trude oder die G-Garage gezogen, um eine Regenbogenflagge zu verbrennen oder mit Steinen zu werfen oder was man als Protestler halt so macht, um "ein Zeichen zu setzen"... genau weiß ich das leider auch nicht, da Leute wie meine Frau und ich leider keine exotischen Schmetterlinge sind, die in allen Regenbogenfarben glitzern, sondern mausgraue Motten, und deren Kenntnisse der Protestkultur dementsprechend unterentwickelt sind.
Leute wie wir haben leider keine Zeit für Flashmobs. Wir müssen arbeiten. Irgendjemand muss ja schließlich das viele Geld für diesen Genderquatsch und für diese Armee von Soziologen und Rechtsextremismusforschern erwirtschaften, die ihren Lebensunterhalt dann damit verdienen, Leute wie uns über unseren Alltagsrassismus, unsere Homophobie und unsere unrechtmäßigen Privilegien aufgrund der weißen Hautfarbe aufzuklären. Und wer, wenn nicht wir, soll diese Milliarden erwirtschaften? Die Grüne Jugend vielleicht? Guter Witz.
Mein neues Ich geht kompromissbereiter an die Sache heran
Aber mein neues Ich, das sein Steinzeit-Problem erkannt hat, geht kompromissbereiter an die Sache heran. Wenn bei den Genderpädagogen nun eben der unbedingte Wunsch besteht, dass Kinder, die noch nicht einmal lesen, schreiben und die Grundrechenarten gelernt haben, ja, die noch nicht einmal wissen, was Sexualität ist, sich gleich mit dem Thema "sexuelle VIELFALT" auseinander setzen sollen, dann bitte auch kindgerecht. Könnte man nicht Worte wie lecken, blasen, Darkroom, Sado-Maso einfach weglassen und den Kindern sexuelle Vielfalt mit Hilfe von Figuren erklären, die jedes Kind kennt und liebt?
Maus und Elefant zum Beispiel. Die Ente kommt im schwarzem Latex-Stringtanga an der Maus vorbeigewatschelt - nak nak - und die Maus haut der Ente klatschend auf den Popo und klimpert dabei mit den Augenbrauen. Oder der blaue Elefant trottet verliebt mit einem rosa Elefant durch die Savanne, die Rüssel sind miteinander verknotet, die Schwänze sind miteinander verknotet ... die Kinder denken, alles klar, rosa = Mädchen, unser blauer Elefant hat eine Freundin gefunden ... Und plötzlich klappt bei beiden der dritte Rüssel herunter, die sich ebenfalls miteinander verknoten und beide Elefanten trompeten laut und fröhlich. So etwas in der Art halt. Ich meine, es sind unsere Kinder, da kann man doch ein klein wenig Rücksichtnahme verlangen, oder? Wie würdet ihr denn reagieren, wenn wir Steinzeitmenschen verlangen, dass ihr uns eure Kinder überantwortet, damit die endlich jagen, kämpfen und Gottesfurcht lernen? Eben. Bei den eigenen Kindern will man doch auch ein Wörtchen mitreden.
Wenn also eines Tages mein Kind völlig verwirrt von der Schule nach Hause kommt, weil dort nach Lehrplan anhand eines fiktiven Mehrfamilienhauses sexuelle Vielfalt und Beispiele für Regenbogenfamilien aufgezeigt werden sollen - in der einen Wohnung lebt ein schwules Paar ohne Kinder, daneben ein lesbisches mit Kindern, darunter wohnt ein Kind mit zwei Pflegevätern, im dritten Stock ein anderes Kind mit ihrer Mutter und deren Freundin, die zweigeschlechtlich ist und deswegen Mama ein Kind zeugen konnte und so weiter und sofort - und mein Lenchen mich fragt, warum in diesem im Unterricht besprochenen Beispielhaus nicht ein einziges Kind zusammen mit Mama und Papa lebt, oder alleine mit Mama, obwohl doch circa 85 Prozent aller Kinder bei Mama und Papa groß werden und 14,9 Prozent bei einem alleinerziehenden heterosexuellen Elternteil, werde ich ihr folgendes sagen:
Diese Leute debattieren nicht. Warum auch, sie kennen die Wahrheit.
Das, was du gerade erlebst, habe ich als Kind und Jugendlicher in ähnlicher Form erlebt. Ich bin in einem Land namens DDR groß geworden, wo - so wie heute wieder - sehr viel Zeit, Geld und Energie darauf verwendet wurde, den Menschen ihre Alltagserfahrungen auszureden und das Gegenteil von dem zu behaupten, was sie Tag für Tag mit eigenen Augen sahen. Uns wurde im Unterricht erzählt, dass wir zu den zehn stärksten Industrienationen der Welt gehören, während man gleichzeitig die Industrie-Anlagen verrotten sah.
Wir konnten jeden zweiten Tag in der Zeitung lesen, dass dieser oder jener Wirtschaftsplan um 357 Prozent übererfüllt wurde, während wir gleichzeitig sahen, wie unsere Städte verfielen. Meine im vierten Stock lebende Omama zum Beispiel musste bei Regen ein Dutzend Eimer auf den Dachboden stellen, weil es überall durchregnete. Die roten Bonzen redeten vom "Respekt vor der Natur", während sie gleichzeitig durch die Einleitung ungefilterter, ungeklärter Chemieabfälle die Flüsse in stinkende Kloaken verwandelten, und Städte wie Lauchhammer in Ascheabsetzbecken.
Es wurde viel von der Gleichheit aller Menschen gesprochen und gleichzeitig alle mosambikanischen, vietnamesischen und kubanischen Gastarbeiter wie Nutzvieh behandelte. Das, was du gerade erlebst, ist eine freundliche, wohlmeinende, im Grunde harmlose Variante jener Zeit. Du wirst einfach dasselbe lernen müssen wie wir damals. Dass man das, was man wirklich denkt und fühlt, nur unter Menschen äußern kann, denen man vertraut, und im Unterricht das sagen muss, was von einem erwartet wird. Es hat auch keinen Sinn, diese Leute - die mal wieder an der Züchtung des neuen Menschen arbeiten, an der Erschaffung der perfekten Welt - in Diskussionen zu verwickeln. Du hast keine Chance. Die machen dich einfach dadurch fertig, indem sie dir öffentlich die schlimmsten Namen geben, die du dir vorstellen kannst, dir niedersten Motive unterstellen, geringe Intelligenz.
Diese Leute debattieren nicht. Warum auch, sie kennen die Wahrheit. Versuche es und du wirst sehen, dass es keine fünf Minuten dauert, bis einer dieser selbstgefälligen, pietistischen Wichte - die sich einbilden, dass sie kantige, widerborstige Querdenker darstellen, während sie in Wahrheit stromlinienförmige, immer den Weg des geringsten Widerstandes suchende Karrieristen sind - sich vor dir aufbaut, um dir mitzuteilen, dass er deine Meinung empörend findet. Vermutlich wird er dann ein wichtiges Gesicht aufsetzen und hinzufügen, dass er dir nur raten kann, ein gutes Buch zu lesen, denn lesen bildet.
Lies "Der Herr der Fliegen" von William Golding lies "Farm der Tiere" von Georg Orwell
Das ist allerdings tatsächlich ein guter Rat. Allerdings solltest du Bücher aus der Genderbibliothek wie beispielsweise das von dem anfänglich schon erwähnten Professor Heinz-Jürgen Voß: "Der ‚polymorph sinnliche Charakter kindlicher Sexualität" oder auf ähnlichen Müll verzichten, so wie wir damals heimlich darauf verzichtet haben, Lenin und Marx zu lesen. Lies "Der Herr der Fliegen" von William Golding und du wirst alles über das Wesen der menschlichen Natur wissen. Lies "Farm der Tiere" von Georg Orwell, um zu begreifen, wohin bis jetzt seit mehr als hundertfünfzig Jahren jeder einzelne Versuch geführt hat, absolute Gerechtigkeit und Gleichheit zu erkämpfen. Lies den Roman "1984" desselben Autors, damit dir klar wird, was "Neusprech" ist und wie du Begriffe wie "Toleranz & Vielfalt" einzuordnen hast; um zu verstehen, warum dieses neue schwarzweißdenken sich als "bunt" verkauft. Lies das fast hundert Jahre alte Buch "Der brave Soldate Schwejk" von Jaroslav Hašek, um zu lernen, wie man mit List und Mutterwitz Idioten mit Befehlsgewalt ins Leere laufen lässt.
Respektiere generell jeden Menschen, der dir nichts getan hat - egal welche Hautfarbe, egal, welche Sexualität - aber um das zu verstehen, brauchst du nicht die Hilfe einer Pseudowissenschaft, die versucht, den Thron zu besteigen. Dazu reicht ein Herz. Und der wichtigste Rat von allen, mein liebes Kind - schluck nicht jeden vorgekauten Meinungsbrei herunter, egal, wie gut er klingt, wie lecker er duftet und wie hübsch er verpackt wurde. Egal von wem er präsentiert wurde, selbst wenn er von mir kommt. Denk für dich selbst.
Wolfram Ackner (46) ist von Beruf Schweißer im Anlagen- und Behälterbau. Er lebt in Leipzig und schreibt neben seinem bürgerlichen Beruf Kurzgeschichten und andere Texte
Weitere Beiträge von Wolfram Ackner auf Achgut.com:
Wegen Stegner in die AfD, wegen Höcke wieder raus
Idomeni mit Starbesetzung im Kino: „THE MARVELOUS SCAVENGERS“
Warum ich ein Wutbürger bin