V. Lengsfeld empfiehlt einen Film über Trotzki mit der Bemerkung: “Jeder, dem nicht klar ist, wie gefährlich eine Einheitsmeinung ist, sollte sich diesen Film ansehen.” Ich möchte der scharfsinnigen Frau Lengsfeld einen Tip replizieren: Jedem, dem nicht klar ist, wie gefährlich eine Einheitsmeinung ist, sollte sich ihren Artikel bei Tichy gestern, das Plädoyer für eine Spaltung der AfD, ein vorrangiges Ziel des BRD-Verfassungsschutzes, ansehen. Sie schrieb über die Beobachtung eines Teils der AfD durch den Verfassungsschutz: “Letzterer wird neuerdings vom Verfassungsschutz beobachtet, was der Gesamtpartei schweren Schaden zufügt. In dieser Situation bringt es nichts, zu untersuchen, wie gerechtfertigt die Beobachtung durch die Schlapphüte ist.” Das nenne ich Rechtsnihilismus und Eingliederung in die Einheitsmeinung gegen die AfD.
So sind sie eben die Fanatiker, sie räumen sich selbst gegenseitig und gnadenlos aus dem Weg. So war es bei den Nationalsozialisten, so war es bei den Kommunisten, so ist es bei den Moslems und so wird es bei den Linksgrünen sein. Trotzki, ein felsenfest überzeugter Bolschewist, hätte und hat genauso gehandelt wie sein Widersacher Stalin, letzterer war schlicht gewiefter bzw. bauernschlauer.
Wie schnell Menschen bereit sind, bestimmte menschliche Standards bedenkenlos über Bord zu werfen, solange dieses einer vorgeblich „guten Sache“ dient, erlebt man derzeit, wenn man all die kursierenden, hasserfüllten Kommentare und „Witze“ über Trump, Johnson oder die AfD analysiert. Hier wird unverhohlen diffamiert, unverhohlen gehasst, unverhohlen der Tod gewünscht. Und dieses mit einer Selbstverständlichkeit, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es ist wohl leicht, Menschen davon zu überzeugen, dass bestimmtes Leben unwert oder schädlich ist. Man muss dieses nur häufig genug insinuieren. Und wenn etwa Medien (oder Politik) diese Aufgabe übernehmen, dann ist es mitunter nicht mehr weit bis zum nächsten Schritt. Der entmenschlichende Witz bildet dabei nur den Anfang. Vielen Dank für die Filmempfehlung, Frau Lengsfeld. Den werde ich mir ansehen.
So was Düsteres kann ich mir schon in normalen Zeiten nicht reinziehen. Tut mir sehr leid, Frau Lengsfeld, aber ich habe die von Ihnen empfohlene Hölderlin-Biographie gekauft. Nous sommes tous Hölderlin en ce moment-là. Ich kann durchaus das Düstere im Film ertragen, wenn es aufgehellt ist. Musterbeispiel ist für mich “Der Pate”. Die Aufhellung entsteht durch den Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen New York und Sizilien. Es macht viel aus, dass die Schauspieler grandios sind und man ihre Gesichter gern ansieht. Die Musik trägt sehr stark bei. Das gilt auch für Bertoluccis Novecento, in dem niemand wirklich gehorcht, oder für “Kill Bill”. Ich mag auch diese düsteren skandinavischen Krimis nicht. Letztlich kam ich zu dem Schluss, dass meine Vorfahren Römer waren.
Danke für diesen Trigger nun mein Hirn mit Leselust zum Mord an Leo Trotzki zu füllen nur nicht mit Netflix, ich kann das Format nicht leiden. Bronstein war irgendwo naiv und ihm nehme ich die Idee irgendwie ab, obwohl mich dieser verklärte programmatische Idealismus persönlich nervt. Bronnstein gehört zu der Sorte, die von ihrem selbst gebauten Monster gefressen wurde. Sinnig ist es, daß er den Weg des Zaren nahm, es ist im Grunde das frühe Ende der Sowjetunion gewesen, die sich seit Trotzkis Tod nur noch durch die Wirklichkeit ohne Ideen schleppte. Sie war eigentlich schon mit Lenin tot und war mumifiziert, wie ihr gegangener Geist. Tschernobyl war dann das augenfällige - transzendentale Ende und seither herrscht die Sinnkrise als Dauerzustand zwischen dem Zar in bürgerlicher Pracht und jenem, der mit 50 Megatonnen berühmt wurde. Daß man in Deutschland Traumsozialisten in der Regierung duldet ist nicht so sehr eine Frage von Ideologie, sondern historischer Dummheit. Wer in Warschau die Kohle auf der Straße liegen sah und sich seine Wurst auf einem Plumpsklo drücken mußte, weil der Plan die Rohre nicht hergab, wird unser big “M” mit anderen Augen sehen, als diejenigen, die es nicht besser wissen. Wobei Polen den Weg in die Marktwirtschaft wesentlich schneller geschafft hat, als Ostdeutschland. Der Pole trägt alles mit Faulheit, der Deutsche mit Inbrunst, das muß es sein. Also danke nochmal für diesen thematischen Köder.
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