Gastautor / 21.11.2019 / 06:15 / Foto: Pixabay / 209 / Seite ausdrucken

Warum ich für ein Tempolimit bin

Von Ulrich Siemer.

Holland fährt nun tagsüber auf den Autobahnen mit Tempo 100. Die Mehrzahl der deutschen Autofahrer gibt inzwischen an, ein Tempolimit auf Autobahnen sei in ihrem Sinne. Gegner argumentieren gerne emotional, zuletzt sogar ministeriell. Argumente für das schnelle Fahren sind meines Erachtens leicht zu entkräften.

Bei allen Fahrzeugen gilt: Eine Stunde hat exakt 3.600 Sekunden. Die Umrechnung führt auf einen Fahrweg je Sekunde von 33.3 Metern bei 120 km/h und 50,0 m bei 180 km/h. Das ist einfaches Rechnen, das Wort Mathematik suggeriert hier eine Kompliziertheit, die es nicht hat. Gilt auch für Fahrzeuge bayrischen Ursprungs.

Ein plötzlich auftretendes Hindernis (Stauende, Gelbweste oder Fahrrad) realisiert jeder Fahrer erst nach einer Schrecksekunde, geübte Fahrer treten vielleicht schon bei der Hälfte auf die Bremse. Jeder Besitzer einer Stoppuhr oder eines Smartphones mag die eigene Reaktionszeit testen. Ein Mitstreiter drückt urplötzlich „Start“. Auch ein bereit gehaltenes Händchen über dem „Stopp“-Knopf ergibt immer eine Zeit von 0,5 Sekunden. Besonders interessant ist das Spielchen nach dem Konsum von mehreren Schnäpsen.

Zurück zum Abbremsen vor dem sich plötzlich auftuenden querstehenden Lastwagen. Es gilt, dann die schnelle Masse des Fahrzeugs mittels Reibungsenergie an den Bremsklötzen (erzeugt bösen Feinstaub) auf geringere Geschwindigkeit zu bringen. Das ist Physik: Der Bremsweg berechnet sich aus dem Quadrat der Geschwindigkeit geteilt durch 100. Hier zeigt sich schon ein wesentlicher Unterschied zwischen den Geschwindigkeiten: bei 120 km/h  = 144 m, bei 180 km/h mehr als das Doppelte, nämlich 324 m.

Man beachte den Notsicherheitsabstand

Addiert sich dazu noch die halbe Schrecksekunde, so ergeben sich Bremswege von 161 beziehungsweise 349 Metern – bei normalem Bremsen. Eine harte Notbremsung unter optimalen Bedingungen, bei trockener Fahrbahn voll in die Eisen, (die Verzögerungswerte zu einem Drittel + halbe Schrecksekunde) bringt den 120er Wagen erst nach 64 Metern zum stehen. Der 180er schießt die gleiche Distanz noch einmal weiter. Möglicherweise ist dann aber die Fahrt urplötzlich vorher zu Ende und die Sicht durch das Latex des Airbags reduziert. Fest steht: Der Sicherheitsabstand sollte bei 120 km/h mindestens 64 Meter, der bei 180 km/h mindestens 131 Meter betragen. Weniger ist sträflicher Leichtsinn. Die alte Daumenregel „halber Tacho“ passt nur für Geschwindigkeiten von 100 bis 120 km/h.

Für das Abbremsen von 180 km/h auf den plötzlich ausscherenden Wagen mit 120 km/h werden 84 Meter Fahrweg benötigt, lange 2,8 Sekunden, mindestens.

Häufiges gehörtes Argument ist, bei hoher Geschwindigkeit fahren mehr Fahrzeuge durch. Irrtum: Werden auf 120 Kilometer Autobahn Autos von 5 Metern Länge gestellt mit jeweils oben genanntem Bremsabstand von 64 Metern Abstand zum nächsten, so können 1.730 Einheiten platziert werden. Schicken wir diese Kolonne nun mit 120 km/h auf die Reise, so passieren in einer Stunde 1.730 Fahrzeuge die Strecke. Unter Einhaltung des minimalen Notsicherheitsabstandes von 131 Metern könnten aber nur 1.325 Fahrzeuge mit 180 km/h vorbeifahren. Fahren mehr, so ist der Notsicherheitsabstand unterschritten.

Ohne jegliche grüne Verbotsabsicht

Fahrer in moderneren Fahrzeugen mit Tempomat und Multifunktionsanzeige können leicht eine Schadstoffreduzierung erkennen. Bei meinem Diesel erhöht sich der Verbrauch beim Fahren mit 140 anstatt 120 km/h um 1,0 l/100 km und weitere 1,5 Liter bei Erhöhung auf 160 km/h, 5,0l/100 km statt 7,5, also ein Drittel weniger beim Fahren mit 120 km/h. Das entlastet mein Portemonnaie und meinen individuellen „ökologischen Fußabdruck“ wesentlich – möglicherweise das gesamte Schadstoffszenario aber nur wenig.

Fazit: Das Fahren mit Geschwindigkeiten von 120 bis 130 km/h ist zuallererst aus Gründen der Sicherheit geboten, aber auch aus Gründen der Emission. Zudem erzeugt das Gleiten ohne „Schnellschüsse“ von hinten ein entspannteres Fahren, kurzum Freude am Fahren. Zum ehrgeizigen Spaßfahren seien jedem Schnellfahrer die einschlägigen Strecken in Hockenheim, am Nürburgring oder ähnliche empfohlen, dort gefährdet man nur sich selbst.

Soweit Argumente zu den bescheuerten Aussagen unseres „Andys“, unseres Verkehrsministers, bezüglich Menschenverstand, den er mir abspricht, ich ihm vorsichtshalber nicht.

Argumente, aufgestellt mit Rechnen, Logik, Verstand, Abitur aus Bremen (nicht aus Bayern) und ohne jegliche grüne Verbotsabsicht aber mit Hoffnung auf Einsicht.

Siehe zum gleichen Thema auch den Beitrag von Ulli Kulke: Warum ein Tempolimit überfällig ist!

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Andreas Rochow / 21.11.2019

Tempolimit ja, aber nur, wenn Bahn- und Flugverkehr ebenfalls verlangsamt werden! Alles andere wäre eine unerträglich bevormundende Diskriminierung. Künftig wird das “Strom-aus-dem-unerschöpflichen-Netz-Tanken” auch zu einer weiteren Verlangsamung letzlich aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse führen. So oder so: Die staatlich organisierte Vollbremsung wird nur am Anfang noch zu kontrollieren sein. Die Maoisierung ist in vollem Gang.

S. Salochin / 21.11.2019

Bei der Bahn ist es natürlich völlig in Ordnung, wenn die Züge 200 km/h und schneller fahren. Da müsste man nun wirklich auch ein Tempolimit 130 km/h verlangen - von wegen Sicherheit (siehe Eschede). Und Flugzeuge sind ja noch viel schneller. Selbstverständlich ist eine restriktive Handhabung der Anzahl von Flügen und Fluggeschwindigkeiten zukünftig dann ebenfalls gesetzt - nur der Gerechtigkeit halber. Denn ein Tempolimit bringt ja statistisch nicht einen Toten weniger. Aber das ist ja bloß Mathematik. Und am sichersten Herr Siemer, ist es sowieso einfach zuhause zu bleiben. Da dürfen Sie dann aber nicht auf eine Leiter steigen oder Strom verwenden, denn dort sterben ja die meisten Menschen (8000 jährlich). Am besten halten wir uns draußen auf, verbieten alles, was gefährlich ist und treten in die grüne Spießerpartei oder den Siemer-Sicherheitsverein (“Verbote führen zum Glücklichsein”) ein. Die haben inhaltlich die gleichen Prämissen. (Leider nur ist es gegen die mathematische Vernunft in die Innenstadt zum Briefkasten zu fahren, um unser Mitgliedsformular einzuwerfen.) Aber toll, wie Sie die Argumente für ein Tempolimit widerlegt haben. Das musste ja mal sein, weil die dummen Raser ja nur mit dem Hintern denken. Ansichten wie die des Autors und die entsprechenden “Lösungsvorschläge” (für welches Problem eigentlich?) gibt es augenblicklich schon zu viele in Deutschland.

Jörg Schumacher / 21.11.2019

Bei der Berechnung des Durchsatzes liegt ein kleiner Denkfehler vor. Da die 1325 Wagen mit 180 km/h nach einer Stunde schon 60 km weiter sind ergeben sich hier 1325x180=238500 gefahrene Kilometer, für die anderen nur 1730x120=207600 gefahrene km.

Matthias Thiermann / 21.11.2019

Seien Sie ruhig dafür. Aber dann ziehen Sie doch bitte nach Holland und fahren dort tagsüber. Gerne auch häufig und im Kreis, dazu noch viel sicherer, als bei uns.

S. L. Mueffler / 21.11.2019

1. Der Begriff “Freiheit” ist nicht positiv besetzt. Ein ordentliches Verbot, am besten noch mit einer (vorgeblich) “vernünftigen Erklärung” im Hintergrund und drastischen Strafen bei Nichtbeachtung, ja dann kommt allgemeines Wohlbefinden in diesem Land auf! 2. Ungeübte oder abgelenkte “Fahrende” jenseits “toxischer Männlichkeit”, die erst stundenlang hinter einem LKW kleben, dann mit einem wüsten Schlenker ausscheren, um dann mit 93 plus x auch noch 3 km hinter dem letzten der zwölf überholten LKW nicht wieder auf die rechte Spur zu wechseln, verursachen nicht nur massenhaft gefährliche Situationen, sie erzeugen auch Autoschlangen, die sich häufig erst nach vielen Kilometern wieder auflösen. Wenn das auf einem Teilstück mit vielen Abfahrten und Autobahnkreuzen passiert, können Sie schon mal den Schalter der Warnblinkanlage ertasten und eine Viertelstunde draufrechnen. 3. Wer langsam fahren will, ist frei das zu tun, aber bitte mit Rücksicht auf andere, die es vielleicht auch aus vernünftigen Gründen eilig haben oder einfach Spaß an der Geschwindigkeit haben. 4. Wer langsam fährt, ist damit nicht automatisch moralisch ein besserer Mensch!

Gottfried Meier / 21.11.2019

Ich bin gegen ein Tempolimit, weil die Grünen dafür sind!

herbert binder / 21.11.2019

Individualverkehr bedeutet keineswegs, daß es sich hierbei quasi “automatisch” um eine Privatangelegengeit handelt. Jeder Teilnehmer am öffentlichen (!!!) Straßenverkehr begibt sich (und befindet sich) in einem hochkomplexen gesamtgesellschaftlichen Raum. Insofern greifen auch Argumente, die in einem Tempolimit einen (weiteren) Eingriff in die persönliche Freiheit sehen, zu kurz - jedenfalls ist das meine Überzeugung. Obwohl. Über die Ausgestaltung kann und darf gestritten werden. Nur nebenbei, und das ist jetzt wirklich extrem privat: Ein armer Tropf, der sich seinen Kick über diese Art von “Rausch” glaubt holen zu müssen (und zu dürfen).

Sabine Schönfelder / 21.11.2019

O, O Herr@Löding, das hatten wir jetzt aber schon zur Genüge, das mit dem ‘argumentum ad hominen’! Der Individualist, der Selbst-und Freidenker, der Selbstbestimmte, der ist das egoistische, asoziale Schwein, während der Anhänger eines vorgegebenen Tempolimits der ‘Gute’, ein moralischer Sozialist ist. “Entsprechend verlaufen die politischen Grenzen.” Das ist ganz harter Tobak! Als Anhänger des staatlichen Reglements rate ich Ihnen ins chinesische Exil abzuwandern. Denken,- schadet dort nur. Tschüß!

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