Die SPD als Partei ist in der Krise. Seit vielen Jahren verringert sich der Wählerzuspruch für die SPD, egal ob auf Bundes- oder auf Landesebene. Auch die Mitgliederzahl hat sich seit 2005 um etwa 25 Prozent verringert.
Obwohl die SPD (einschließlich ihrer Stiftung und ihrer Fraktionen) jährlich Gelder in dreistelliger Millionenhöhe vom Steuerzahler erhält (in 2016 beispielsweise 51 Millonen direkte staatliche Mittel, 26 Millionen Mandatsträgerbeiträge, die die Abgeordneten und Amtsträger aus ihren Diäten/Amtsbezügen an die Partei abgeben müssen, 167 Millionen an die Parteistiftung und rund 20 Millonen an die Bundestagsfraktion, dazu in unbekannter Höhe an die Landtagsfraktionen), hat die Partei Finanzprobleme.
Weniger Mitglieder und weniger Wähler bedeuten grundsätzlich weniger Mitgliedseinnahmen und weniger staatliche Gelder aus der Parteienfinanzierung. Um das zu kompensieren, ging die SPD bei der Union betteln, und beide zusammen erhöhten im Juni dieses Jahres ohne jede Hemmung gegenüber dem Steuerzahler die staatliche Parteienfinanzierung um 15 Prozent. Dabei sitzt die SPD auf einem Parteivermögen von mehr als eine Milliarde Euro. Aber die Gier kennt eben keine Grenzen. Näheres siehe hier.
Einen finanziellen Beitrag zur Arbeit der SPD leisten auch die zahlreichen Unternehmen, an denen die SPD beteiligt ist. Was nämlich viele nicht wissen: Die SPD ist nicht nur eine Partei, sondern auch ein großer deutscher Unternehmenskonzern. Der Name dieses Konzerns lautet Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (= DDVG). Wie nunmehr bekannt geworden ist, gibt es auch bei den Unternehmensbeteiligungen der DDVG nicht unerhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Ein böser Verdacht
Eine dieser Gesellschaften ist die Öko-Test Holding AG. Deren 100-prozentige Tochterfirma Öko-Test Verlags GmbH gibt die gleichnamige, sehr bekannte Test-Zeitschrift heraus. Die SPD besitzt mittels der DDVG über die Tochterfirma GLG Green Lifestyle GmbH etwa zwei Drittel der Anteile an der Öko-Test Holding AG. Nach Angaben des DDVG-Geschäftsführers Jens Berendsen auf der Öko-Test-Hauptversammlung kämpft die Öko-Test Holding AG mittlerweile ums Überleben.
Andere Aktionäre, wie etwa der langjährige Vorstand und Chefredakteur von Öko-Test, Jürgen Stellpflug, der inzwischen geschasst wurde, äußerten nun in einem Schreiben an die Aktionäre (das der Achse vorliegt) einen bösen Verdacht: Öko-Test solle in die Pleite getrieben und zuvor ausgeschlachtet werden, indem sich die DDVG die Rechte an der Marke Öko-Test im Wert von vielen Millionen abtreten lasse. Die 33 Prozent Nicht-SPD-Aktionäre an Öko-Test würden dann leer ausgehen.
Die DDVG steht im Eigentum der SPD und fungiert als Holding für die Unternehmensbeteiligungen der SPD. Die Beteiligungen betreffen die Bereiche Medien (insbesondere Zeitungen, Hörfunk), Druck, Handel, Tourismus und Service. Das Konzernergebnis wird im wesentlichen von der Sparte Medienbeteiligungen geprägt. Zur Verringerung der Abhängigkeit von dieser Sparte hatte die DDVG/SPD vor einigen Jahren entschieden, den Fokus auf digitale Geschäftsmodelle auszurichten und sich zusätzlich auf Auslandsmärkte, in concreto zunächst nach China, auszudehnen.
Diese beiden neuen Strategieansätze hängen überdies miteinander zusammen. Für ihr Auslandsengagement hatte die SPD/DDVG im Steuerparadies Hongkong eine Briefkastenfirma Namens Cavete Global Limited gegründet. Sie ist mit mehreren chinesischen Partnern mehrheitlich an der Cavete Beijing Consulting Limited in Peking beteiligt. Letztere betreibt im Rahmen eines Joint Ventures die chinesische Internetplattform Okoer. Dort werden online Tests von chinesischen und internationalen Produkten veröffentlicht. Diese Tests wiederum erstellt Öko-Test. Siehe die ausführliche Berichterstattung auf der Achse des Guten hier, hier und hier.
Für die Wirtschaft statt für die Verbraucher testen?
Doch diese Digitalstrategie und das China-Investment der DDVG/SPD haben bisher nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt. Zunächst erwies sich ein Relaunch der Online-Angebote von Öko-Test als großer Reinfall, der Öko-Test hohe Verluste bescherte. Auch das China-Engagement der SPD lief bisher ins leere, die Suche nach strategischen Partnern zur Deckung des Finanzbedarfs blieb ohne Ergebnis. Siehe hierzu den Bericht auf der Achse des Guten vom Juni dieses Jahres.
Wie angespannt die Situation bei der Cavete in Peking ist, zeigt der Umstand, dass sich auf Betreiben der DDVG auch Öko-Test an der Deckung des Finanzbedarfs beteiligen sollte. Soweit ersichtlich übernahm Öko-Test Ende 2017 tatsächlich eine Beteiligung von 13,62 Prozent für 600.000 Euro an der Cavete Hongkong und damit mittelbar an der Cavete in Peking, weitere 600.000 Euro wurden von Öko-Test im Januar 2018 als Darlehen gegeben. Auf der DDVG-Internetseite wird diese Beteiligung interessanterweise jedoch nicht ausgewiesen.
Neben der offenbar sehr angespannten finanziellen Situation rund um das China-Engagement der DDVG/SPD gibt es im SPD-Konzern großen Streit um die geplante strategische Neuausrichtung von Öko-Test.
Konkret geht es um die Vermarktung des Öko-Test-Labels. Einem Strategiepapier der DDVG nach ist angedacht (siehe hier), Öko-Test von einem Magazin, das Produkte für Verbraucher testet, in ein Unternehmen zu wandeln, das Produkte für Hersteller zertifiziert. Mit anderen Worten: Öko-Test soll gegen Bezahlung im Auftrag von Unternehmen Produkte untersuchen, die dann das Öko-Test-Label zur Werbung nutzen dürfen.
Ziel dieses grundlegenden Strategiewechsels (weg von einer kritischen Verbraucherberatung hin zu einer Zertifizierungsagentur und Label-Vermarktung) mit Billigung des SPD-Schatzmeisters Dietmar Nietan ist die Gewinnmaximierung zugunsten der DDVG/SPD. Es besteht die Erwartung, durch die Fokussierung auf das Geschäft mit Unternehmen (sogenanntes B2B-Geschäft „business to business“) höhere Gewinne zu erwirtschaften als bisher, die dann wiederum an die SPD abgeführt werden können.
SPD-Firmen im Clinch untereinander
Dieser Strategiewechsel würde sich natürlich als größtmöglicher Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit von Öko-Test darstellen. Es ist zwar das gute Recht eines Eigentümers, hier also der SPD, die Ausrichtung des Unternehmens zu ändern. Doch der Vorgang zeigt: Mit der stets betonten redaktionellen Unabhängigkeit der von der SPD beherrschten Zeitungen und anderen Medien ist es nicht weit her. Wenn es ernst wird, hat das Eigentümer-Interesse Vorrang – wie bei jedem anderen Unternehmen auch. Insofern verwundert es wenig, dass man in SPD-Zeitungen über die SPD-Auslandsaktivitäten mittels Briefkastenfirma und die hier beschriebenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und das Bestreben, in die redaktionelle Unabhängigkeit einzugreifen, nichts lesen kann.
Es wird abzuwarten sein, ob der Strategiewechsel bei Öko-Test wie angedacht umgesetzt wird – nachdem die Vorgänge in die Öffentlichkeit geraten sind, wird es vom Ökotest-Aufsichtsrat kleingeredet oder bestritten. Die wirtschaftliche Lage von Öko-Test ist jedenfalls prekär. Die Lage wird dadurch verschärft, daß die DDVG/SPD aus zwei Richtungen Öko-Test zusätzliche Schwierigkeiten bereitet.
Gegenüber der oben genannten Cavete in Peking hatte Öko-Test im März 2018 offene Forderungen von mehr als 500.000 Euro, die von Cavete aber nicht beglichen wurden. Gesichert waren diese Forderungen mit einer Bürgschaft der DDVG. Der langjährige Öko-Test-Vorstand Stellpflug zog die Bürgschaft und verlangte von der DDVG Zahlung. Wenige Tage später wurde Stellpflug entlassen. Angeblich ist bis August immer noch keine Zahlung erfolgt. Öko-Test müßte also eigentlich gegen die DDVG aus der Bürgschaft Klage erheben.
Aus anderer Richtung wird Öko-Test von der Utopia GmbH zugesetzt, ebenfalls ein DDVG-/SPD-Unternehmen, das eine Online-Plattform für sogenannten „nachhaltigen Konsum“ betreibt. Bei Öko-Test soll die Online-Redaktion in Augsburg Ende 2018 geschlossen werden, Utopia soll dann die Online-Aktivitäten als Dienstleister für Öko-Test betreiben. Doch damit nicht genug.
Die SPD setzt auf Profitmaximierung
Utopia veröffentlichte im Internet Testergebnisse des Öko-Test-Magazins kostenlos bei sich, ohne dafür eine Vergütung an Öko-Test zu zahlen. Pikant ist dabei zweierlei: Zum einen muss der Nutzer auf der Internetseite von Öko-Test für die Testergebnisse bezahlen. (Anmerkung: Zwischenzeitlich hat man bei Utopia diese Veröffentlichungspraxis wohl abgeändert.) Und zum anderen ist Utopia jedenfalls zum 31.12.2016 bilanziell überschuldet, zur Abwendung dieser Überschuldung hat die DDVG den Rangrücktritt mit ihren Forderungen erklärt.
Fazit: Es gibt Unklarheiten und Ungereimtheiten, was die unternehmerischen Aktivitäten der SPD im Rahmen ihres Konzerns DDVG angeht. Die Digitalstrategie und Auslandsaktivitäten in China sind bisher ohne Erfolg und bringen mehrere SPD-Unternehmen in finanzielle Bedrängnis. Dabei setzt die SPD alles auf Profitmaximierung. Es sollen mit den Unternehmensaktivitäten höhere Gewinne als bisher erwirtschaftet werden, die dann an die Partei abgeführt werden können.
Dazu ist ein grundlegender Strategiewechsel bei Öko-Test, einem der Vorzeigeprojekte angedacht. Öko-Test könnte von einem Verbrauchermagazin zu einer Zertifizierungsagentur für Produkthersteller werden. Eine solche strategische Neuausrichtung obliegt grundsätzlich der Entscheidung des Eigentümers, also der DDVG/SPD. Doch sie würde zugleich zeigen, was von der angeblich bestehenden redaktionellen Unabhängigkeit bei den SPD-Zeitungen und -Medien zu halten ist. Eigentümer-Interessen gehen entgegen allen Bekundungen eben doch der redaktionellen Unabhängigkeit vor. Sollte sich der Verdacht von Öko-Test-Minderheitsaktionären bestätigen, dass die DDVG/SPD die Markenrechte am Öko-Test-Label ganz an sich ziehen und dazu Öko-Test in die Insolvenz treiben wolle, wäre dies ein verheerendes Signal.