Wie baut man eine Atombombe?

Könnte ein Land versuchen aus dem nuklearen Brennstoff seiner Kernkraftwerke Bomben zu bauen? Aber wer sollte heute auf eine solch mörderische Idee kommen! Nun, vielleicht ein Land, das glaubt, dieser Schritt sei die einzige Chance, um sich gegen einen übermächtigen Angreifer zu verteidigen.  

Bislang hatten bei uns drei vermeintlich existenzielle Risiken den Schrecken der Kernkraft ausgemacht: Unfall, Endlagerung und Bomben. Jetzt aber treten diese Ängste in den Hintergrund, denn ihr Nutzen wird überdeutlich: Kernkraft bietet zuverlässige, preiswerte und saubere Energie, und das zu jeder Jahreszeit. 

78 Prozent der Deutschen wünschen derzeit den Weiterbetrieb der verbliebenen Kraftwerke bis Sommer 2023, 67 Prozent bis 2026. Den Bau neuer Kraftwerken befürworten immerhin 41 Prozent. Zu kaum einem anderen politischen Thema gibt es in der Bevölkerung heute eine solch klare Haltung. Es wird für die Grünen Politiker immer schwieriger werden, sich dieser Mehrheit der Vernünftigen zu widersetzen und gleichzeitig noch einen Anschein von Demokratie und Logik zu wahren.

Die apokalyptischen Reiter verlieren ihren Schrecken 

Das drohende Gespenst eines Unfalls wurde durch Fukushima letztendlich entschärft, nachdem nicht mehr verheimlicht werden konnte, dass durch das Reaktorunglück niemand zu Tode gekommen war, während Tausende in durchaus konventionellen Strukturen ihr Leben verloren: in Eisenbahnen, in ihren Häusern und auf den Straßen. 

Auch die langfristige Lagerung verbrauchter Brennelemente scheint gelöst, nachdem in Europa demnächst das erste Endlager in Betrieb genommen wird. 

Bleibt noch das dritte Risiko, dass aus dem nuklearen Brennstoff eines Kernkraftwerks Bomben gebaut werden könnten. Aber wer sollte so etwas wollen? Nun, eine Nation, die glaubt, sich nur so gegen einen übermächtigen Angreifer verteidigen zu können. Auf jeden Fall bräuchte so eine Nation dann aber eigene Kernkraftwerke. 

In der Ukraine steht Europas größtes Kernkraftwerk mit sechs Druckwasser-Reaktoren und einer elektrischen Gesamtleistung von 5.700 Megawatt.

Lassen wir dahingestellt, ob dieses Land auch nur im Geringsten die Absicht haben könnte, Bomben zu bauen, und ob die russischen Besatzer Zugang zu den Anlagen überhaupt erlauben würden. Aber lassen Sie uns dennoch, unabhängig von der aktuellen militärischen Realität, in Gedanken durchspielen, ob aus dem nuklearen Brennstoff von Reaktoren Bomben gebaut werden könnten. Könnte man, um das Bibelwort umzudrehen, aus nuklearen Pflugscharen nukleare Schwerter schmieden?

Die kritische Masse

Es gibt zwei Typen von Atombomben: solche aus Uran und solche aus Plutonium. In einem ausreichend großen Klumpen vom jeweiligen Stoff läuft spontan eine nukleare Kettenreaktion ab, bei der Neutronen die Atomkerne spalten, wobei weitere freie Neutronen entstehen, die den Vorgang fortsetzen. Das geschieht mit sehr hoher Geschwindigkeit und es werden im Vergleich zu konventionellen Explosionen die millionenfachen Energien freigesetzt. 

Die ausreichend große Menge dafür, genannt kritische Masse, liegt bei ca. 25 kg Uran. Dabei kann man aber nicht den Stoff nutzen, so wie er in der Natur vorkommt. Wie so viele andere Elemente kommt auch Uran in verschiedenen Sorten, verschiedenen „Isotopen“ vor, die im Aussehen und den chemischen Eigenschaften völlig identisch sind, deren Atomkerne aber eine leicht unterschiedliche Masse haben. Für „unsere“ Zwecke taugt nur das Uran mit Masse 235, welches gerade mal 0,7 Prozent des natürlichen Stoffs ausmacht, der Rest ist U238. 

Für die meisten Reaktortypen muss der Anteil von 0,7 auf ca. 4 Prozent „angereichert“ werden, für Bomben auf über 90 Prozent. Das ist schwierig. Während man Gold und Silber durch Säure trennen kann – Silber löst sich auf, Gold nicht – gibt es zur Trennung der Isotope kein chemisches Verfahren, denn für die Chemie sind die verschiedenen Isotope identisch. Stattdessen verwandelt man das Uran in eine gasförmige chemische Verbindung und schickt dieses Gas durch Zentrifugen, in denen die etwas schwereren U238-Moleküle nach außen driften. In unendlich komplizierten Anlagen mit hunderten von Zentrifugen wird so sehr mühsam eine Anreicherung erzielt.

Die Hersteller von Brennstoff für unsere Kernkraftwerke betreiben solche Anlagen. Wir könnten dann die von ihnen gelieferten, fabrikneuen Brennstäbe zerlegen und das auf 4 Prozent angereicherte Uran für eine Bombe beiseiteschaffen.  

Das müsste jetzt noch weiter auf 90 Prozent angereichert werden, um „waffenfähiges“ Uran zu bekommen. Das aber geht nicht ohne die erwähnten Zentrifugen, und solch eine Anlage kann man nicht kurzfristig in einer Garage aufbauen, es wäre ein gigantisches Projekt. Der Iran arbeitet seit vielen Jahren genau daran und macht in dem Zusammenhang immer wieder Schlagzeilen.

Mit anderen Worten: Der rasche Bau einer Uran-Atombombe auf der Basis unbenutzter Brennstäbe ist ausgeschlossen.

Und was ist mit Plutonium?

Wie steht es um eine Bombe aus Plutonium? Dieser Stoff kommt nicht in der Natur vor, er entsteht allerdings während des Betriebs eines Reaktors in den Brennstäben. Man bräuchte etwa vier Kilogramm davon für eine Bombe. Die könnte man aus ausgedienten Brennstäben gewinnen, indem man das Plutonium chemisch von den anderen Bestandteilen, etwa vom Uran, trennt. Da es sich um unterschiedliche Elemente handelt, kann man sie so ähnlich trennen wie Silber und Gold.

Aber solch ein Vorgehen ist dennoch unmöglich, denn die Brennstäbe sind nach dem Einsatz im Reaktor dermaßen radioaktiv, dass ihre Handhabung nach wenigen Minuten eine tödliche Strahlungsdosis mit sich brächte. Die Abtrennung vom Plutonium aus benutzen Brennstäben – der PUREX Prozess – wird in industriellem Maßstab in Wiederaufbereitungsanlagen durchgeführt, allerdings erst nach einer Wartezeit von fünf bis zehn Jahren, in der die Brennstäbe Teile ihrer Radioaktivität verloren haben. Aber auch dann noch werden alle Arbeiten hinter dicken, strahlungssicheren Glasscheiben mit Robotern durchgeführt.

Mit anderen Worten: Auch die Plutonium-Bombe kann nicht ad hoc aus Reaktor-Material hergestellt werden. Zudem wäre der Bau der Bombe selbst, auch wenn das Material vorhanden wäre, eine große Herausforderung. Man vermutet, dass Nordkorea zwar über ausreichend Plutonium verfügte, dass die ersten Tests aber gezeigt hätten, dass das Know-how für die Konstruktion einer „effizienten“ Bombe fehlte.

 Die IAEA

Auch wenn friedliche und kriegerische Anwendung von Kerntechnik auf den ersten Blick nahe beieinander zu liegen scheinen, so ist der praktische Weg vom Reaktor zur Bombe in Form eines kurz- oder mittelfristigen Projekts unmöglich. Der Betrieb von Kernkraftwerken ist für ein Land weder eine notwendige, noch eine hinreichende Bedingung, um Bomben zu bauen. Weder Israel noch Nordkorea haben Kernkraftwerke, aber Bomben haben sie.

Dazu kommt, dass es eine Organisation gibt, die eigens zur Verhinderung derartiger Aktivitäten geschaffen wurde: die Internationale Atom-Behörde IAEA mit ihrer Safeguards-Division. Sie hat die Aufgabe, über jedes Gramm Plutonium oder Uran235 Buch zu führen und den Betreibern der Kraftwerke über die Schulter zu schauen, um Missbrauch für kriegerische Zwecke zu verhindern. 

Dieser dritte Vorbehalt gegen Kernenergie, nämlich die Gefahr eines Bombenbaus, ist also offensichtlich haltlos. Deutschlands Weg zurück zur Kernenergie sollte also nichts mehr im Wege stehen, denn der Frieden lässt sich nicht dadurch sichern, dass Technologien verboten werden. Es wäre dagegen zielführend, dass Intelligenz und logische Disziplin, so wie sie bei deren Entwicklung zum Einsatz kommen, auch bei politischen Entscheidungen Anwendung fänden. 

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Los Alamos National Laboratory via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Helmut Driesel / 24.10.2022

  Schön und gut. Besser wäre noch ein klares Wort gewesen, inwieweit die neuen Reaktortypen, wie sich von einigen Autoren hier reichlich gelobt wurden, auch die Frau Weidel ist ja in ihrer etwas populistischen Energie-Rede vorige Woche darauf eingegangen, ob die zwingend eine Plutoniumwirtschaft erfordern? Und Kernwaffen kann man möglichweise auch käuflich erwerben, wenn man Macht hat, beispielsweise die Macht der Uranförderländer. Sehen Sie, es gibt immer Extremisten und Radikale aller Genese, Psychopathen mit Abitur, kaputt gespielte Exmilitärs mit Chemiepromotion usw.  Also Leute, die sich über etwas frei flottierendes PU herzlich freuen würden. Nebenbei: Was ist eigentlich aus dem PU-haltigen Staub geworden, der vor einigen Jahren in der Besenkammer eines französischen AKW “gefunden” wurde?

Arne Ausländer / 24.10.2022

Die staatliche Förderung des Baus von Kernkraftwerke begann Anfang der 1960er nicht zufällig recht schnell nach dem Abschied von der Forderung nach nuklearer Bewaffnung der Bundeswehr (vgl. Spiegelaffäre). Auch beim Iran ist ja die Nähe von ziviler Kernkraft und Kernwaffen Grund für den jahrelangen Streit. Trotzdem hat der Autor natürlich recht: ganz so einfach ist der Schritt von einem zum anderen wirklich nicht. Daher sollte eigentlich klar sein, daß ukrainisches Gerede von Atomwaffen sich auf den Fehler der 1990er bezieht, als man die vorhandenen Waffen gegen Garantien abgegeben hat, die sich seit 2014 als wertlos herausstellten. (Also einschließlich der Garantien der westlichen Seite!) Rußland hätte seine Neu-Expansion auf Kosten ukrainischen Territiums kaum gewagt gegen ein atomar gerüstetes Land, selbst wenn das Arsenal veraltet war etc. Übrigens die effektivste Werbung für die Anschaffung von Kernwaffen! - Bei der Aufzählung der Probleme mit der Kernkraftnutzung fehlt der Bergbau. Da ja selbst bei der Gewinnung des als solches völlig ungefährlichen Goldes mit extrem schädlichen Methoden gearbeitet wird, sollte man die Problemberichte aus Uranbergbauregionen wie Niger und Nordaustralien doch nicht einfach ignoriren. - Zu einer Frage in Zusammenhang mit dem Osthold-Beitrag: der Kakhovka-Staudamm liegt klar in seit Ende Februar russisch besetztem Territorium.

Albrecht Frenzel / 24.10.2022

Schmutzige Atombomben zu bauen, ist ungleich leichter: man nimmt “Atommüll” aus abgebrannten Brennstäben und baut ihn als in eine konventionelle Bombe ein. Das Ergebnis ist dann zwar keine Kernexplosion, sondern “nur” die radioaktive Kontamination mehr oder weniger großer Areale. Das ist für einen Staat, wie die Ukraine ohne größere Probleme machbar – so völlig haltlos ist das Szenario also nicht.

jan blank / 24.10.2022

Kurz, knapp und korrekt. Was wohl Physikerin Merkel dazu sagen würde? Hat wohl ihren Lehrberuf verraten… Angesichts des aktuellen Politpersonals könnte man aber auch genauso gut in eine Moschee gehen und sagen: “Also Jungs, ähem übrigens, Allah gibts nicht”...

Ludwig Luhmann / 24.10.2022

Hätten die Ukrainer ihre Atombomben nicht den Russen ausgehändigt, dann könnten die Ukrainer jetzt vielleicht in Frieden leben. Ich halte “Si vis pacem, para bellum” für einen fundamental wichtigen Satz, der für jedes Individuum Gültigkeit hat.

Volker Kleinophorst / 24.10.2022

Kurz: Theoretisch kann man, aber praktisch nicht so einfach. Eine sogenannte schmutzige Bombe, die ja keine echte Atombombe ist. Das ist nicht so schwer. Und auch kein Spaß.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 22.04.2024 / 14:00 / 16

Atomkraft: Das tote Pferd ist sehr lebendig

Vergangene Woche hat die Internationale Atomenergie Behörde (IAEA) Vertreter von Industrie und Politik aus interessierten Nationen zu einer Konferenz nach Peking eingeladen.  Themen waren die…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 29.03.2024 / 14:00 / 22

Nukleargipfel: Na dann eben ohne Deutschland

Kürzlich fand in Brüssel der erste Nuclear Energy Summit, das erste globale Gipfeltreffen zum Thema Kernenergie statt. Repräsentanten aus 34 Ländern nahmen teil, darunter alle wichtigen…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 09.03.2024 / 12:00 / 21

Tschernobyls Wölfe: Krebsresistenter dank Strahlung?

Im Sperrgebiet um den Reaktor von Tschernobyl entwickelte sich eine Wolfspopulation mit erhöhter Resistenz gegen die Auswirkungen von Krebs. Im Sperrgebiet um den Reaktor von…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 03.01.2024 / 16:33 / 13

Das Desaster von Tokio und das Wunder

Je seltener Desaster werden, desto mehr Aufsehen erregen sie. Die Luftfahrt ist mit täglich 100.000 unfallfreien Flugbewegungen extrem sicher geworden, und so ist die Kollision…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 18.12.2023 / 14:00 / 36

Wahnhafte Störungen nationaler Tragweite

Die deutsche Politik zeigt seit Jahren deutliche Symptome wahnhafter Störungen. Entscheidungen entspringen illusorischen Vorstellungen, die jeder sachlichen Beobachtung widersprechen, an denen man dennoch eisern festhält.…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 16.12.2023 / 16:00 / 29

Physik und Klimawandel: Die Angst vor der Wahrheit

Ein Physiker, der nichts von Klimawissenschaft versteht, ist nützlicher als ein Klimawissenschaftler, der nichts von Physik versteht. Daran kann auch die COP28 in Dubai nichts ändern.…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 04.12.2023 / 15:15 / 26

Die Maßeinheit für Größenwahn

Der geplante Ausbau von Solaranlagen um den Faktor drei wird keine Probleme lösen, aber enorme Einbußen an Lebensqualität mit sich bringen. Widerstand ist aber zwecklos,…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 10.11.2023 / 16:00 / 13

Das große Klimageschäft in Dubai

Werden die G7 den Rest der Welt dazu bringen, ihre Stromversorgung auf erneuerbare Energiequellen umzustellen? Um das zu beurteilen, muss man die Größe der BRICS-Staaten…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com