Kleine Quizfrage: Wie kann man zwischen Deutschland und der Schweiz problemlos hin und her reisen? Na? Richtig, indem man sowohl den deutschen wie auch den Schweizer Pass besitzt. Alleine mit dem Schweizer Pass darf man zwar einreisen, aber nur im Transit. Komische Zeiten.
Fangen wir doch ganz von vorne an. Ein Pass soll ja dazu dienen, möglichst ungehindert reisen zu können. Das wird im sogenannten Power Rank gemessen. Auf Platz eins steht zurzeit (wir lassen mal die inner- und aussereuropäischen Grenzschliessungen als hoffentlich vorübergehendes Phänomen beiseite) der Pass der Vereinigten Arabischen Emirate. 178 Länder lassen sich mit ihm bereisen.
Dicht gefolgt von den wichtigsten Industrieländern, darunter natürlich Deutschland, Spanien, USA, Singapur, Schweiz oder Malta. Zwischen 168 bis 171 Länder können relativ problemlos bereist werden. Sozusagen die Arschkarte haben die Besitzer eines afghanischen Passes gezogen; ganze 35 Länder erlauben die visafreie oder mit einem Visum bei der Ankunft mögliche, problemlose Einreise. Nicht viel besser geht es Irakern, Syrern oder Palästinensern. Aber auch Angolas Pass, wo es bekanntlich sogar Milliardäre gibt, erlaubt nur die Einreise in 61 Länder ohne Hürden. Indien liegt hinter der Mongolei oder Namibia, und Chinesen dürfen in weniger Länder visumfrei einreisen als Besitzer eines Passes von Papua Neuguinea.
Es ist offenkundig: Da besteht Bedarf. Nach einem Pass (oder wieso nicht zwei oder drei), der problemloses Herumreisen ermöglicht. Und wo Bedarf besteht, gibt es natürlich auch Angebote. Der Schweizer Anwalt Christian Kälin schätzt den weltweiten Passmarkt auf ein Volumen von 25 Milliarden Dollar.
Und er weiss, wovon er spricht. Denn er ist der Chef von Henley & Partners. Laut Selbstbeschreibung der "weltweit führende Partner bei der Planung von Staatsbürgerschaften". Wer da gerne planen möchte, kann sich in eines der 30 Büros begeben. Von Antigua über Australien, Dubai, Malta, der Schweiz bis Vietnam. Hier wird Ihnen geholfen. Hätte Bobele Becker vielleicht auch benützen sollen, der bekanntlich mit einem angeblichen Diplomatenpass auf die Schnauze fiel.
Vanatu ist für schlappe 150.000 Dollar zu haben
Das ist sozusagen die Schmuddeletage der internationalen Schacherei mit Pässen. Einen Funktionär in einem geldgierigen Drittweltland findet man immer, der für wenig gute Worte und viel Geld bereit ist, einen zum Staatsbürger zu machen, sogar mit Diplomatenpass. Nur: Das nützt bei Verwendung in zivilisierten Gegenden der Welt meistens wenig bis nichts. Ganz anders bei Henley und Konsorten.
Man solle eine Staatsbürgerschaft doch nicht länger als etwas betrachten, das durch Vererbung oder Geburt entsteht. Sondern mehr so als "Mitgliedschaft", meint Kälin. So wie es eine Hitparade der möglichen Reisebewegungen gibt, gibt es natürlich auch eine Rangliste von käuflich zu erwerbenden Pässen. Weit vorne ist Vanatu dabei. Noch nie davon gehört? Macht nix, das ist eine Inselgruppe im Pazifik. Mit dem unschlagbaren Vorteil, dass man mit diesem Pass normalerweise visumfrei in die EU einreisen kann. Für schlappe 150.000 Dollar ist diese Citizenship zu haben, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Und keine Bange, zum Erwerb der Staatsbürgerschaft muss man nie den Fuss auf eine der 80 Inseln setzen. In Hongkong befindet sich einer der grössten Handelsplätze für diese Pässe.
Die entsprechenden Einnahmen machen bereits einen Drittel des Staatshaushalts von Vanatu aus, ein boomendes Geschäft. Allerdings kann es durchaus passieren, dass es sich begehrte Staaten wie die EU-Länder oder die USA plötzlich anders überlegen und, auch ohne Virus, hohe Hürden hochziehen. Da ist es vielleicht doch besser, sich einen Pass von einem weniger exotischen Staat zu verschaffen. St. Kitts and Navis, eines der Briefkastenfirmen-Paradiese in der Karibik, macht jeden ebenfalls für 150.000 Dollar zum Staatsbürger.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, besorgt sich natürlich den Pass eines EU-Landes. Portugal, Spanien und Bulgarien machen hier die billigsten Angebote, ihren EU-Pass bekommt man für einen Betrag zwischen 390.000 und 560.000 Dollar. Reisequalität kostet halt. Malta, das dafür mit einer schlanken Abwicklung winkt, will eine Million haben. Das ist sogar teurer als ein US-Pass, den man bekommt, wenn man 900.000 Dollar investiert und 10 Arbeitsplätze schafft. Als ob es das British Empire noch gäbe, verlangt Grossbritannien stolze 2,5 Millionen Dollar.
Kein Staat möchte Staatenlose produzieren
Während früher viele Staaten eher unwirsch und beleidigt reagierten, wenn ein eigener Staatsbürger fremdging und sogar Doppelstaatsbürgerschaften verboten, ist man da heutzutage flexibler. In vielen Ländern sind Doppel- oder sogar Mehrfachstaatsbürgerschaften kein Problem. Falls doch: was der Staat nicht weiss, macht ihn nicht heiss.
So lukrativ das ganze Geschachere um Pässe auch ist, es hat natürlich seine Nachteile. Wer zum Beispiel die US-Staatsbürgerschaft erwirbt, sollte sich im Klaren sein, dass er sich damit dem US-Steuersystem unterwirft. Nein, nicht nur, wenn er auch in den USA lebt. Das gilt weltweit, und die USA kennen da keine Gnade und kein Pardon. Sie haben das Schnüffelmonster FATCA geschaffen, dem sich alle Finanzhäuser unterwerfen mussten, die mit Dollar handeln wollen.
Das bedeutet kurz gesagt, dass jeder US-Citizen, unabhängig von seinem Wohn- oder Steuersitz, auch eine US-Steuererklärung abgeben muss. Was ohne weiteres dazu führen kann, dass er US-Steuern bezahlen muss, obwohl in seinem Steuersitz solche Abgaben gar nicht erhoben werden. Deshalb gibt es gerade bei US-Bürgern auch die gegenteilige Bewegung. Leben und arbeiten sie im Ausland, wollen sie ihren US-Pass loswerden. Das ist aber gar nicht so einfach. Wobei weltweit gilt: Wer nur einen Pass besitzt, kann sich dieser Staatsbürgerschaft nicht entledigen. Denn kein Staat möchte Staatenlose produzieren.
Ausser natürlich, der Staat selbst entzieht seinem Untertanen den Pass. Als Schikane, als Bestrafung für unbotmässiges Verhalten. Da ist dann guter Rat teuer, denn wie will man heutzutage einen Grenzübertritt bewältigen, ohne einen Pass zu zücken? Nun, ab 100.000 Dollar, dass ist das Aldi-Discount-Angebot von Antigua und Barbuda, kann dem Fehlen des wichtigsten Körperteils des Menschen abgeholfen werden.
Einfacher sieht es bei Adoptionen aus
Es gibt aber noch ein weiteres Angebot auf diesem Markt. Die Eheschliessung oder die Adoption. Aber auch hier machen es die Staaten mit begehrten Staatsbürgerschaften dem Passaspiranten nicht mehr so einfach wie früher. Da genügte es, eine völlig legale Scheinehe einzugehen, sich sofort wieder scheiden zu lassen, und schon gab es einen neuen Staatsbürger. Das ist weitgehend vorbei, wie weiland bei den "Schweizermachern" wird fast überall in Europa kontrolliert, ob es sich wirklich um eine echte Partnerschaft handelt, die auch einige Jährchen andauern muss. Etwas anders, nämlich einfacher, sieht das bei Adoptionen aus, die gerne mit dem Erwerb eines Adelstitels verbunden werden.
Im deutschen Sprachraum gibt es da seit Urzeiten und bis heute Hans-Hermann Weyer. Pardon, Sonderbotschafter und Consul Dr. h.c. Weyer, Graf von York. Der handelt bis heute mit Titeln und Auszeichnungen, wobei allerdings zu beachten ist, dass er sich strikt an seinen Grundsatz hält: "Nie mehr als zwei Stunden am Tag arbeiten." Adel verpflichtet, und mit fast 82 darf man schon mal kürzertreten.
Wer sich vielleicht bislang in der Illusion wiegte, dass der Pass nicht nur das wichtigste Körperteil des Menschen ist, sondern auch ein Staat, der etwas auf sich hält, seine Staatsbürgerschaft nur durch Vererbung oder Geburt auf seinem Staatsgebiet vergibt, muss sich leider davon verabschieden. Alles ist käuflich auf dieser Welt, von der Geburt bis zur Bahre.