Anabel Schunke / 24.02.2020 / 06:08 / Foto: Achgut.com / 122 / Seite ausdrucken

Wer erreicht die Menschen noch, die sich sorgen?

In Zeiten, in denen die subjektive Moral und die eigene Angst, man könne von Anderen auf der „falschen“ Seite verortet werden, über allem stehen, hat es die ruhige, sachliche Analyse nicht leicht. Es dominiert die Hysterie. Der Drang, „Haltung“ zu zeigen, was in der heutigen Zeit im Wesentlichen nichts anderes bedeutet, als sich dem linken Rand zuzuordnen, weil man in der Mitte nicht weit genug von Rechts entfernt steht und die Kontamination fürchten muss, ist allgegenwärtig. Für die Ratio ist da schon lange kein Platz mehr. Eine Gesellschaft, die den gesunden Menschenverstand in der Debatte abgeschafft hat, weil mittlerweile schon das Nicht-Ausrasten als verdächtig gilt, hat jedoch keine Chance darauf, ihre Probleme zu lösen. 

Viel wichtiger als Problemlösungen sind jedoch ohnehin Schuldzuweisungen, weil sie so herrlich vom eigenen Versagen ablenken und eine vermeintliche Sicherheit suggerieren, die jenen, die nun in Angst leben, weismachen soll, dass gewisse Taten zu verhindern seien, wenn es nicht die Brandstifter X, Y und Z gäbe. 

Es kann daher nicht schaden, sich den Ursachen für die steigende Anzahl von rechtsextremistischen Angriffen einmal genauer zuzuwenden. Hierfür lohnt es sich, einmal einen Blick auf eine Studie zweier norwegischer Konfliktforscher aus dem Jahre 2016 zu werfen. Den zwei Männern war nämlich aufgefallen, dass die Zahl von Angriffen mit rechtsextremistischen Hintergrund in Schweden relativ zur Bevölkerung höher war als irgendwo sonst. Als Gründe führten sie die pro Kopf rekordhohe Einwanderung, eine von gesellschaftlichen Tabus gekennzeichnete Debatte zum Thema Migration und einen im Vergleich zu anderen Staaten starken rechtsextremistischen politischen Untergrund an. So weit so ersichtlich. Paradox sei jedoch laut der beiden Forscher, dass Xenophobie in der schwedischen Bevölkerung gemäß diverser soziologischer Indikatoren relativ wenig verankert sei und allgemein eine gute soziale Kohärenz herrsche. 

Die dennoch hohe Anzahl von rechtsextremistischen Angriffen sei demnach vor allem auf die vollkommen tabuisierte Migrationsdebatte zurückzuführen. Ansichten, die sich kritisch mit der Migration in Schweden auseinandersetzten, würden pauschal als rassistisch und extremistisch gebrandmarkt. „Angesichts der Unterdrückung und Stigmatisierung solcher Themen durch den meinungsbildenden Mainstream sei es schwer, eine Reihe von Fragen anzusprechen, die nachweislich einen zunehmenden Teil der Bevölkerung beschäftigten.“

Ähnliche Beobachtungen machten auch schwedische Konfliktforscher nicht nur in Bezug auf die gesellschaftliche Debatte, sondern auch bezüglich der parlamentarischen Demokratie in Schweden. So seien die rechtsnationalen Schwedendemokraten in der Debatte von sowohl den links-grünen Parteien als auch von der bürgerlichen Opposition komplett ausgeschlossen worden. Ähnlichkeiten zur momentanen Situation in Thüringen und ganz Deutschland sind dabei rein zufällig. 

Texte, in denen sich die Menschen wiederfinden

„Überdies hielten die Forscher fest, dass in Schweden mit seiner hohen Zuwanderung über die letzten Jahre logischerweise auch das gesellschaftliche Konfliktpotenzial zugenommen habe. Dies umso mehr, als die Integration schlecht funktioniert und zu Kriminalität geführt habe.“ Damit bringen die Forscher auf den Punkt, was sich ebenfalls seit spätestens 2015 – in Teilen aber auch schon zuvor – beobachten ließ.

Denn wenn ich eines in den letzten Jahren bemerkt habe, dann, dass der Grund für die Wut und den Hass, den ein wachsender Teil der deutschen Bevölkerung mittlerweile empfindet, sicherlich nicht in der Kritik liegt, die meine Kollegen und ich unter anderem an der Asylpolitik der Kanzlerin und dem strengen Islam üben, sondern, im Gegenteil, an der Tabuisierung des Diskurses und Stigmatisierung eines jeden, der sich überhaupt noch traut, Kritik an grenzenloser Zuwanderung und Integration zu üben.

Nein, es sind gerade diese Texte, in denen sich die Menschen wiederfinden, die für eine Entlastung des Gemüts sorgen. Die sie wissen lassen, dass es okay ist, Zweifel und Bedenken zu haben und mit diesen nicht völlig alleine dazustehen. Es ist diese ehrliche Benennung von Problemen, die ab und an noch für kleine Risse in der Grabplatte sorgen, die von selbsternannten Wächtern der Political Correctness über diese Debatte gelegt wurde. 

Und auch von der AfD kann man halten, was man will. Man kann ihre Protagonisten mitunter unappetitlich finden und den rechten Flügel, so oft es geht, einer notwendigen kritischen Betrachtung unterziehen. Es ändert nichts daran, dass sie Symptom und nicht Ursache ist. Dass es nun einmal keine linke Traumwelt geben wird, in der sich alle Parteien dem Druck beugen und nach links übersiedeln, ohne dass man damit einen beachtlichen Teil der Bevölkerung politisch heimatlos macht und rechts der Mitte zwangsläufig ein Vakuum entsteht. Der Mensch ist in seinen Ansichten unterschiedlich.

Wo Merkels Politik ein Vakuum hinterlassen hat

Entweder man zwingt ihn dazu, nur noch links zu wählen, dann ist das keine Demokratie mehr, oder man akzeptiert, dass die AfD an die Stelle getreten ist, wo Merkels Politik ein Vakuum hinterlassen hat, und dass sie erst wieder verschwinden wird, wenn auch diese Bürger in den etablierten Parteien wieder eine angemessene Vertretung erfahren. Feststeht: So lange die Menschen die Möglichkeit haben, ihrer Wut und Enttäuschung mittels eines Kreuzes auf einem Wahlzettel Ausdruck zu verleihen, funktioniert das System noch sehr gut. Problematisch wird es erst dann, wenn es selbst diese Möglichkeit nicht mehr gibt oder die gewählten Vertreter vom politischen Diskurs komplett ausgeschlossen werden. 

In Deutschland hat man sich offenbar dazu entschlossen, den Weg des Ausschlusses zu gehen und überdies, speziell Hanau, die Debatte um Migration und Integration nun endgültig ad acta zu legen, indem man nun auch noch die letzten Reste zaghafter bürgerlich-konservativer Kritik tabuisiert und sie zur geistigen Grundlage von Tätern wie Tobias R. erklärt. Ein erster Schritt ist bereits gemacht, indem man selbst die kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Shishabar als hassschürend einstuft. Dass man ernsthaft glaubt, dass man den „abtrünnigen“ Teil der Bevölkerung damit zurückgewinnt und plötzlich wieder SPD und CDU statt AfD wählt, ist an Naivität nicht zu überbieten. 

Wer erreicht sie wohl eher: Jene, die mit ihrer sachlichen Kritik ein Ventil bieten und durch die Benennung von Problemen an Lösungen interessiert sind, die die Stimmung in der Gesellschaft entschärfen – oder jene, die jeden von der eigenen Meinung abweichenden Gedanken verbieten wollen? Schaut man sich die Studie der beiden Konfliktforscher aus Norwegen an, dürfte die Antwort anders ausfallen, als von hiesigen Vertretern aus Politik und Medien suggeriert. 

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R. Schäfer / 24.02.2020

Was mich und sicher auch viele andere erreichen würde ist das gleiche wie immer: eine inhaltliche Diskussion über die Themen, über die die Gesellschaft unterschiedlicher Meinung ist. In diesem Satz möchte ich übrigens die Formulierung “über die die Geselschaft gespalten ist” nicht sehen. Mehr als eine Meinung ist normal für eine Demokratie. Und das ist eigentlich Agreement Nr. 1, das es herzustellen gilt, bevor wir Inhalte diskutieren. Die Inhalte sind die selben wie seit Jahren: Einwanderungssteuerung/-regelung, innerer Frieden inkl. Gleichbehandlung von Extremismus sämtlicher Seiten, Bildung, Infrastruktur, Umwelt (z.B. Plastikmüll), Innovation und Beseitigung ihrer Hemmnisse.  Was mich inzwischen richtig anwidert, weil es kein Ende nimmt: Dreck schmeissen jeglicher Art, sich selbst heilig sprechen, Stillstand, Geldverschwendung, Lügen, Fehler ignorieren, Meinungen und Personen ausgrenzen,...

Klaus Weber / 24.02.2020

Warum soll eigentlich die AfD verschwinden wie eine Krankheit (ein Symptom), falls andere wieder zur Vernunft gekommen sein sollten. Weil es da ein paar unappetitliche Leute gibt? Als ob es die in anderen Parteien nicht gibt. Ich kenne sehr viel mehr Figuren bei den Altparteien, die mir Übelkeit verursachen. Und auch sehr viel mehr, die sich extrem bzw. radikal äußern. Ich finde es irgendwie auch ein bisschen unappetitlich, dass auch hier und überall inzwischen JEDESMAL dazugesagt werden muss “man kann von der AfD halten was man will”. Das ist ermüdend und irgendwie auch schäbig. In meinem Wahlkreis vertritt die AfD sehr vernünftige Positionen mit - soweit ich das beurteilen kann - gar nicht so üblem Personal. Jedenfalls haben diese Leute mehr Rückgrat als die Haltung-Zeiger, die ich wirklich unappetitlich finde.

Rainer Berg / 24.02.2020

Die Aussagen der Migranten im Link < kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Shishabar> ist bezeichnend. Sie erwarten, dass sie in einem fremden Kulturkreis, in den sie freiwillig gegangen sind, wie zu Hause leben können. Aber das können sie realistisch nicht es sei denn, das Zielland gibt seine eigene Kultur und Tradition auf. Natürlich ist nicht jeder Migrant ein Mörder und Terrorist, aber zu behaupten, dass Migranten ungefährlich für unsere Sicherheit sind, ist genau so absurd, wie die vielen Gewaltverbrechen zeigen. Wenn Migranten sagen, dass sie sich auf Grund ihrer Hautfarbe abends nicht mehr in Gruppen in irgendeine Bar begeben können; woraus resultiert die Angst und die Voreingenommenheit der Bevölkerung? Diese Frage stellen sie sich natürlich nicht, weil die Antwort für sie unangenehm wäre. Was Sie schreiben ist vollkommen richtig, wieder mal ein excellenter Artikel. Sicher wird die AfD weiter Wähler gewinnen, aber wirklich die politische Macht, etwas zu verändern, wird sie nicht bekommen, da die Massenmedien mit ihrer AfD-Hetze eben viele Wähler erreichen. Zu den “Bösen” möchte man doch nicht gehören, zumal die in der Minderheit sind. Und es ist so leicht, das vernünftige Denken auszuschalten und zur Masse der “Guten” zu gehören; auch Hitler kam durch legale Wahlen an die Macht. Die Zeiten wiederholen sich.

Renate Bahl / 24.02.2020

Liebe Frau Schunke, wieder mal ein gelungener Artikel. Das Ergebnis der Norwegischen Studie erstaunt mich keineswegs, das sagt mir mein gesunder Menschenverstand schon lange. Die Ignoranz seitens der Regierung in Bezug auf moslemische Straftaten täglich hat bei mir geradezu ein Hassgen hervorgebracht, von dem ich glaubte, es nicht zu haben, das ist für mich eigentlich erschütternd. Und dann noch die versagende Justiz, bei Verhängung von Strafen wird mit zweierlei Mass gemessen, Deutsche werden mit aller Härte des Gesetzes bestraft, die Illegalen mit Samthandschuhen angefasst. Somit gehöre ich voll in die NaziEcke! !?? Ich unterstelle,  dass die Meisten, die die AfD diffamieren sich nicht einmal die Mühe gemacht haben deren ParteiProgramm zu lesen und mit dem der CDU von 2005 zu vergleichen, ca. 80% Übereinstimmung. Ich werde weiterhin meine Meinung in Bezug auf fehlgelaufene (und weiterhin laufende) Migratipnspolitik kundtun, es wird ja Haltung erwartet, wenn auch im umkekehrten Sinn.

Werner Ocker / 24.02.2020

Wenn’s leise mieft, sind manche irritiert, wird der unangenehme Geruch deutlicher, fängst’s manchen an zu stinken, und schließlich kotzen die ersten; nämlich Psychopathen wie Rathjen, mit niedriger Würgreizsschwelle. Bei zunehmender Repression derjenigen, die sagen “Es stinkt!”, werden auch Soziopathen mit höherliegender Schwelle ansprechen; besonders dann, wenn ihnen jedwede legitime Möglichkeit einer “Entlastung des Gemüts” genommen wird. Man bestreitet nicht, dass es tatsächlich stinkt, nein! Zwar gibt es “Kanalarbeiter”, die von sich behaupten, die stinkende Kloake austrocknen zu wollen, aber mit denen läßt man sich besser nicht ein, die haben da so gewisse “Stinkstiefel” in ihren Reihen. Nichts für feine Näschen! Man bejammert lieber, dass man selbst mit Unrat aus nämlicher Kloake beworfen wird - bis man der Hatz auf diejenigen, welche “die Verrohung des Diskurses” vorantreiben, selbst zum Opfer fällt, denn “Zuerst kommen Worte, dann die Taten” (Jakob A.).

Franz Gans / 24.02.2020

Mit der gleichen Begründung, die AFD ist für Hanau verantwortlich, kann man jedes Messeropfer, Breitscheidplatz, Bahnschubser, Domplattengrabscher und Vergewaltiger NDH den Parteien CDU/CSU/SPD/LINKE/Grüne anlasten!

Hein Noog / 24.02.2020

Sehr geehrte Frau Schunke, sachliche Diskussionen zu gewissen Themen sind einfach nicht mehr möglich in unserem Land. Ich habe das anfangs versucht, es ist sinnlos, am besten geht man solchen einfach aus dem Weg. Die große Masse will das gar nicht wissen, konsumieren öffentlich rechtliches Fernsehen, die Bildzeitung und das örtliche Käseblättchen, das ja auch von Madsack und ähnlichen Anbietern mit Nachrichten versorgt werden und dieses unreflektiert abdrucken. Man kann sich nur davon fernhalten um nicht auch infiziert zu werden.

Gertraude Wenz / 24.02.2020

Man muss den ” Rechten” nicht nur ihre Stimme lassen, sondern endlich mal ihre Warnungen beherzigen! SIE sind es, die ihren Verstand behalten haben!!!

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