Von Ansgar Neuhof.
Seit Anfang 2014 ist Ralf Stegner stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Um markige Worte nie verlegen, nennt er Steueroasen lieber „Gerechtigkeitswüsten“ und fordert ein Verbot von Briefkastenfirmen, wie kürzlich gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. Seit November 2014 besitzt die Partei, der Stegner als Vize vorsitzt - die SPD - über ihre Wirtschaftsholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg) eine Off-Shore-Firma in der Steueroase bzw. Gerechtigkeitswüste Hongkong namens Cavete Global Ltd. Ob seine Verbotsforderung auch für SPD-eigene Firmen gelten solle, ließ Stegner offen.
Einen Monat vor der Gründung der Cavete Global Ltd. trat übrigens das Abkommen zum automatischen Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden und die Einführung von Unternehmensregistern in Kraft. Hierzu heißt es im Beschluß der SPD-Bundestagsfraktion vom 12.04.2016 zur sofortigen Beendigung von Steuerbetrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung: „Seit Oktober 2014 haben sich über 90 Staaten diesem Abkommen angeschlossen. Andere- wie Panama oder Hongkong (!!!) - verweigern sich bis heute.“ Angesichts solcher zunehmender zwischenstaatlicher Kontrollen ist es vielleicht nicht das Schlechteste, wenn man eine Firma dort hat, wo es die Kontrollen nicht gibt – zum Beispiel in Hongkong. Allemal besser als in Panama, wo der Datenschutz ja doch erhebliche Lücken hat.
Undurchsichtiges Firmengeflecht – Cavete Nummer 2
Und wenn schon Auslandsaktivitäten in Asien, dann aber richtig, sagte sich offenbar die SPD/ddvg und gründete gleich noch eine zweite Cavete – nämlich die Cavete Beijing Consulting Co. Ltd., an der die Cavete Global Ltd. und damit letztlich die SPD zu 50 Prozent beteiligt ist. Dem Namen nach ist zu vermuten, daß diese zweite Cavete in Peking (Beijing) ansässig ist, eine Verifizierung im Gesellschafts-Register von Peking war aber bisher nicht möglich.
Und außerdem gibt es da ja immer noch auch die in Hamburg ansässige DDVG China GmbH (AG Hamburg, HRB 127585), die der SPD bzw. ddvg zu 70 Prozent gehört und deren Geschäftszweck das digitale Verlagsgeschäft insbesondere in China ist. Welchen Sinn dieses SPD-Firmengeflecht für China/Hongkong hat und was diese Firmen so treiben, ist bis heute unklar.
Irreführende SPD-Erklärungen
Schon mancher SPD-Verantwortliche hat sich an einer Erklärung versucht, so beispielsweise die Generalsekretärin Barley und NRW-Finanzminister Walter-Borjans, die beide fälschlich davon sprechen, daß Cavete in China eine Zeitschrift nach dem Vorbild von Öko-Test herausgebe. Eine solche Zeitschrift gibt es in China jedoch nicht. Auch SPD-Vize Stegner hat sich vor kurzem mittels einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt. Er weiß immerhin, daß es nicht um eine Zeitschrift geht, sondern um ein Internet-Verbraucherportal namens Okoer.com, eine chinesische Variante von Öko-Test. Mehrheitseigentümerin des Joint Ventures sei demnach die SPD-Medienholding ddvg mit 50,06 Prozent, während drei chinesische Privatinvestoren sich den Rest aufteilen. Damit dies möglich wurde - so Stegner -, mußte aufgrund chinesischer Gesetzgebung von Seiten der ddvg die Cavete Global Ltd. gegründet werden.
Was Stegner mitteilt, stimmt so jedenfalls nicht mit der Realität überein. Denn das Portal Okoer.com ist im Besitz der chinesischen Gesellschaft Youke. Gesellschafter von Youke sind ausschließlich drei chinesische Staatsbürger, wie die Öko-Test Verlag GmbH mir ausdrücklich mitteilte und durch eine Nachschau im Gesellschafts-Register von Peking bestätigt werden konnte. Somit ist die Cavete Global Ltd. an Youke nicht beteiligt, ebensowenig wie die Öko-Test Verlag GmbH.
Stegner erweckt hingegen den Eindruck, daß die ddvg bzw. Cavete Mehrheitseigentümerin am Portal Okoer.com sei, obgleich es Youke gehört, an der Cavete nicht beteiligt ist. Das ist nicht verständlich. Ebenso ist Stegners Behauptung nicht verständlich, daß die Cavete Global Ltd. aufgrund chinesischer Gesetzgebung benötigt worden sei. Denn es ist selbstverständlich auch in China möglich, ein dort ansässiges Unternehmen mit ausschließlich ausländischer Beteiligung zu gründen und zu betreiben. Das nennt sich WFOE (wholly foreign-owned enterprise) und geschieht meist in Form einer Limited, wie man leicht bei einer kurzen Internetrecherche feststellen kann (siehe beispielsweise hier oder hier).
Der Vorteil eines WFOE liegt darin, daß man unabhängig von chinesischen Partnern ist und vor allem auch geistiges Eigentum besser schützen kann. Also eigentlich genau das Richtige für ein Internet-Verbraucherportal in China mit deutschem know-how. Doch die SPD mag es lieber kompliziert und gründet gleich mehrere Firmen, deren Verbindungen untereinander und zu anderen Partnern im Dunkeln bleiben, so daß eine umfassende Beurteilung der SPD-Auslandsgeschäfte unmöglich ist.
Cavete eine Briefkastenfirma?
Damit stellt sich weiterhin die Frage, ob die Cavete Global Ltd. eine Briefkastenfirma ist. Die SPD-Bundestagsfraktion definiert Briefkastenfirmen als Firmen, die am offiziellen Firmensitz keine Mitarbeiter, sondern allenfalls einen Nominee director (Scheindirektor) haben und in der Regel kein aktives Geschäft betreiben, sondern der Verwaltung von Beteiligungen und der Finanzierung von Firmen und ihren Geschäften dienen. Das trifft nach allen bisherigen Erkenntnissen auf die Cavete Global Ltd. in Hongkong zu; denn sie hat in Hongkong keine Mitarbeiter, sondern nur einen sogenannten Scheindirektor, während die tatsächlichen Geschäftsführer in Deutschland ansässig sind. Daß sie selbst in Hongkong/China ein aktives Geschäft ausübt, ist nicht ersichtlich, eher wohl hält sie Beteiligungen wie etwa an der Cavete Beijing Consulting Co. Ltd. Daß die Cavete Global Ltd. selbst keine Mitarbeiter hat, die das Portal Okoer.com betreiben, belegt indiziell auch eine Stellenanzeige von Öko-Test, das Mitarbeiter sucht, die sowohl für das deutsche Magazin als auch das chinesische Portal Okoer.com arbeiten sollen.
Dabei ist nochmals zu betonen ist, daß Briefkastenfirmen nicht illegal sein müssen. Ich hatte ja bereits an anderer Stelle dargelegt, daß eine „legale“ Briefkastenfirma für die SPD großen Nutzen haben könnte.
Vom Anwalt des kleinen Mannes zum Global Player
Wozu also diese ganzen China-/Hongkong-Aktivitäten der SPD? Einstmals galt die SPD als Arbeiterpartei und als Anwalt des kleinen Mannes. Spätestens seit dem SPD-Bundeskanzler Schröder, dem Genossen der Bosse, kann davon keine Rede mehr sein. Die Partei verliert von Jahr zu Jahr Mitglieder und Wähler, nicht nur, aber auch bei den sog. kleinen Leuten. Mittlerweile liegt sie in Umfragen bundesweit unter 20 Prozent. Ist ein Geschäftsfeld (Partei) nicht mehr sonderlich erfolgreich, so muß man sich stärker auf andere - profitablere - Geschäftsfelder (Wirtschaft) konzentrieren - denkt sich wohl die SPD und verstärkt ihre Wirtschaftsaktivitäten über die Unternehmensholding ddvg.
Die ddvg hat in den fünf letzten vorliegenden Geschäftsjahren 2010-2014 positive Betriebsergebnisse (EBITDA) von insgesamt über 63 Mio. € erzielt und verfügt über ein Vermögen von mehr als 400 Millionen Euro (Stand 31.12.2013). Das aber genügt den Genossen der Bosse offenkundig nicht mehr. Sie wollen expandieren und den asiatischen Markt erobern und zum wirtschaftlichen Global Player werden (vgl. Cavete Global Ltd.: nomen est omen). Auf welchem Wege sie dies aber tun wollen, verheimlichen sie.
Siehe auch:
Wozu braucht die SPD eine Off-Shore-Firma in Hongkong?
Wozu braucht die SPD eine Off-Shore-Firma in Hongkong? (Teil 2)
Wozu braucht die SPD eine Off-Shore-Firma in Hongkong? (Teil 3)
Die SPD, die Achse und die Strukturmerkmale eines Briefkastens