Archi W. Bechlenberg / 25.03.2020 / 10:33 / Foto: Lin Mei / 28 / Seite ausdrucken

Virus! Gib mir meine Melonen zurück!

Bei meiner allerersten Begegnung mit Asterix und Obelix hießen sie „Siggi und Babarras“. Über etliche Folgen verteilt erschien eine Geschichte mit ihnen als Helden in „LUPO Modern“, einem Ableger von Rolf Kaukas „Fix und Foxi“. Das beeindruckte mich wenig. Ich las zu dieser Zeit lieber Robert Crumbs „Head Comics“ und Gilbert Sheldons „Freak Brothers“ sowie ganz abartiges Zeug, das unter der Sammelbezeichnung „Underground Comix“ aus den USA seinen Weg nach Europa gefunden hatte. Die Helden dieser Comix hatten drollige Namen wie „Wunderwarzenschwein“, „Frollein Engelschleck“, „Fritz the Cat“ und „The Leather Nun“, und ein gewisser S. Clay Wilson erzählte in seinen Geschichten von einer Horde wilder Piraten und ihrem Kapitän, dessen Namen ich um nichts in der Welt hier zitieren möchte.

Warum ich dennoch zu „LUPO Modern“ griff – ich weiß es nicht mehr. Vielleicht erschien darin eine Serie, die mir gefiel. Oder jemand hatte das Heft auf dem WG-Klo unter dem Zappa-Poster liegen lassen. Asterix und Obelix jedenfalls waren Opfer von Lizenzgebern bzw. -nehmern geworden. Ende der 1960er Jahre gerieten sie in die Hände Kaukas, er machte aus den Galliern tumbe Teutsche, die Römer wurden zu Nachkriegsbesatzern und Hinkelsteine gar zu Schuldkomplexen. Den französischen Autoren und Lizenzgebern von Asterix stieß das übel auf, und sie entzogen Kauka die Rechte. Auf seine schmissigen Siggi und Barrabas mochte dieser nicht verzichten, er plagiierte Asterix daher mit einer eigenen Serie, in der die Helden „Fritze Blitz und Dunnerkiel“ hießen; sie waren Asterix und Obelix wie aus dem Wanst geschnitten und hießen ab ihrer zweiten Geschichte wieder Siggi und Babarras. Egal, Kaukas Teutonen kennt heute nur noch ein Comicwissenschaftler. Was wirklich zählt ist, dass die deutsche Ausgabe von Asterix von Kauka weg in andere Hände, den Ehapa Verlag, kam. Der war und ist über jeden Zweifel erhaben, erschienen (und erscheinen) dort doch die akribisch von Carl Barks und Erika Fuchs zusammengetragenen Chroniken aus dem Duck'schen Universum.

Schöpfer der Geschichten um das kleine gallische Dorf mit seinen wehrhaften Einwohnern waren die Freunde René Goscinny als Autor und Albert Uderzo als Zeichner. Seit dem ersten „richtigen“ Asterix, der mir in die Hände fiel, war ich ein glühender Fan der Serie. Wenn das Geld auch noch so knapp war – sobald ein neuer Asterix erschien, musste er gekauft werden. Und immer musste es eine ladenneue, ungelesene Ausgabe sein, während ich andere Comix häufig in einem Secondhand-Buchladen erstand. (Dort lernte ich nicht nur viele Comicserien kennen, sondern auch die Prinzipien des Kapitalismus. Man konnte seine gelesenen Hefte hinbringen und bekam, je nach Zustand, zwischen 5 und 8 Pfennige pro Exemplar. Verkauft wurden die gleichen Hefte dann für 20 bis 30 Pfennige. Aber das nur am Rande).

Exotische Asterixhefte aus exotischen Ländern

Lange Zeit habe ich es mir auch zur Aufgabe gemacht, von Reisen in fremde Länder jeweils einen dort erschienen Asterixband mitzubringen. Zur Not gab es, wiederum aus finanziellen Gründen, in der Woche dann nur Toastbrot mit Corned Beef. Eine gute Entscheidung; noch heute stehen bei mir exotische Asterixhefte aus exotischen Ländern, zum Beispiel die finnische Ausgabe von „Asterix und der Kupferkessel“ mit dem Titel „Asterix ja rahapata“, deren Inhaltsangabe sich so anhört: „Voittamattomien sankareiden Asterixin ja Obelixin kylässä vieraileva gallialaispäällikkö jättää Asterixin huomaan padallisen kultarahoja...“ Hätte ich damals das Geld für Essen ausgegeben, wäre das seit Jahrzehnten... na, Sie ahnen schon.

Jeder von uns dürfte Lieblingsfiguren und Geschichten rund um den Kleinen und den Stattlichen haben. Fühlen Sie sich frei, davon in Ihren Kommentaren zu erzählen. Bei mir, immer schon auf der Seite der Unterdrückten und Geknechteten, war es ohne Frage Troubadix, dessen stets heißes Bemüh'n, musikalisch etwas beizutragen, auf üble Weise unterminiert wurde. Auch die Piraten hatten und haben immer meine Sympathie, und, ich verhehle es nicht, so mancher Römer, der ohne wirklich böswillig zu sein, in die Reichweite von Obelix' Schwinger geriet. Und dann fällt mir noch die Gattin von Methusalix ein... ach ja.

Texter René Goscinny, der auch für Lucky Luke, Isnogud und die Geschichten über den kleinen Nick (Lesen, lesen, lesen!) verantwortlich zeichnete (bzw. schrieb), war Sohn polnischer Einwanderer jüdischen Glaubens, ihn raffte bereits mit 51 Jahren der Schnitter dahin; sein Grab findet sich im sonnigen Nizza. In jeder Beziehung ein schwerer Schlag, nicht nur für ihn selber, sondern auch für Frau und Tochter und die Comicwelt.

Zeichner Uderzo wollte Asterix damit nicht enden lassen und schrieb fortan auch die Plots und Texte. Das wurde vielfach als Schritt in die falsche Richtung angesehen; mir hingegen war es egal, solange Troubadix und die Piraten vorkamen, war die Welt der Gallier für mich in Ordnung. Seit ein paar Jahren zeichnet und schreibt ein anderes Team die Asterixgeschichten, auch das ist mir egal. Uderzo, der so offenbar wie heimlich als Kind in den Zaubertrank gefallen ist, erreichte ein Methusalix'sches Alter, aber irgendwann ist eben mal Schluss. Am gestrigen 24. März ist er mit 92 Jahren verstorben, in Neuilly-sur-Seine bei Paris. Das ist eine Stadt, die nicht gerade als sozialer Brennpunkt bekannt ist, woraus ich schließe, dass Uderzo ein zufriedenes Leben in verdientem Wohlstand gelebt hat. Darauf einen Met und ein Stück Wildschwein und dazu ein munteres Liedchen von Trouhbampffffff...

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Burkhart Berthold / 25.03.2020

Pax, meine Herren, Pax!

Wolfgang Nirada / 25.03.2020

Und wieder ein Stück das mit meiner Kindheit und Jugend untrennbar verbunden ist unwiederbringlich weg… Sowas kommt nicht wieder… Wir konnten tage- und wochenlang über kleine Details oder Redewendungen aus dem “neuen Asterix” ausgiebigst lachen… Seltsamerweise nur die Jungs in der Clique - ich habe bis heute kein weibliches Wesen getroffen das an Comics und Cartoons so viel Vergnügen hat wie wir damals… Den “kleinen Nick” kann ich ebenfalls jedem nur wärmstens empfehlen… Obelix würde sagen: “Die spinnen diese Erwachsenen” und recht hätte er…

Andreas Rühl / 25.03.2020

Idefix wurde für mich zum Namensgeber einer in Deutschland sehr weit verbreiteten Erscheinung: Das Idefix-Symptom. Bekanntlich ist Idefix immer, wenn Obelix mal wieder einen Baum samt Wurzeln ausgerissen hat, um damit meist mehrere Römer zu vermöbeln, stinkesauer und beleidigt und guckt Obelix allenfalls noch mit dem Hintern an. So und nicht anders reagiert der Germane, wenn einer der ungezählten Bäume in unserem Land (seriöse Schätzung: über eine Milliarde) gefällt werden muss, sei es, um einer Straße oder einem Tagebau zu weichen, sei es, weil er so krank ist, dass er umzufallen droht und dabei alles und jeden totschlägt. Das ist wurscht! Der Baum hat für den vom Idefixsymptom befallenen eine Aura des Unersetzlichen, Heiligen und Unantastbaren. Klare Favoriten sind natürlich die armen Piraten. Und der einfache römische Legionär (“Komm zum Militär, da erlebst du was, hieß es”), der weniger durch Tapferkeit als durch desillusionierten Sarkasmus glänzt, insbesondere diejenigen, die schön länger in Kleinbonum, Aquarium, Babaorum oder Laudanum Dienst schieben und wissen, dass der Krieg hauptsächlich aus Lagerfrust und Langeweile (“willst du Frieden - vermeide den Krieg!”) besteht und ab und zu kriegt man eben von verrückten Galliern - meistens nur zum Spaß - ordentlich die Fresse poliert, ohne zu wissen, warum eigentlich. Übrigens verdankt Asterix (“Das Sternchen”) seine Entstehung dem Verbot amerikanischer Superheldencomics in Frankreich. Er ist aber daneben auch eine Parodie auf Superman und co. Und auf den chauvinistischen Franzosen (“Ich habe nichts gegen Fremde, meine besten Freunde sind Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier!”). Daneben unsterblich der kleine Gote, der beim Druidentreffen einem herbeigezauberten Blumenstrauß heftig applaudiert und dafür von seinen Mitgoten in den Senkel gestellt wird: “Na, man kann doch Barbar sein und trotzdem Blumen lieben!” Ruhe in Frieden, Monsieur Uderzo.

Sebastian Laubinger / 25.03.2020

Sehr geehrter Herr Ackermann, dieses lustige Lied stammt aus, “Das Geschenk Caesars”. Auch schoen die Reaktion des Genannten, als ihn ein Offizier ueber den Saufbold informiert. Der Offizier fragt Caesar (diabolisch grinsend), “Wirst du ihn den Loewen zum Frass vorwerfen lassen, Oh Caesar?” Letzterer, laut lachend, “Viel schlimmer! Ich werde ihm was schenken!” Ach ja. Meine Reise in dieses schoene Land der Fantasie begann mit Axterix und den Goten; da waren mein Bruder und ich noch klein (sieben, glaube ich), und mein Vater nutzte die Gelegenheit, uns Frakturschrift beizubringen. Der Anreiz war da, denn unser Vater “weigerte” sich, uns jedesmal die Saetze der Goten vorzulesen. Dieser didaktische Streich hat mir spaeter noch sehr genuetzt!

Christa Born / 25.03.2020

Lupo, Knox, Eusebia, Mischa und Conni, Professor Turbino, sie gehörten zu meinen besten Freunden. Später entdeckte ich Tim und Struppi (tintin), mit denen ich französisch lernte (Danke, Fräulein Weber, rip!) und über die mir absolut nichts ging und geht. Das ewige Römer verdreschen war mir nach einigen Ausgaben etwas langweilig geworden, wenngleich mein Leben ohne diese Gallier kaum denkbar scheint.

Markus Bogasch / 25.03.2020

Hallo Bernd Ackermann, das Zitat stammt aus Band 21, Das Geschenk Cäsars. Den nubischen Piraten gibt es mittlerweile wieder - in “Asterix bei den Pikten” haben sich die neuen Autoren Didier Conrad und Jean-Yves Ferri noch nicht getraut, ihn darzustellen, aber bereits im Nachfolgeband “Das Papyrus des Cäsars” kommen mehrere Numider mit den signifikanten Merkmalen vor - und auch Baba, der Afro-Pirat. Im neuesten Band “Die Tochter des Vercingetorix” spielen die Piraten wieder eine größere Rolle. Diese sind im Übrigen eine Parodie auf die französische, hierzulande kaum bekannte Comicreihe “Der rote Korsar”. Ich selbst bin Jahrgang 1977 und konnte in meiner Kindheit bereits auf einen gewaltigen Fundus an Asterix-Bänden zurückgreifen, die ich mit Begeisterung auswendig lernte. Irgendwann erschien dann “Morgenland”, und mit “Maestria” ging´s qualitativ bergab. Es folgten die Schwachpunkte “Obelix auf Kreuzfahrt” und “Asterix und Latraviata” (letzterer mit furchtbarer Klamaukübersetzung), ehe Uderzo selig nach der absoluten Frechheit “Gallien in Gefahr” das Ruder übergab - danach wurd´s wieder besser - mit Vorbehalt. “Nicht mehr zeitgemäß”? Stimmt wohl, was die alten, aber durch die Bank genialen Bände angeht. Das macht die allerneuesten Bände dann doch wieder recht langweilig, weil sich die beiden Neuen zu wenig trauen. Es werden zwar pflichtschuldigst Gags abgespult und es gibt tatsächlich einige tolle Ideen (“Das Papyrus des Cäsars” hat eine geniale Grundidee), doch das Wesentliche der Reihe wird übersehen oder bagatellisiert: Das kleine gallische Dorf steht nämlich gegen Zentralisierung, Gentrifizierung (“Trabantenstadt”) und Fremdbestimmung, es ist ein Hort der Freiheit, fortschrittsfeindlich zwar, aber die Skepsis wurde stets als begründet dargestellt. Hier müssten die neuen Autoren Flagge zeigen. Aber aus Angst, in die rechte Ecke gestellt zu werden, gehen sie lieber kein Risiko ein. Schade!

Gerhard Rachor / 25.03.2020

Meine Lieblingszitat ist aus Asterix bei den Briten: Obelix: Was ist das? Asterix: Wildschwein in Pfefferminzsauce! Obelix: Das arme Schwein!

Andreas Hofer / 25.03.2020

Wenn ich eine kleine Korrektur beitragen darf: Met gab es nicht im kleinen gallischen Dorf, dafür Cervisia oder auch nur eine Ziegenmilch. Uderzo hat die Welt besser gemacht! Danke dafür.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Archi W. Bechlenberg / 05.03.2023 / 10:00 / 32

Comeback von „Fawlty Towers“?

Im englischen Badeort Torquay, sorgte ein gewisser Basil Fawlty als Hotelbesitzer, zuverlässig dafür, dass aus kleinstem Anlass ein größtmögliches Chaos entstehen konnte. Die Serie wurde…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 21.07.2022 / 14:00 / 21

Viva Carlos Santana!

In einer Zeit, als das Radio so gut wie nichts spielte, das uns interessierte, hörten wir im dunklen Keller die erste Platte von Carlos Santana.…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 20.07.2022 / 12:00 / 42

Die Gedanken sind Brei

Ich bin Passagier auf der Titanic. An Bord befinden sich eingeschleuste Piraten, im Osten hat ein riesiger Eisbär eine Insel plattgemacht. Nur die Passagiere der…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 25.04.2022 / 12:00 / 46

Nachhaltiger Montag!

Sie müssen wissen: der Begriff „Nachhaltigkeit“ in allen denkbaren Zusammenhängen ist zwischen Joshi und mir längst zu einem Running Gag geworden, und manchmal mailen wir…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 20.03.2022 / 10:00 / 52

Konflikte, Kasperle und Kokolores – Lauter Knall in Wuppertall 

Freund Joschi versteht es meisterhaft, Konflikten aus dem Weg zu weichen. Um nichts in der Welt wollte er mit mir essen gehen. Jedenfalls nicht dort,…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 09.01.2022 / 10:00 / 75

„O Gottogottogott!“ Donald Ducks Sprachwitz wird getilgt

So lange ich mich zurück erinnern kann, bin ich ein begeisterter Anhänger von Donald Duck. Zu meinen ersten Spielsachen in den 50er Jahren gehörte ein…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 24.11.2021 / 10:30 / 16

Ludwig Hirsch. „Geh spuck den Schnuller aus“

"Ich will die Leut' hinterfotzig in den Hintern zwicken, ihnen dabei aber schön mit den Geigen um die Ohren schmieren." So erklärte Ludwig Hirsch den…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 22.11.2021 / 15:00 / 25

Georg Kreisler. Anarchist und Humorist

Als ich noch ein kleiner Lausbub und Schlawiner war, erzählte meine Mutter immer mal wieder gerne, dass sie eine gewisse Topsy Küppers kannte, die wie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com