Ein Geschenk ist ein Geschenk. Wenn einer darauf verzichtet, einem anderen etwas wegzunehmen, dann ist es kein Geschenk. Das sieht die SPD-Bundestagsfraktion anders. „Keine Steuergeschenke für Spitzenverdiener“, twitterte sie letzte Woche ins Volk. Neben dem Text war eine Zeichnung, sie zeigte einen Kapitalisten, wie sich der kleine Max ihn vorstellt: Ein Schlaffi mit Sonnenbrille räkelt sich im Liegestuhl. In Griffweite hat er ein Glas Whisky Sour (kann auch Gin Tonic sein), links prasseln gebündelte Banknoten vom Fließband auf einen großen Haufen Geld.
Schürt die SPD eine Neiddebatte? Ach, was, sagt sie. "Nach unseren Vorstellungen sollen diejenigen, die gerade in den vergangenen Jahren überproportional von der wirtschaftlichen Lage, selbst in der Finanzmarktkrise 2008/2009, profitiert haben, einen größeren Beitrag für die nötigen Investitionen leisten“, sagte Interimsparteichef Thorsten Schäfer-Gümbel in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Das seien vorrangig Multimillionäre und Milliardäre.
Die Vermögenssteuer wäre ein fatales Signal an Besserverdiener: Weg mit dem Zaster, bevor das Finanzamt ihn sich holt. Wer sein Vermögen verprasst, braucht es nicht mehr zu versteuern.
Auch Kapitalgesellschaften sollen zahlen. Das wäre natürlich Gift für den Standort Deutschland und für die Arbeitslosenstatistik. Doch die drohende Rezession spielt bei den SPD-Alphatieren keine Rolle. Wo kämen sie denn hin, wenn sie neuerdings anfingen, kaufmännisch zu denken? Sie wollen umverteilen um jeden Preis. Das ist es, was sie am besten können.
Ein klarer Fall von Doppelbesteuerung
Schäfer-Gümbel erweckt den Eindruck, als hätten die kleinen Leute bisher die Hauptlast der Abgaben getragen, während sich die Reichen einen Lenz machten. Tatsache ist: Das wohlhabendste Zehntel der Bevölkerung zahlt mehr als die Hälfte der Einkommensteuer. Und nun sollen die Spitzenverdiener auf ihr Eigentum, das bereits einmal komplett versteuert wurde, auch noch eine Vermögenssteuer draufzahlen. Das wäre ein klarer Fall von Doppelbesteuerung. Es handelt sich bei den Betroffenen mehr oder weniger um dieselbe Zielgruppe, die schon bei der Abschaffung des Soli hinten runtergefallen ist. Sie zahlt jetzt immer noch die Hälfte des Solidaritätszuschlags.
Die Partei hat den Plan ergebenst abgesegnet. Auch Finanzminister Olaf Scholz, der gern den Besonnenen gibt, hat zugestimmt. Danach sollen die Bessergestellten jährlich ein Prozent auf die Summe bezahlen, die den Freibetrag übersteigt. Die Linkspartei fordert sogar fünf Prozent per annum. Das wäre mit Abstand die größte Enteignung, die der Fiskus dem Steuerzahler in Deutschland jemals zugemutet hat.
Die in Schräge geratene Steuerpolitik der SPD zeigt, dass sie aus Erfahrungen nichts gelernt hat. Und das will sie wohl auch in Zukunft nicht. Seit 1983 hat sie - bis auf einen – alle Wahlkämpfe verloren, in denen sie Steuererhöhungen für Bessergestellte gefordert hatte.Zum letzten Mal 2017, nachdem sie mit dem Schlachtruf „Zeit für Gerechtigkeit“ angetreten war.
Mut zur Kapitalismuskritik
Der Kanzlerkandidat für Gerechtigkeit, Martin Schulz, gab hinterher vor, er habe sehr wohl eine Lehre aus der Wahl gezogen. Nämlich: “Man muss wieder Mut zur Kapitalismuskritik fassen.“ Er selbst hatte sich mit diesem Mut mächtig an die Rampe gespielt und war krachend auf die Schnauze gefallen.
Von der linken Journaille kommt leidenschaftlicher Feuerschutz. Die „Süddeutsche“ jubelt: „Die SPD erweist dem Land einen Dienst.“ Denn Deutschland habe sich in eine „ungerechte Gesellschaft verwandelt“. Der Reichtum sei in der Bundesrepublik so ungleich verteilt wie nirgendwo in der Eurozone. Tatsache ist: In deren Vermögensranking steht Deutschland ganz unten und auf dem Gini-Index, der die Ungleichverteilung in den Staaten der Welt darstellt, auf Platz 19. Eine noch gleichere Vermögensaufteilung haben in Europa zum Beispiel die Schweiz, Estland, Kroatien und Großbritannien.
Die Sozialdemokraten lassen sich von dem Kardinalfehler aller Linken leiten, den Karl Marx und Friedrich Engels vor 170 Jahren im Manifest der Kommunistischen Partei formuliert hatten:
Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen,der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktions-Instrumente in den Händen des Staates, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats zu centralisiren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren. Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigenthumsrecht und in die bürgerlichen Produktions-Verhältnisse.
Kopfrechnen mit TSG
Nein, was die deutsche Wirtschaft dringend braucht, ist in Wahrheit das Gegenteil von Umverteilen. Nämlich Entlastungen, die ihr dabei helfen, den bevorstehenden Abschwung, vielleicht sogar eine Rezession schadlos zu überstehen.
Schäfer-Gümbel hat ausgerechnet, dass die Einführung der Reichensteuer, wie sie in seiner Partei genannt wird, zu zusätzlichen Einnahmen von zehn Milliarden Euro führen würde. Dabei hat er großzügig übersehen, dass nach Einschätzung verschiedener Wirtschaftsinstitute ein Drittel bis ein Viertel dieser Summe für Verwaltungskosten draufgehen würde. Vor allem, weil die Vermögen jedes Jahr neu erfasst werden müssen. BDI-Präsident Dieter Kempf warnt: „Es ist ermüdend und nicht zielführend, diese in allen Details bereits geführte Debatte wieder und wieder zu führen."
CDU/CSU, FDP und AfD sind strikt dagegen. SPD, Linke und Grüne sind ebenso heftig dafür, die Letzteren allerdings mit Ausnahme des Realoflügels, zu denen der baden-württembergische MP Winfried Kretschmann gehört.
Dabei ist Deutschland nach einer OECD-Studie vom vergangenen Jahr schon jetzt mit seiner Steuerlast Weltspitze. Einem Single ohne Kinder bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben von hundert Euro nur etwa 60. Nur die belgischen Finanzbehörden melken ihre Bürger noch rabiater als die deutschen.
Die Schweiz als Vorbild?
In der westlichen Welt ist die Vermögenssteuer seit vielen Jahren ein auslaufendes Modell. Sie wird nur noch von vier der 28 EU-Staaten sowie von Norwegen und der Schweiz erhoben. Dort betrifft die Steuerpflicht aber nur private und keine betrieblichen Vermögen. In Frankreich werden nur Immobilien veranlagt. Bargeld bleibt außen vor. Ausländer, die ein Ferienhaus in Spanien besitzen, zahlen, sofern die Luxusschwelle nicht überschritten wird, 0,2 Prozent.
Modell für Rote und Grüne in Deutschland ist angeblich die Schweiz, die eine ziemlich hohe Vermögenssteuer erhebt. Jedoch: die deutschen Linken verschweigen die extrem niedrige Schweizer Einkommensteuer. Die Eidgenossen zahlen nicht einmal halb so viele Steuern und Sozialabgaben wie die Deutschen.
Die deutschen Finanzbehörden haben vergangenes Jahr 776 Milliarden Euro eingenommen. Das war doppelt soviel wie 1994 und 41,7 Milliarden mehr als im Vorjahr. Dass das Steueraufkommen rückläufig gewesen wäre, ist in all den Jahren nur einmal passiert. Dass Bund, Länder und Gemeinden weniger ausgegeben haben, als sie eingenommen hatten, überhaupt nicht. Daraus folgt: Die Ausgaben werden immer den Einnahmen angepasst und niemals andersrum.
Die Vermögenssteuer wäre – wie alle anderen Steuern auch - schon ausgegeben, bevor das Finanzamt sie auf dem Konto hat. Deshalb: Weg damit, zurück in die Mottenkiste, aus der sie gekommen ist.