Ulrike Stockmann / 12.07.2022 / 16:00 / Foto: Deutscher Bundestag / 132 / Seite ausdrucken

Wedding auf Sylt

Christian Lindner und die Journalistin Franca Lehfeldt haben geheiratet und auf Sylt eine dreitägige Sause abgeliefert. Angesichts der Lage des Landes und seiner Bürger war es die falsche Feier mit der falschen Botschaft, am falschen Ort. Mehr falsch geht eigentlich nicht.

Christian Lindner hat am vergangenen Samstag die Journalistin Franca Lehfeldt kirchlich geheiratet, nachdem er ihr bereits am Donnerstag standesamtlich das Jawort gegeben hatte. Die dreitägige Hochzeitsfeier auf Sylt sorgte für viel Aufmerksamkeit und wurde von großem Medienrummel begleitet.

Wie die Süddeutsche schreibt, laufen Politikerhochzeiten normalerweise im Privaten ab, während Lindners Vermählung einen regelrecht „Royalen Touch“ ausgestrahlt habe. Der Glamour-Faktor dürfte einerseits am attraktiven Brautpaar gelegen haben: Christian Lindner ist der erklärte Sonnyboy der FDP, während die hübsche Franca Lehfeldt früher bei RTL und heute als WELT-Reporterin vor der Kamera eine gute Figur macht. Die Medienaffinität der beiden und der Wunsch zur Inszenierung taten gewiss ihr Übriges, um ihre Hochzeit ungewöhnlich publicityträchtig zu begehen.

Vor allem wurde natürlich die luxuriöse Ausstattung des Events als besonders glanzvoll wahrgenommen: Die Insel Sylt als solche ist bereits die Personifikation der Schönen und Reichen. Der Bräutigam fuhr im schwarzen BMW vor der Kirche vor, die Braut mit ihrem Vater im Porsche Targa. Sie trug ein Kleid des Luxusbrautmodenherstellers Halfpenny London, das 9.400 Euro gekostet haben soll. Nach der Trauung wurde im berühmten und noblen Restaurant „Sansibar“ mit 140 Gästen gefeiert. T-online stellte vorab trocken fest: „Dieses Dinner wird sicherlich nicht günstig, dafür aber möglicherweise sehr vielseitig.“ Nicht zuletzt sei der „Promiauflauf“ angesichts der Feier enorm gewesen: Neben Politgrößen wie Friedrich Merz, Armin Laschet, Olaf Scholz und Wolfgang Kubicki kam auch Unternehmer Frank Thelen, bekannt aus der Sendung „Höhle des Löwen“. Davon zeugte der Einsatz etlicher Sicherheitskräfte und Polizeiabsperrungen (auf Kosten der Steuerzahler).

Durch einen Windstoß sichtbarer Klebe-BH

Die Presse zeigte enormes Interesse, die BILD-Zeitung berichtete live vor Ort und ließ Boulevard-Journalistin Patricia Riekel das Kleid der Braut kommentieren: „Sie kann wunderbar rückenfrei tragen.“ Eine Astro-Expertin sagte für BILD dem Brautpaar „ein bisschen Reibungspotenzial“ voraus. T-Online brachte „die ersten Fotos als Brautpaar“. Der Focus nannte das Spektakel die „Glamour-Hochzeit des Jahres“. Im Spiegel war von einem „Ausnahmezustand auf Sylt“ und einer „Bundesprominentenhochzeit“ die Rede. Und selbst die nicht gerade auf Klatschthemen abonnierte Berliner Zeitung veröffentlichte einen Artikel über das durch einen Windstoß verrutschte und kurzzeitig einen Klebe-BH entblößende Kleid der Braut.

Die Sause begleiteten einige „Kontroversen“, wie zu lesen ist. Die evangelische Theologin Margot Käßmann kritisierte etwa, dass die beiden überhaupt kirchlich geheiratet haben, da beide aus der Kirche ausgetreten seien: „Hier ging es nicht um christlichen Inhalt, sondern um eine Kulisse. Dazu aber sollte sich unsere Kirche nicht hergeben.“ Als Atheistin habe ich keine leidenschaftlichen Gefühle der Kirche gegenüber, aber Käßmanns Kritik der schalen Hülle und des fehlenden Inhalts liegt nicht ganz daneben.

Überhaupt sorgten Form und Inhalt, Schein und Sein in der öffentlichen Wahrnehmung für Probleme: Denn der bewusst zur Schau gestellte Luxus unseres Finanzministerpaares – Sylt, Champagner, Promis, Designerkleid – ist in der heutigen Zeit nicht geschmackssicher.

Fortwährend wird das gemeine Volk von führenden Politikern zum äußersten Sparen angehalten. Selbst Frieren, kaltes Duschen und Wärmehallen werden mittlerweile in vollem Ernst als ab Herbst zu akzeptierende Gepflogenheiten angekündigt. Und erst im April hatte uns Christian Lindner noch erklärt, der Ukrainekrieg werde uns „alle ärmer machen“ und wir könnten uns auf „Wohlstandsverlust“ einstellen. Wie kann man angesichts solcher Äußerungen und Forderungen an die Bevölkerung die Chuzpe haben, mit einer luxuriösen Hochzeit auf Sylt anzugeben? Zwar wurde die ursprünglich geplante Feier in Italien abgesagt, offiziell aufgrund von nicht ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen vor Ort, inoffiziell wohl, um sich einen Anstrich von Bescheidenheit zu geben. Doch Bescheidenheit kann man nicht veranstalten, man muss sie leben. Und das war hier nicht der Fall.

Es fehlt die Klasse, es fehlt die Tradition

Den Vogel schoss bei der Veranstaltung allerdings Friedrich Merz ab, oder vielmehr er flog mit seinem Vogel ein. Der Hobby-Pilot steuerte sein Privatflugzeug am Freitagnachmittag eigenhändig nach Sylt. Die Diamond DA62 des österreichischen Flugzeugherstellers Diamond Aircraft soll um die 1,1 Millionen Euro gekostet haben. Und fliegt – fürs Protokoll – mit Kerosin, also bösem fossilen Treibstoff. Derselbe Friedrich Merz hatte im April ganz nüchtern erklärt, dass der „Wohlstand vorerst wohl hinter uns“ liege. Ihn juckt's nicht, er verkehrt ja über den Wolken und winkt den am Boden gebliebenen CDU-Wählern aufmunternd zu. 

Vielfach wurde Kritikern der Luxushochzeit Sozialneid und zu wenig Respekt vor den beiden Liebenden vorgeworfen. Um nicht missverstanden zu werden, daher folgende Bemerkung: Ich selber bin ein hedonistischer Mensch und habe volles Verständnis für die Begeisterung für allen erdenklichen Komfort. Ich gönne anderen Menschen ihre Liebe und auch ihren Luxus.

Wasser zu predigen und Wein zu trinken war allerdings noch nie eine gute Idee. Dass sich Lindner und seine Polit-Kollegen so schamlos und offen dabei ablichten und feiern lassen, spricht für die Abgehobenheit dieser Blase. Sie kommen offenbar nicht einmal auf die Idee, dass ihre Show bei den Menschen einen gewissen Groll auslösen könnte. Anscheinend haben auch Heerscharen von PR-Beratern weder ihren Job, noch den ihrer Klienten verstanden.

Die wohl deutlichsten Worte der Ablehnung der Inszenierung fand übrigens Alice Schwarzer. In der EMMA nannte sie die Lindner-Hochzeit „zum Kotzen“. Und stellt fest: Kleine Zwischenfrage: Glauben die eigentlich selber an den kleinbürgerlichen Kitsch, den sie da produzieren? Sehen sie sich im Traum oder morgens beim Zähneputzen im Spiegel als ein ‚Traumpaar‘ à la ‚Bunte‘ oder RTL? Anscheinend. Das überrascht sogar mich.“

Warum hat die Wedding-Show eben nicht den Charme einer royalen Vermählung à la William und Kate? Es fehlt die Klasse, es fehlt die Tradition. Der Geschmack, der Stil, das Taktgefühl. Die Vornehmheit. Das Gefühl für die eigene Rolle und die Angemessenheit der zur Schau gestellten Botschaft. Der Sinn für Repräsentation. Und nicht zuletzt: der Respekt für die Bürger, denen zumindest Christian Lindner als Finanzminister dient. Gewollt ist eben nicht gekonnt.

Foto: Deutscher Bundestag

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Leserpost

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Ulrich Bohl / 12.07.2022

Ein erneutes Beispiel dafür wie abgehoben diese Typen leben. Was interessiert sie das Volk, es ist doch nur dazu da das alles zu finanzieren. Die Autos waren sicher E-Mobile mit simulierten Geräuschen von Verbrennungsmotore. Schuld sind aber die Bürger selbst die ihnen den größten Blödsinn abnehmen und sie immer wieder wählen. „Diese Bundestagswahl lässt der FDP eine besondere Verantwortung zuwachsen. Wir unterschätzen die Dimension                                                                       der Herausforderungen nicht, vor denen unser Land steht. Ganz im Gegenteil. Aber wir sind bereit, unseren Beitrag zu                                                           leisten.  Christian Lindner, September 2021   Er hat damit tatsächlich sein Versprechen eingelöst und einen Beitrag zur weit verbreiteten Unglaubwürdigkeit von   Politikern geleistet.

Annett Simon / 12.07.2022

“... attraktiven Brautpaar ” weder er noch sie. So ein Flachbrett braucht doch keinen BH! Das war nur Show. Schön war auch der Abgang im Porsche. Der Pöbel zahlt die horrenden Spritpreise und CO2-Abgabe, den Herrn Minister kümmert es einen Sch***! Sollen sie halt Kuchen essen,... gell?

Silas Loy / 12.07.2022

Die ganze Nummer war prinzpiell unangemessen und peinlich geschmacklos. Auch für alle Mitmacher*innen.

Frank Danton / 12.07.2022

Wer nächtens mit dem Auto, unter der Stimulation von bewusstseinsveränderten Mengen an Restalkohol,  jeden anderen Verkehrsteilehmer in dessen Umkreis einer erheblichen Gefahr aussetzt, nun ja der kann das Gefühl zwar genießen, und empfängt dazu noch viel Verständnis, sollte aber nicht Leute delegitimieren (tolles Wort) die aus diesem Grund keine Kirchensteuer mehr zahlen wollen. Also Frau Käßmann, etwas mehr Diplomatie im Gebrauch mit der Spitzhacke, sonst gibt es nächstes Jahr keine KO Tropfen mehr bei der SPD Sause.

Karl-Heinz Boehnke / 12.07.2022

Das sind alles sich hoffnungslos überschätzende Neureiche, die sogar ein blaublütiges Kind auf 100 m Entfernung als nicht seinesgleichen erkennen würde, wogegen sie selbst Adlige nicht einmal zu bemerken vermögen, die stundenlang ihre Tischnachbarn sind. Kleiner Mann ganz groß

Dietmar Schubert / 12.07.2022

Die Lieblingsfarbe der Deutschen ist Gelb - die Farbe des Neides.

Rudi Hoffmann / 12.07.2022

Nachtrag ;  Zu Lindner ,  fällt mir nichts ein außer ,  dass ich dieser Verbindung knapp 5 Jahre gebe !

Dietmar Blum / 12.07.2022

Herr Dietrich Herrmann / 12.07.2022: Schreibt man nicht POLITNIX”?

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