Roger Letsch / 07.03.2024 / 06:00 / Foto: Fabian Nicolay / 55 / Seite ausdrucken

Wer die Demokratie wirklich rettet

Demokraten-Darsteller versuchen, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu retten. Doch Gerichte und Institutionen wachen langsam auf – vom Supreme Court in USA bis zum Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages.

Wie sich Gesten gleichen! Auf beiden Seiten des Atlantiks wurde von wackeligen Regierungen hinter dem Zenit ihrer Amtszeit und mäßigen Aussichten auf Wiederwahl die Demokratie für in Gefahr erklärt. Deshalb muss die Demokratie nun in Deutschland, Kanada und den USA rasch in Sicherheit gebracht werden und sich unter dem Schutz beherzter Demokraten davon erholen, missbraucht zu werden. Was man jetzt brauche, sei eine Art Moratorium, eine Atempause, eine kurze Schutzhaft für die Demokratie. Und natürlich Platzverweise für jene, die das Versprechen auf Teilhabe am Ideenwettbewerb etwas zu wörtlich genommen haben.

Wie sich die Mittel gleichen. Da Appelle und Drohungen wenig bis nichts brachten, weil die Menschen längst das Vertrauen in die lauteren Absichten derer verloren haben, die pausenlos die Machtfrage stellen, werden nun die jeweiligen Rechtssysteme mit den Blutgrätschen beauftragt. In Kanada zog man den „Online-Harms-Act“ aus dem Hut, der es der Regierung erlaubt, ein anonymisiertes Denunzierungssystem für „Wortverbrechen“ zu betreiben. Mit Belohnungen für die Denunzianten und Strafen für die Denunzierten, die von saftigen Geldbeträgen bis zu lebenslanger Haft reichen.

Ergänzt wird diese zu allem bereite Schnüffelei durch eine präemptive Komponente, durch die es den Richtern erlaubt sein soll, „Wortverbrechen“ bereits zu ahnden, bevor sie begangen werden. Die Pre-Crime-Division aus „Minority Report“ lässt schön grüßen. In Deutschland ist mit dem Demokratiefördergesetz bekanntlich Vergleichbares geplant, denn wenn Paus und Faeser (sie leben hoch, hoch, hoch!) nach „Hassverbrechen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ fahnden wollen, ist ja strenggenommen auch noch nichts Ermittelnswertes passiert.

In den USA hinkt die Legislative dem Zeitgeist noch etwas hinterher, weil man dort glaubte, nicht gleich an die Wurzel des Übels – also den Wähler – heranzumüssen und es zunächst mit der Einschränkung des Handlungsspielraums der Wähler versucht. Es könne ja nicht sein, dass man die Wähler einfach so wählen lässt, was sie wollen! Da braucht es Anleitung und Vorauswahl wie im Iran, wo ein weiser Wächterrat aus erprobten Autokraten den Daumen über Kandidaten hebt oder senkt.

In Illinois fühlte sich ein Richter berufen, über die Wählbarkeit von Donald Trump zu entscheiden und strich ihn kurzerhand vom Wahlzettel. Das Urteilsvermögen hierfür muss er sich in den Verkehrsrechtsfällen erworben haben, über die er bislang in seiner Karriere den Vorsitz hatte. In Maine, wo das Gleiche geschah, war die federführende Staatssekretärin Shenna Bellows noch nicht einmal Juristin, aber Macht- und Legitimitätsfragen werden bekanntlich seltener von Kompetenz als von Anmaßung und der „guten Sache“ getragen. Einige andere Bundesstaaten planten Vergleichbares, wobei der Fall in Colorado der erste seiner Art und damit am weitesten fortgeschritten war.

Alles gleicht sich!

Wie sich die Ergebnisse gleichen! Einen Tag vor dem „Super-Tuesday“, dem entscheidenden Tag in den Vorwahlen zur Präsidentschaft, urteilte der Supreme Court in einem an Eindeutigkeit nicht zu übertreffenden 9:0, dass es den Einzelstaaten nicht zusteht, auf diese Weise in eine Wahl auf Bundesebene einzugreifen, zumal dem Versuch, Trump von den Wahlzetteln zu streichen, nicht einmal eine rechtskräftige Verurteilung wegen all der Ungeheuerlichkeiten vorausging, die man Trump zur Last legen wollte. „Aber all die Prozesse gegen ihn…“ wird der eine oder andere Leser jetzt vielleicht einwenden. Doch erstens ist an dieser Front nichts entschieden und zweitens ist bei all den Anklagen gegen Trump nicht eine dabei, die ihn am Ende als Anführer des „Aufstandes“ vom 6.1.2021 würde dastehen lassen.

Alles, was sie darüber womöglich zu wissen glauben, liebe Leser, stapelt sich in ihrem Kopf dank der unermüdlichen und immergleichen Interpretation beflissener Medien. Drittens – und das mit großem Unterhaltungswert – schwimmen sämtlichen Anklagen langsam die Felle davon. Sei es in Washington, wo zum Entsetzen der Journaille der Supreme Court Trumps Anhörung zu der Frage gestattete, ob seine Handlungen als Präsident nicht ohnehin Immunität genössen, sei es in Georgia, wo die Bezirksstaatsanwältin und selbsternannte Trumpjägerin Fanny Willis wegen Falschaussagen unter Eid, Vorteilsnahme, Vetternwirtschaft und womöglich Zeugenbeeinflussung gerade Mühe hat, nicht am Ende selbst dort zu landen, wohin sie eigentlich Trump gern brächte: hinter Gittern. Auch tickt die Uhr nun für Trump, der trotz der empörten Kommentare der Medien partout nicht auf seiner raschen Aburteilung besteht. How dare he!

Wie sich die Reaktionen gleichen! In schöner Regelmäßigkeit entscheiden Gerichte oder Fachinstanzen, dass die medial angeheizten Demokratierettungmanöver im verwirrten Westen so gar nicht mit den Regeln der Demokratie vereinbar sind. In Deutschland etwa befand ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass das Paus-Faeser’sche Demokratiefördergesetz die Regeln unseres Föderalismus verletzt. In den USA beendete wie erwähnt der Oberste Gerichtshof das Treiben politisch ambitionierter Viertelfürsten, die die Verfassung auf sehr eigenwillige Weise auslegen wollten. Auch ob man in Kanada „Pre-Crime“ und „Wortverbrechen“ wohl durchziehen wird, ist offen. Obwohl ich da wenig optimistisch bin angesichts des Umgangs der kanadischen Regierung mit den Protesten der Trucker in 2022.

Es zählt die gute Absicht und die Parteizugehörigkeit

Das alles bedeutet leider nicht, dass die Versuche aufhören, die Demokratie zu retten, indem man sie verhindert. Hat der Supreme Court in den USA nicht gerade den Weg gezeigt, wie man Trump am Ende doch noch daran hindern kann, wieder ins Amt des Präsidenten zu gelangen? Ist in der Begründung der Richter nicht die Rede davon, dass es Aufgabe des Kongresses in Washington sei, zu bestimmen, wer als Putschist zu gelten hat und damit als Präsident amtsunfähig ist?

Das dachte sich auch Jamie Raskin, Kongressabgeordneter der Dems für Maryland, und ventilierte nach der Entscheidung des Supreme Court sogleich einen neuen Plan. Offenbar geht er davon aus, dass die Wahl Trumps nicht mehr zu verhindern sei, doch wenn sich alles gut füge, gewinnt seine Partei ja vielleicht die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Und weil die Abgeordneten dort bereits am 1. Januar 2025 ihr Amt antreten und der neue Präsident erst am 20. Januar, blieben den Rettern der Demokratie ganze 19 Tage, um ein Gesetz zu machen, welches den Amtsantritt Trumps trotz seiner Wahl in letzter Sekunde doch noch verhindern würde.

Ein Votum delegitimieren, eine Niederlage nicht akzeptieren und dann konspirieren… war es nicht genau das, was man Trump immer vorwarf? Schweig still, republikanisches Herz! Es kommt eben nicht auf die Tat an, sondern auf die gute Absicht und die Parteizugehörigkeit des Täters! Das wusste schon Ulbricht, als er sagte: „Genossen, es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten.“ Raskin hat das verstanden und verinnerlicht: Erst wenn der Wille der Wähler ignoriert wird und die tradierten Verfahren in Trümmern liegen, wenn die Demokratie ausgestopft, alarmgesichert und von Parteisoldaten bewacht in einer Museumsvitrine liegt, erst dann ist sie gerettet.

 

Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.

Foto: Fabian Nicolay

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Leserpost

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Rolf Wächter / 07.03.2024

Wenn Herr Trump der nächste Präsident wird, tritt er (und damit sein Land) hoffentlich aus WHO, Klimaverträgen und ähnlichen aus. Das wäre ein positives Signal für den Rest der Welt. Außer den dummen Deutschland werden das evt. andere Länder auch so machen.

Thomas Kurt / 07.03.2024

Immer und immer wieder, bis es auch beim Vorletzten ankommt: dieses durch und durch dekadente, in offenen Faschismus übergehende System des “Werte-Westens” wird heroisch von Selenskji verteidigt und wir tun gut daran, endlich die größte Gefahr für diesen verkommenen Westen, Putin, direkt anzugreifen und zu beseitigen. Sollte dieses Ablenkungsmanöver schief gehen, müssen hier noch ganz andere Seiten aufgezogen werden.

Robert Schleif / 07.03.2024

“In Deutschland etwa befand ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass das Paus-Faeser’sche Demokratiefördergesetz die Regeln unseres Föderalismus verletzt.” - Also daraus kann ich noch kein Aufwachen erkennen oder Grund zum Optimismus ableiten. Bloß ein bisschen Feinarbeit, dann ist das Stasi-Totalitarismus-Gesetz auch föderalismuskonform.

Dirk Hermann / 07.03.2024

Ich sehe unsere Demokratie eher umgeben von Geräten, elektronisch gesteuerten Spritzenpumpen und mit kaum wahrnehmbaren Vitalparametern auf der Intensivstation liegen. Es handelt sich auch nicht um eine wehrhafte, sondern um eine wahnhafte Demokratie. (Bin ich jetzt verhaftet, wegen Demokratiebeleidigung oder so?)

Harry Hirsch / 07.03.2024

Ich hatte es vor einigen Wochen an anderer Stelle schon mal geschrieben. Ich gehe davon aus, und alle Zeichen deuten schon darauf hin, 2025 wird es keine Bundestagswahl mehr geben. Ein mögliches, aus meiner Sicht das wahrscheinlichste Szenario: Der Sommer 2025 wird, ähnlich wie 2003 ein besonders schöner mit einer langen (4-6 Wochen) Periode mit täglich blauem Himmel und Tages-Temperaturen über 30grad. Dann wird flux der Klimanotstand ausgerufen weil wir ja nur so das Klima retten können. Den weiteren Fortgang dieses Szenarios kann sich jeder achgut Leser selber ausmalen.

Patrick Meiser / 07.03.2024

Da fängt der Tag doch gleich ganz anders an, wenn man sich die geistigen Ergüsse eines Trump-Verehrers und US-Politikverstehers zu Gemüte führen kann. Hat der Autor nicht vor gar nicht allzu langer Zeit noch eine Niki Haley mit guten Erfolgsaussichten gesehen? Wie dem auch sei, dem Autor scheint entgangen zu sein, daß diese übele Kriegshexe V. Nuland (F**ch the EU) zurückgetreten wurde, d.h. der “Heiland der MAGA-Basis” wird den Ukraine-Konflikt nicht beenden (können), weil bereits vorher die USA sich da zurückziehen. Ob der senile sleepy Joe das selbst noch mitbekommt sei dahin gestellt, diejenigen die ihm die Rtg. vorgeben, die haben das entschieden. Was die gerichtl. Verfahren dieses Clowns angeht, so scheint mir der Autor - zurückhaltend formuliert - überoptimistisch. Dieser F. Willis ist nicht ansatzweise eine Interessenkollision vorzuwerfen, noch genießt der Kasper Trump “absolute Immunität”. Davon abgesehen bist es widersprüchlich sich auf Immunität zu berufen, wenn man doch angeblich unschuldig sein will. Ich gebe dem Autor insoweit Recht, daß hüben wie drüben es um die Rettung der Demokratie geht, so wie gewisse Kreise dies verstehen; da geht es ausschl. um deren Demokratieverständnis. Das Demokratieverständnis eines DJT ist bekannt, von daher sollte der Autor seine Erwartungshaltung im Falle eines Trump Sieges im Nov. nicht allzu hoch hängen.

Lutz Liebezeit / 07.03.2024

Donald Trump ist der letzte Cowboy und in der falschen Zeit geboren, der würde sich 1890 als Sheriff in Dodge City wie zuhause fühlen.

Dieter Kief / 07.03.2024

Ja, schelchte Nachrichten für all die, die die westlichen Institutionen komplett abgeschrieben haben - stimmt’s Roger Letsch? - Vladimir Putin und Donald Trump sitzen insofern übrigens im gleichen Boot: Auch die russischen Instiututionen, die pro Putin wirken werden gerne - irrtümlich! - als komplett dysfunktional hingestellt. Und auch in Sachen Israel gibt es ja gerichtliche Bemühungen, die man nicht komplett abschreiben sollte. Die Welt ist komplizierter, als viele denken. Man muss übrigens dazusagen, dass Oliver M. Haynold auf der Achse zu denen gehören, die mit Blick auf die Gerichte und Trump immer wieder wissenswerte Sachen mitzuteilen haben.

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