Roger Letsch / 20.03.2024 / 06:15 / Foto: re:publica / 67 / Seite ausdrucken

Deutsches Meldewesen: Henseln und Spetzln

Unter dem Vorwand, gegen rechts Stellung zu beziehen und Hass zu bekämpfen, lässt sich ein prima Auskommen erzielen. Als Beispiel dient hier Gerald Hensel (Foto oben), der den Weg von Achgut.com 2016 das erste Mal kreuzte.

Ich weiß ja nicht, wie lange Ihr letztes Klassentreffen her ist, lieber Leser, aber manchmal triggern aktuelle Ereignisse Erinnerungen, die eng mit Personen verknüpft sind. Man fragt sich dann, was wohl aus diesem oder jenen geworden sein mag, ob der Klaus heute seine Tobsuchtsanfälle unter Kontrolle hat oder die Eva noch immer an den Nägeln knabbert. In letzter Zeit hört man ja unglaublich viel über den „Kampf gegen rechts“ und den Versuch, „Hass und Hetze“ zurückzudrängen, selbst dann, wenn es sich weder um das eine noch das andere handelt. Die Polizei rückt zu „Gefährderansprachen“ aus, Meldeportale erfassen „Delikte unter der Strafbarkeitsgrenze“ und die „Grenzen des Sagbaren“ verlaufen durch Sümpfe und Minenfelder, von denen nur die Minenleger und Sumpfbewohner wissen, wo sie liegen.

Klar, dass ich da früher oder später an Gerald denken musste, der gewissermaßen als der heilige Schutzpatron des Zeitalters der Petzen und Denunzianten gelten darf. Wie? Sie kennen Gerald nicht? Es ist doch gerade mal sieben Jahre und einen Keks her, dass er – unausgelastet von seinem Tagesjob bei der Agentur Scholz & Friends – durchs Internet streifte, um werbetreibende Firmen freundlich daran zu erinnern, auf was für anrüchigen Seiten deren Anzeigen zu sehen seien. Bei vielen Medien abseits des Mainstreams brach damals dank Gerald Hensels emsiger Wühltätigkeit das Werbe-Standbein fast komplett weg, und nur unseren Lesern war es zu verdanken, dass wir auf Sendung bleiben konnten.

Mittlerweile gehörten Canceln, Denunzieren und die Angst vor Kontaktschuld zu Deutschland wie Maikrawalle und Kartoffelsalat. Da hofft man natürlich, dass der prominenteste Early-Adopter dieses Trends es bis ganz nach oben geschafft hat, dass er ausgezeichnet wurde und ausgesorgt hat, dass Straßen und Müllverbrennungsanlagen oder wenigstens ein Anbau am Hauptquartier des Verfassungsschutzes nach ihm benannt wurden. Die Wege von Hensel und der Agentur Scholz & Friends trennten sich bekanntlich rasch, aber kusshändchenwerfend. Gerald „Ich habe alles richtig gemacht“ Hensel zog neuen Horizonten entgegen. Irgendwie und irgendwo muss sich die Denunziation doch vergolden lassen!

Der Hashtag #keinGeldFürRechts der Hensel‘schen Boykott-Kampagne brannte bekanntlich nicht länger als eine Wunderkerze. Außerdem lässt sich über derlei volatile Kanäle, in denen jeder alles verbreiten kann, nur äußerst mühsam Geld verdienen. Seine private Aktivistenplattform davaidavai.com war dafür auch ungeeignet und roch zu allem Übel auch nach stalinistischem Gulag und Nordkorea-Fanpage, als dass sich darüber Spenden einsammeln ließen. Heute ist die Seite stillgelegt und auf eine Restaurant-Seite im Beta-Bastelzustand weitergeleitet. Wer in Erinnerungen schwelgen will, muss also im Archiv suchen.

Einfach nur Stellung bezogen

Es folgte im Mai 2017 die Gründung des Vereins „Fearless Democracy e.V.“, wo Hensel sich in erster Linie beim Verfassen von Artikeln der Sorte „Einerseits, andererseits, was auch immer“ selbst Mut zusprach, und wie schon bei der Hashtag-Kampagne lieferte das Branchenportal W&V die passende Hymne zum Start. Der Meisterstratege Hensel sei zurück und melde sich nun sogar vom internationalen Parkett. Der alte Fachbegriff dafür lautet wohl weniger „Neustart“ als vielmehr „Flucht nach vorn“. Letztlich war der Verein, dessen Website schon nach kurzer Zeit wieder in den Wartungsmodus versetzt wurde, wohl nur das Vehikel zum Start des nächsten großen Projekts mit dem praxisorientiert klingenden Namen HateAid.org.

Die Strategie, als Initiator mit G‘schmäckle möglichst sparsam in Erscheinung zu treten, war klug gewählt, und so taucht Hensel auf der about-Seite außer auf einem Foto der Initiatoren samt dazugehöriger Bildunterschrift nirgends auf. Dort dann allerdings mit passendem Opferstatus, auf dass der Gründungsmythos von HateAid schön glänzen möge: „Unsere Co-Founder von Fearless Democracy e.V. mussten selbst umfassenden Hass erfahren. Einfach nur, weil sie im Netz politisch und gesellschaftlich Stellung bezogen hatten.“

Einfach nur Stellung bezogen hat der Gerald damals, jawohl! Dass diese Stellung eher dem Richtschützen einer Flak-Batterie glich und er versuchte, ihm unliebsame Medien ökonomisch vom Himmel zu pusten, daran muss der Leser ja nicht erinnert werden. Doch scrollen wir die Seite noch etwas weiter runter, fällt uns auf, dass HateAid etwas geschafft hat, was Hensels Vorläuferprojekte nicht vermochten: sich nämlich gleich an zwei ministeriellen Steuerzitzen festzusaugen. Einmal über das illustre Programm „Demokratie leben“ an das grüne Paus-Ministerium für Familie, und dazu noch an das Justizministerium der FDP unter Buschmann. Laut Transparenzbericht 2022 floss mindestens eine halbe Million Ihrer Steuergelder in die Hensel‘sche Hassbekämpfung. Nur vielleicht etwas selektiver, als der Name des Projekts vermuten lässt.

Promibonus und der Kampf gegen „TERFs“

Auffällig ist nämlich, dass sich HateAid besonders lautstark und öffentlichkeitswirksam vor die von Hass geschundenen Politikerseelchen unserer geschätzten grünen Regierungspartei wirft. Lobend zu Wort kommen etwa Tareq Alaows von Pro Asyl, Stefanie von Berg, ehemaliges Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, Renate Künast, Claudia Roth, Volker Beck… alles Grüne. Man fragt sich, ob bestens vernetzte und mit Diäten gepäppelte Politiker einer Regierungspartei wirklich die Hilfe einer NGO brauchen, um zivilrechtlich gegen Leute vorzugehen, die sich – und das sei hier ausdrücklich zugestanden – deutlich in Ausdrucksweise und Ton vergreifen. Für alle strafrechtlich relevanten Fälle ist ohnehin die Staatsanwaltschaft zuständig, die bekanntlich keine Rechtskosten bei ihren selbstgewählten Mandanten eintreibt.

Und man fragt sich, wer hier eigentlich wem hilft: HateAid den Politikern oder die Politiker HateAid. Denn es gibt sie ja wirklich, die Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich gegen Hetzkampagne im Netz zur Wehr zu setzen. So zum Beispiel Zana Ramadani, die sich über den Button „Helft mir!“ auf deren Website an HateAid wandte, nur um dort telefonisch zu erfahren, dass man sich für ihren Fall nicht wirklich interessiere, weil der Hass gegen sie nicht wie gewünscht von rechts kommt und Zana auch nicht prominent genug sei, um für HateAid mediale Aufmerksamkeit – und dadurch natürlich auch weitere Spenden – zu generieren.

Was nicht hinzunehmender Hass ist, entscheidet HateAid mit gewaltiger woker Schlagseite, wie die Propaganda der Alphabet-People zeigt, die auf der Website unter „Queerfeindlichkeit“ rubriziert ist. Inklusive einer abwertenden Definition von Frauen als „Terfs“, wenn sie sich weigern, großartig zu finden, dass Typen in Frauenkleidern in ihren Umkleiden, Duschkabinen oder Sportwettkämpfen auftauchen.

Wer die Zivilgesellschaft unterstützen will...

Gerald Hensel hat nun beschlossen, wieder etwas mehr aus dem Schatten zu treten und schreibt jetzt eine Kolumne für „Absatzwirtschaft“, wo er uns als „seit vielen Jahren aktiv gegen Gewalt und Desinformation im Netz“ vorgestellt wird. Die Artikel sind so substanzlos wie früher bei „Fearless Democracy“ und hangeln sich erwartbar am „current thing“ entlang. Im aktuellen mit dem Titel „Etwas tun“ schnuppert Hensel nun Morgenluft, seinesgleichen sei in der modernen Melderepublik endlich wohlgelitten. „Aktivismus ist wieder in. Die haarsträubenden rechtsextremen Vertreibungspläne der letzten Wochen haben nicht nur Millionen Menschen auf die Straße gebracht. Sie haben auch die Kommunikations-Community repolitisiert. Alle wollen plötzlich „etwas tun“.“

Sie merken, liebe Leser, auch der Gerald taucht seine Feder in das Salböl, das Correctiv in Potsdam aus dem Nichts erschaffen hat. Die Kommunikations-Community weiß, was zu tun ist und wird mit diesem Schlangenöl sicher noch viele Aktivisten zu Helden umlabeln und „enabeln“. Die deutsche Wirtschaft möge den Rechtsruck im Land doch bitte bekämpfen, indem sie denen Geld gebe, die „den Kampf gegen rechts schon lange führen“, meint Hensel. Ein Schelm, der glaubt, damit meine er in erster Linie sich selbst und das geschlossene, inzestuöses Ökosystem des Denunziantentums, wo man im Projektmodus Steuergelder abgreift, wo man nur kann, sich gegenseitig Orden an die Brust heftet und jeder mediale Skandal durch Anschlussverwendungen in der nächsten neuen „zivilgesellschaftlichen“ NGO abgefedert wird. Noch einmal Hensel in seiner Kolumne:

„Wer die Zivilgesellschaft nachhaltig unterstützen will, „enabelt“ sie mit dem, was sie am meisten braucht: Geld, Wissen und Arbeit.“ Die Welt der Geralds von der Meldefront ist klein, aber das war sie eigentlich schon immer. Ein Beispiel? Raten Sie doch mal, liebe Leser, wer im Jahr 2023 neben Hensels „HateAid“ außerdem mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet wurde. Richtig: Correctiv.

 

Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.

Foto: re:publica/34174088830CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Thomin Weller / 20.03.2024

Man möge mir verzeihen, das Thema mit Gehlens Methode des Denunziantentum, Terror gegen das /irgendein “Systeme” fesselt mich überproportional. Der Mauerbau war längst beschlossen, die Materialien im Westen bestellt. Und da nahm ein protestantischer Pastor seine Familie nebst Töchterchen und flüchtete von Hamburg in die DDR, bevor die Mauer planmäßig gebaut wurde. Wie tief steckt der Reinhard Gehlen in der Familie von Gauck und Merkel nebst DDR Kirche? Ich kann die aktuellen Demos für Demokratie, gegen rechts einzig unter Gehlens Protestanten zusammen fassen. Ergo, das was sich Regierung nennt, eine ferngelenkte “Gehlens Demokratie Truppe” nennen. Raffiniert eingefädelt “Klaus-Dietmar Henke ..Dabei zeigt sich, dass deren kämpferischer Antikommunismus lediglich als Fassade für einen obrigkeitsstaatlichen Antiliberalismus diente, der sich gegen die allmähliche Demokratisierung der jungen Bundesrepublik stellte.” Und genau das ist der Fahrplan, die Ent-Demokratisierung. Drathzieher… Adenauer-Gehlen, CDU/CSU Konrad Adenauer Stiftung, Weikersheim, deutsche Richter Akademie als terroristische Antidemokraten.(Zurecht von Putin rausgeworfen) Für die AfD wird das echt hart, entscheiden wie sie zu einer Demokratie mit der Gesamtheit der Bevölkerung stehen.

W. Renner / 20.03.2024

Was macht inzwischen eigentlich der Graichen Clan? Gibts da inzwischen neue Beraterverträge?

Gregor Waldersee / 20.03.2024

>>>Ralf Ross / 20.03.2024 Und im Hintergrund kann sich der Islam warmlaufen für die Übernahme.<<< „Alles, worauf das tägliche Leben im Maghreb und im Nahen Osten angewiesen ist, jeder Kühlschrank, jedes Telefon, jede Steckdose, jeder Schraubenzieher, von Erzeugnissen der Hochtechnologie ganz zu schweigen, stellt für jeden Araber, der einen Gedanken fassen kann, eine stumme Demütigung dar. “ (Radikale Verlierer” v. Magnus Enzensberger, Spiegel 45/2005, S. 182 ff.) Hoffen wir darauf, dass sie hier dann keine Wüste hinterlassen, sondern endlich zu Erfindern werden, auf die sich Frau Göring-E. so freut.

Carsten Könke / 20.03.2024

Die deutschen Geralds stellen sich würdig in die Tradition der Blockwarte und Spitzel, die in der Deutschen Geschichte des 20. Jhrdts. schon so viele fabelhafte Exemplare hervorgebracht hat. Ob das nun ein brauner oder roter Anstrich war, das Ergebnis war immer gleich, wunderbar beschrieben im Untertan von Heinrich Mann.

Gert Friederichs / 20.03.2024

@Lutz Liebezeit: Bitte prüfen sie mal intensiv, ob die 3 amerikanischen Spacerunners wirklich da oben waren.  Stanley Kubrick behauptete, er hätte den Event auf irdischen Territorium inszeniert und gefilmt. Und auch Astronaut Nr. 3, der “Kameramann” hat Ähnliches erzählt. Ich glaubr heutzutage fast nichts mehr, was mir irgendwie nach Propaganda riecht. Dass Putin mit über 80 % gewählt wurde, erscheint mir dagegen wesentlich wahrer, als die Wundermärchen des herrn habeck. Warum weigert sich eigentlich meine Tastatrur hartnäckig, bei obigem auf Großschreibung umzuschalten. Bei obigem dito!

L. Luhmann / 20.03.2024

@“Roland Magiera / 20.03.2024 Um den Dämon Rechtsextremismus zu bekämpfen, wird die Regierung immer mehr selber zum Dämon und zwar ohne es zu bemerken. Was die Methoden angeht, sind sie bald auf Augenhöhe mit der Gefahr.”—- Wenn Sie wirklich glauben, dass die in der Regierung nicht “bemerken”, dass die Regierung “selber zum Dämon” wird, dann sind Sie leichtgläubig! Ich bin davon überzeugt, dass die ganz genau wissen, was sie tun. Und sie tun es vorsätzlich und zielgerichtet!

Sam Lowry / 20.03.2024

“Den Reinen ist alles rein, den Schweinen ist alles ein Schwein.” Aber sowas von auf den Punkt gebracht…

Fred Burig / 20.03.2024

@finn waidjuk:”... “Letztlich ist die Welt doch gerecht.” .... Sie irren gewaltig! Weder die Natur, noch die damit untrennbar verbundene “Welt” ist irgendwie gerecht - im Sinne menschlichen Empfindens! Beide folgen nur entwicklungsbedingten und damit allgemein gültigen Gesetzen der Natur/ des Universums! Wenn man es etwas “milder” haben will, muss man es der Natur “abringen” - oder Gott vertrauen! In beiden Fällen sind wir derzeit aber quasi nur “Bittsteller” ! Gott sei Dank! MfG

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