Was ist eine Volkspartei? Eine Partei, der das Volk zu großen Teilen vertraut? Eine Massenorganisation, die dank hoher Mitgliederzahlen, den Anspruch erheben darf, fest im Volk verankert zu sein? Eine Interessenvertretung, die sich bemüht, mit fachlicher Kompetenz durchzusetzen, worauf es dem Volk ankommt, was der Sicherheit dient und den Wohlstand mehrt? Richtig, so sollte es sein. Wie aber verhält es sich unterdessen tatsächlich mit den "Volksparteien" in Deutschland.
Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wollten am vergangenen Sonntag bloß noch 8 Prozent aller Wahlberechtigten der Linkspartei, 11 Prozent der CDU und 18 Prozent der SPD vertrauen. Die Grünen fielen gleich ganz durchs Sieb. Noch bescheidener fällt die Bilanz aus, schaut man auf die Mitgliederzahlen. Parteiübergreifend schrumpfen sie seit Jahren. Bei CDU/CSU, SPD, Linken und Grünen, waren Ende 2015 zusammen nicht einmal mehr zwei Prozent der Deutschen eingeschrieben. Und was schließlich die Interessenvertretung des Volkes anlangt, so erklären uns die Sachwalter der repräsentativen Demokratie selbst, dass sie sich auf einen derartigen Populismus niemals einlassen werden. Längst sind sie dazu übergegangen, ihr eigenes Ding zu machen, Volkes Wille hin oder her.
Wenn sie Selbstkritik über, dann stellen sie allenfalls fest, dass es ihnen nicht gelungen sei, "ihre" Politik "den Menschen" nahezubringen. Mit anderen Worten, sie greinen, weil sie demagogisch versagt, es nicht geschafft haben, das Volk so einzulullen, dass es jeden Schwindel für bare Münze nimmt.
Das Auslaufmodell der Geschichte
Tatsächlich handelt es sich bei den "Volksparteien", so wie wir sie uns einst vorstellten, um ein Auslaufmodell der Geschichte. Der Begriff hat seine Bedeutung verloren. Geblieben ist ein Titel, auf dessen Führung die Parteien von gestern eifersüchtig beharren, um sich weiter im Gefühl einstiger Größe zu wiegen, eingedenk der schönen Tage von Bonn.
Da geht es den Parteien heute wie der Hofgesellschaft nach 1789, als der Adel zusehen musste, wie er im Laufe des 19. Jahrhunderts seine politische Bedeutung verlor. Mit ihren ererbten Titeln konnten Grafen, Fürsten, Barone und Baronessen fortan nur mehr privatisieren. Von den politischen Bühnen wurde ihr Stand auf die der Operetten versetzt. Und vielfach besaßen sie die Größe, sich selbst darüber zu amüsieren. Als Csárdásfürstin und als Prinz Orlofsky machen sie auf dem Theater seither Bella figura.
Dass sich die Granden der ausgezehrten "Volksparteien" heute zu einem ähnlichen Rollenwechsel verstehen könnten, scheint indessen unvorstellbar. Dazu fehlt ihnen die komödiantische Begabung. Nicht zu reden von den figürlichen Voraussetzungen. Allenfalls ließe sich Sigmar Gabriel noch in der Rolle des "Zigeunerbarons" besetzen. Aber Angela Merkel als "lustige Witwe" an der Seite von Peter Altmaier als Graf Danilowitsch mit weißen Schal? Oder Winfied Kretschmann im "Land des Lächelns"? Nein, davor bewahre uns das gütige Schicksal.
Die Fortsetzung kommt in der Bunten
Dann sollen sie sich doch lieber noch eine Weile, meinetwegen bis zum Sankt Nimmerleinstag mit dem Titel einer "Volkspartei" etwas vormachen. Weiß doch ohnehin bald jeder, dass das nichts zu bedeuten hat. Am kommenden Sonntag in Berlin werden wir es abermals erleben und amüsiert zuschauen, wie sich die Verlierer nach der Wahl als Sieger feiern, wie sie ihre "Volksparteien" mit mageren Prozentpunkten hochleben lassen. Allesamt geharnischt gegen den Lauf der Zeit wie Don Quijote, als er mit angelegter Lanze gegen die Windmühlen stürmte.
Das alles, diese ganze Volkstheater, könnte zum Schießen komisch sein, würde es das Volk nicht so viel kosten: Geld, Sicherheit und die Aussicht auf eine Zukunft, in der sich statt erschöpfter Parteien, politische Kräfte zur Wahl stellen, die das Volk so ernst nehmen, dass es ihnen wieder vertrauen dürfte. Und die anderen, die politische Prominenz von heute, die könnte dann ja noch immer durch die bunten Blätter geistern, wo Heiko Maas dem Adel schon jetzt manche Seite streitig macht.