Es gab mal eine Zeit in Deutschland, da kritisierten die Medien mit großem Eifer die Regierung und legten strengste Maßstäbe an, was sich ein Regierungsmitglied erlauben darf und was mit sofortigem Amtsverlust bestraft werden muss. Das habe ich selbst noch miterlebt. Am 3. Januar 1993 beispielsweise trat Wirtschaftsminister und Vizekanzler Jürgen W. Möllemann mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Wirtschaftsminister und auch als Vizekanzler zurück. Was war geschehen?
Möllemann hatte mit dem offiziellen Briefkopf des Bundesministeriums für Wirtschaft mehreren deutschen Handelsketten einen Kunststoffchip, der als Pfandmünze bei Einkaufswagen zum Einsatz kommen sollte, empfohlen. Dieser Chip wurde von der Firma eines angeheirateten Vetters Möllemanns vertrieben. Nach diesem wahrhaft unverzeihlichen Missbrauch des Ministeramtes übten Medien und Parteien starken öffentlichen Druck auf den Minister aus. Möllemann kam aber nicht auf die Idee, die Verantwortung für die Briefkopf-Affäre auf seine Mitarbeiter abzuwälzen. Ob ihm das was genützt hätte, weiß man nicht. Möllemann zog die Konsequenzen, ohne zu versuchen die Verantwortung auf andere abzuwälzen.
Ob Mölli heute von oben das Treiben seiner Politikerkollegen beobachtet und sich wundert, wie sanft und nachsichtig die Medien mit viel krasseren Verfehlungen umgehen? Da versorgt sich Parlamentspräsident Norbert Lammert mit Luxusfüllern aus seiner Büropauschale. Die betreffenden Akten werden vernichten, Lammert selbst und zahlreiche Bundestagsabgeordnete damit vor der Entdeckung geschützt. Die Bild-Zeitung hat es aufgedeckt. Konsequenzen wie dereinst bei Möllemann werden keine gefordert. In ein paar Tagen wird die mehr als peinliche Selbstbedienung vergessen sein. Die Frage, was Politiker wert sind, die den Staatshaushalt zum Selbstbedienungsladen umfunktioniert haben, wird nicht gestellt.
Minister-Lob für „Deutschland verrecke, das wäre wunderbar“
Justizminister Mass, der weder unsere Verfassung zu kennen scheint, noch sich um Recht und Gesetz schert, einen unliebsamer Generalbundesanwalt schon mal feuert, wenn er ihm widersprecht, darf mit äußerster Nachsicht vieler Medien rechnen. Sein jüngster Faux-Pas, ausgewachsener Skandal, der eigentlich seinen sofortigen Rücktritt zur Folge haben müsste, hat nur ein leichtes Rauschen im Blätterwald verursacht. So schwach das Säuseln auch war, es wurde so inszeniert, dass immer noch etwas Verständnis für das Ministerchen durchdrang.
Maas, der eifrige Twitterer, hatte nach einem Konzert gegen „rechts“ in Anklam einer beteiligten linksradikalen Band ausdrücklich gedankt. Was diese Band gesungen hat, war ihm egal. Auch nachdem die Affäre publik wurde, lies er durch eine Sprecherin seines Ministeriums mitteilen, dass er sich „selbstverständlich in keiner Weise jede einzelne Textzeile aller jemals gesungenen Lieder der dort aufgetretenen Musiker zu eigen gemacht“ hätte. Davon wäre er „weit entfernt“. Dagegen bleibe es wichtig, „immer wieder klar zu machen, daß es in unserem Land keine Toleranz für Extremismus und Fremdenfeindlichkeit gibt“.
Damit hat Maas das rettende Ufer erreicht. Wer gegen Fremdenfeindlichkeit ist, darf gern „Deutschland verrecke, das wäre wunderbar!" singen. Und: "Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!/ Gib mir ein ,Like' gegen Deutschland“.
Ist das nicht Hate-Speech pur, die der Minister konsequent verfolgt wissen will? Offensichtlich nicht, sondern die maasgerechte Art, gegen Extremismus zu sein.
Das Minister-Gewissen wird vom Social Media-Team ersetzt
Im Lied "Staatsgewalt" der vom Justizminister hochgelobten Band geht es um Gewalt gegen Polizisten. Heute spiele sie es aber nicht mehr auf Konzerten, teilte die Gruppe mit. Es sei ihr "zu platt" geworden. Ja, haut die Bullen platt wie Stullen! Nein, das singt die Band nicht. Das riefen ihre geistigen Stichwortgeber. Maas kommt mit der faulen Ausrede davon, nicht er, sondern sein Social-Media-Team hätten das Lob in seinem Namen getwittert. Allein, dass der Mann nicht mal sein Büro im Griff hat, sollte für seinen Rücktritt reichen. In der freien Wirtschaft würde eine solche Inkompetenz keine Minute geduldet.
Dagegen scheint in Teilen der veröffentlichten Meinung nur noch zu zählen, dass Maas die richtige Gesinnung vertritt, jedenfalls in den Augen dieser Meinungsmacher. In DIE WELT beispielsweise zeigt schon die Überschrift zeigt die Tendenz: „Maas dankt Anti-Nazi-Band. Und erntet Unmut“. Im Beitrag erfährt man, dass „bei aller Kritik… die Band auch schon für ihren Einsatz gegen rechts ausgezeichnet“ wurde.
„Die Linke-Fraktion im Schweriner Landtag nominierte die Gruppe 2013 für den Courage-Preis. Zudem wurde ein Dokumentarfilm über Feine Sahne Fischfilet von der Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern mit 30.000 Euro unterstützt.“ So weit sind wir schon: Die lupenreinen Demokraten von der SED-Linken werden in DIE WELT als Entlastung angeführt.
Dieser Text erschien zuerst auf meinem Blog "Freedom is not free"