Wolfram Weimer / 03.11.2019 / 14:00 / Foto: NHCC / 89 / Seite ausdrucken

Wagt Friedrich Merz in Leipzig den Showdown?

Die CDU wirkt erschüttert. Nach der Serie desaströser Wahlergebnisse ist auf der Vorstandssitzung am Montag danach erstmals offen die Machtfrage gestellt worden, ob Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) noch die richtige Parteichefin sei. Als Kanzlerkandidatin sieht sie insgeheim kaum ein Vorstandsmitglied mehr.

AKK musste sich ungewöhnlich emotional wehren und nahm den von ihren Kritikern hingeworfenen Fehdehandschuh öffentlich an. Sie will die Frage der Kanzlerkandidatur zwar erst auf dem Parteitag Ende 2020 klären, verkündete nun aber beinahe trotzig: “Wer auch immer meint, die Frage müsse jetzt in diesem Herbst geklärt werden, hat auf diesem Bundesparteitag die Gelegenheit.” Ende November findet der CDU-Parteitag in Leipzig statt.

AKK hat damit allerdings das Gegenteil dessen erreicht, was sie wollte. Denn das Thema der Kanzlerkandidatur ist jetzt erst recht oben auf der CDU-Agenda. Bislang war die K-Frage in der Union offiziell “kein Thema” und eine “verfrühte Frage”. Und grundsätzlich habe die Vorsitzende ein “Erstzugriffsrecht” auf die Kandidatur. Beides gilt nun nicht mehr. Die meisten Entscheidungsträger sprechen jetzt von einer “offenen Frage”.

Immer größere Teile innerhalb der CDU wünschen sich entweder Armin Laschet oder Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten. Die Chancen von Merz steigen dabei kontinuierlich. Der vor einem Jahr knapp unterlegene Kandidat um den Parteivorsitz steigert Monat für Monat seine Umfragewerte, während die von AKK fast spiegelbildlich fallen. Ihre knappe Mehrheit auf dem Parteitag im Dezember wirkt rückblickend wie ein Pyrrhussieg.

Deutschlands zweitbeliebtester Politiker

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts “Insa” ist Friedrich Merz inzwischen sogar Deutschlands zweitbeliebtester Politiker. Demnach erreicht Merz derzeit einen Zustimmungswert von 111 Punkten in der Bevölkerung (plus 3 zur Vorwoche). Nur Bundeskanzlerin Merkel befindet sich noch knapp vor ihm. Merz liegt aber in der Wählergunst mit deutlichem Abstand vor allen anderen Unionspolitikern. Die CDU-Parteivorsitzende und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer fällt mit 76 Punkten abgeschlagen auf Platz 18 der Rangliste.

Vor allem unter Unions-Wählern ist Merz inzwischen klarer Favorit für die Kanzlerkandidatur. Nach einer neuen Emnid-Umfrage spricht sich fast die Hälfte aller Befragten für ihn aus. Kramp-Karrenbauer fällt mit 13 Prozent innerhalb ihrer eigenen Partei weit zurück. Unter den Befragten, die der CDU/CSU politisch nahe stehen, ist Söder mit 16 Prozent nach Merz am zweitbeliebtesten. Fazit: Ginge es nach den Wahlumfragen, wäre Merz die Kanzlerkandidatur derzeit nicht zu nehmen.

Merz ist für viele Unionswähler offenbar eine Projektionsfläche für die Sehnsucht nach der guten alten CDU. Er verkörpert für diese Zielgruppe die Chance auf ein kraftvolles Comeback der bürgerlichen Politik. Gerade weil er zu Angela Merkel und der Großen Koalition in rigoroser Distanz steht, in der Außen- wie Wirtschaftspolitik hohe Kompetenzwerte erhält, sehen ihn viele – insbesondere die vielen Mittelständler in der Union – als ihren Wunschkandidaten. So fordert der Chef des einflussreichen Parlamentskreises Mittelstand (PKM) in der Union, Christian von Stetten, nach der Thüringen-Wahl eine stärkere Einbindung von Friedrich Merz.

Merz hat inzwischen nicht nur den Wirtschaftsflügel, die Mittelständler, die Junge Union und Konservativen hinter sich. Auch immer mehr Landesverbände von Ostdeutschland bis Baden-Württemberg wenden sich ihm zu. Landesgruppen wie Hessen waren vor Jahresfrist noch eher auf Seiten von AKK, nun schwindet dort ihr Rückhalt.

AKK hat mit ihrer provokanten Aufforderung, auf dem anstehenden Parteitag die Machtfragen zu klären, möglicherweise Merz eine unerwartete Tür zur Macht aufgemacht. Denn zumindest das Findungsverfahren des Kanzlerkandidaten könnte in Leipzig nun beraten und – zu Ihren Ungunsten – entschieden werden. Die Junge Union wird einen Antrag auf Urwahl stellen, andere erwägen eine abermalige Regionalkonferenzen-Road-Show mit offenem Parteitagsentscheid.

Leipzig ist für Merz ein symbolischer Ort

Das Merz-Lager schaut nun bereits mit Vorfreude auf den Parteitag. Leipzig ist für Merz ein symbolischer Ort. Im Jahr 2003 gelang es ihm dort, den Bundesparteitag der CDU triumphal auf sein Konzept eines radikal vereinfachten Einkommensteuerrechts einzuschwören. Die Bierdeckel-Vorschläge wurden damals von den 1.001 Delegierten einstimmig angenommen. Viele werden sich erinnern und warten nun gespannt, was Merz auf diesem Parteitag anzubieten und zu sagen hat.

Das eigentlich als Routine-Parteitag gedachte Treffen ist auch deswegen spannender als gedacht, weil mit dem überraschend starken Abschneiden der Groko-Gegner Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken bei der SPD-Urwahl das Risiko eines Platzens der Großen Koalition gestiegen ist. Die K-Frage könnte damit in diesem Winter tatsächlich akut werden.

Eigentlich wollte AKK auf Zeit spielen, an der Erholung ihrer Akzeptanz arbeiten und darauf spekulieren, dass sich ihre Konkurrenten um die Kandidatur gegenseitig hindern. Insbesondere Armin Laschet und Friedrich Merz. Anderseits ist es für AKK gefährlich, wenn beide – die ohnedies ein passables Einvernehmen haben – sich untereinander einigen sollten.

Langjährige Wegbegleiter von AKK halten daher auch eine überraschende Wendung in der K-Frage für möglich. AKK hat Stehvermögen und denkt langfristig. Sie ist zudem klug, um zu erkennen, dass sie derzeit besser nicht als Kanzlerkandidatin antreten sollte. Es erinnert manches an den Winter 2001/2002 als Angela Merkel in einer ähnlichen Situation war und sich einem drängenden Edmund Stoiber gegenüber sah.

Merkel entschied sich damals, strategisch clever, ihrem Konkurrenten den Vortritt zu lassen. Im legendären Wolfratshausener Frühstück im Januar 2002 überließ Merkel dem Widersacher Stoiber die Kandidatur. Der verlor und sie rettete so ihre langfristigen Optionen. Nun unkt man im Adenauerhaus: “Es könnte zwischen AKK und Merz zu Wolfratshausen 2.0 kommen.”

Dieser Beitrag erschien zuerst auf "The European".

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Leserpost

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Christian Saxinger / 03.11.2019

Dr. Brosowski, Sie ziehen genau die richtigen Schlüsse. Indem die Ostler Stoiber nicht wählten, haben sie gerade die spätere Kanzlerschaft Merkels erst ermöglicht. Denn mit 8 Jahren Stoiber hätte es eine Bundeskanzlerin Merkel später nie gegeben. Generell war bei Strauss und Stoiber zu beobachten, dass die Deutschen im Zweifel lieber links wählen, um nur ja keinen Bayern als Bundeskanzler zu bekommen. So schlau sind sie, die Deutschen. Haben sich genau das zusammengewählt, was sie jetzt bekommen.

Uta Buhr / 03.11.2019

Volle Zustimmung, Herr @Manfred Haferburg. Wie lange wollen manche Wähler noch der Ankunft des Messias harren, der die total abgewrackte CDU und dieses Land rettet? Zuerst wurden Hoffnungen auf Innenhorst gesetzt, der vom merkelschen Bettvorleger zum Waschlappen mutierte, den man mühelos zusammenfalten kann. Dasselbe gilt für den Söder Markus., der inzwischen so grün ist wie ein Grashüpfer. Und von Merz ist auch nichts weiter zu erwarten als die bekannte heiße Luft. Vielleicht tritt oh Schreck in der großen Not ja unsere über alles geliebte Kanzleröse zum fünften Mal an… Aber da sei Gott nun wirklich vor!

S. Salochin / 03.11.2019

Friederich Merz, der Gary Cooper der CDU: Es ist ein sonniger Tag in der Stadt, der Sherrif wird von allen Leuten geschätzt und gemocht, man grüßt ihn, stimmt ihm zu. Ab und zu fingert er verträumt nach dem Bierdeckel in seiner Weste, auf dem später die Steuererklärung aller Bürger der Stadt passen soll. Dann stellt sich heraus, dass sich die böse Widersacherin, nicht wie von ihm gefordert, den Kampf von vornherein aufgeben will, sondern mit dem Mittagszug in die Stadt kommt. Nun laufen alle Bürger zusammen und bestärken “Shure Hand” -Friederich, dass er sie von der Platte putzen soll, denn seine Gegnerin kann nicht mal einen Scheunentor treffen und kommt mit blinden und lahmen Kumpanen, deren Rückrat auch noch die Festigkeit eines Gartenschlauchs hat. Unser Held steht in der Mittagssonne, greift sich mit dem Ausdruck der Verachtung an seinen Gürtel und - niemand traut seinen Augen - legt ihn einfach ab. Danach setzt er sich - noch bevor einer der verzweifelten Bürger oder seine Braut in ihrem Hochzeitskleid etwas sagen kann - auf sein Pferd und reitet aus der Stadt Richtung Black Rock. Der Film ist zuende (5:34 Minuten). In der Schlusseinstellung sieht man den zahnlosen Stallknecht, der grinsend erklärt: “Friedrich is a german douchebag - as always”. Toller Film, Herr Weimer. Sie haben offenbar keine Ahnung von Western: Den Showdown gewinnt nämlich nicht die beleidigte Leberwurst, sondern ein richtiger Kerl.

Rolf Urli / 03.11.2019

Er wird die CDU nicht retten und er wird den Aufstand nicht wagen. Im entscheidenden Moment kneift oder versagt er. So wie damals gegen Merkel und letztes Mal gegen AKK. Ich wäre für Jens Spahn. Der steht fpr mich wirklich für einen Neuanfang.

Rolf Mainz / 03.11.2019

Das CDU-Problem heisst nicht primär Kramp-Karrenbauer, es heisst primär Merkel. Frau Kramp-Karrenbauer hat lediglich die Rolle einer “Strohfrau” entgegennehmen dürfen, um die seinerzeit bereits absehbaren Tiefschläge anlässlich der ostdeutschen Landtagswahlen einzustecken - und jene damit abzuleiten von der grossen Kanzlerin, die sich derweil vornehm im Hintergrund hält und sich lieber fern der undankbaren Heimat feiern lässt. Inwieweit AKK dies von Beginn an klar war, sei dahingestellt, dass es genauso vorausgeplant war, kann hingegen als absolut sicher gelten. Eine weitere Facette des merkelschen Machtkalküls, ein Bauernopfer, wenn man (pardon: frau) so will. Dass allerdings Herr Merz derart an Bedeutung gewinnen würde, dürfte Frau Merkel und ihre Entourage gewundert haben, ein Indiz für das Ausmass deren Realitätsferne in jeder Hinsicht. Spannend allein, ob sich in der CDU (ausser Merz vielleicht) jemand finden lässt, welcher den Mumm hat, Frau Merkel endlich in ihre Schranken zu weisen - es sieht jedoch nicht danach aus, ganz im Gegenteil.

beat schaller / 03.11.2019

@Manfred Haferburg, Das sehe ich genau so Herr Haferburg. Das alles sind Aufgaben, die brauchen Mut und die werden ganz offensichtlich nicht leicht umzudrehen sein. Dafür ist sich Merz zu schade und dafür darf man sich auch nicht bitten lassen. Es wird in vielen Dingen kaum möglich sein, eine Mehrheit für den Rückbau der Fehlkonstruktionen zu bekommen und da würde es einen “Trump ähnlichen ” Menschen brauchen, der zuerst mal einstecken kann und dazu bereit ist. Gibt es sowas in EUtschland? b.schaller

Dirk Ahlbrecht / 03.11.2019

Armin Laschet oder Friedrich Merz - für den Wähler die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Ilona Grimm / 03.11.2019

Heute hat mir ein alter weißer Mann erzählt, dass sein jüngster Sohn nun mit 28 Jahren vor dem Abschluss seines Ingenieur-Studiums (oder wie man das heute nennt) steht und trotz bisher hervorragender Noten großen Bammel hat, einen Job in der Nähe von Stuttgart zu bekommen, der ihm vor einem halben Jahr noch sicher schien. Seine Freundin steht kurz vor ihrem Master in einem „Bullshittologie“-Fach - und obwohl ihr noch vor kurzem versichert worden ist, dass sie als Praktikantin ganz und ganz und ganz bestimmt übernommen werden würde, guckt sie nun mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Der Betrieb wird abgewickelt. Das kommt davon, wenn man GRÜN und LINKS wählt und vor lauter CO2 vom richtigen Leben nichts mehr mitkriegt, hat der Papa gesagt.

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