Visconti Teil II: “Nichts einstimmig….die Neinstimmen wurden nicht gezählt”. Also noch einmal von den Mächtigen hereingelegt. So gehts mir ja auch immer. Ich gehe zu jeder Wahl ins Wahllokal. Und dann kommt jedesmal was ganz anderes heraus als ich abstimmte. Man fühlt sich zu einer immer kleiner werdenden, langsam verschwindenden Minderheit gehörig. Oder ob das wohl alles stimmt mit den Auszählungen ? Beide Viscontifilme, sowohl “Sehnsucht” als auch “Leopard” handeln also von der Abschaffung der, eigentlich gar nicht so üblen, alten Welt und der Entstehung der Neuen Weltordnung. Womit wir ganz aktuell in der Gegenwart wären. Der Fürst und die von ihm gelenkten Politiker werden jedenfalls immer oben schwimmen. Oder vielleicht liegt auch nur daran, dass so kleine bürgerliche Würmchen wie ich das „Es muss sich alles ändern, damit es so bleibt wie es ist.“ nicht verstehen können. Und das ist es, was mir in Tod in Venedig etwas fehlt. Die übergeordnete, globale Tragödie zusätzlich zur, zugegeben grossartig inszenierten, persönlichen des Aschenbach.
Visconti Teil I: Venedig gibt mir leider nicht mehr viel, seit ich bereits als Kleinkind Ende der 60er und in den 70ern im Zuge des jährlichen Jesolo Badeurlaubs jeweils immer für einen Sightseeingtag von den Eltern dorthin geschleift wurde. Tod in Venedig ist sicher ein grosser Film und Buch von Visconti/Mann, aber ganz ehrlich, solche etwas beschaulich-introspektiven Altherrendramen interessieren mich nicht. Dazu kommt, dass auch ich Bogarde nicht für die Idealbesetzung halte und die späten Viscontifilme sowieso eher schwächer finde. Mir fehlt da auch die Einbettung in das Zeitgeschehen. Die wirklich guten Tragödien sind doch immer in eine übergeordnete Zeitgeschichte oder Sagenwelt eingebettet, das war schon bei Aischylos und Sophokles so. Deswegen sind meine Visconti Lieblingsfilme “Sehnsucht” und “Der Leopard”. Sehnsucht weil es eine wirklich hochemotionale Liebestragödie ist und mit der Altösterreicherin Alida Valli perfekt besetzt. Ok, vielleicht spielt bei diesem Favoriten auch meine Prägung als ewiger Donauraum-Mensch mit hinein. Ebenso hochpolitisch von der Entstehung Italiens handelnd der Leopard. Es vergeht fast kein Tag an dem ich nicht an eine bestimmte Szene aus diesem Film denke: Der Fürst geht an einem Sonntag mit dem Organisten in den verbrannten Hügeln Westsiziliens auf die Hasenjagd. Unten im Ort läuten die Glocken - die Verlobung der reichen Parvenütochter mit dem verarmten Fürstenneffen findet statt. Ohne das Buch gelesen zu haben….hatte der Jagdgefährte nicht selbst ein Auge auf diese Frau geworfen und wird gerade vom Fürsten hereingelegt und mit der Hasenjagd abgelenkt ? Sie diskutieren über die Abstimmung des Beitritts des Königreichs beider Sizilien zu Italien. Der Fürst („Es muss sich alles ändern, damit es so bleibt wie es ist.“) meint die Wahl war einstimmig “JA”, alles bestens. Der Organist: “Nein, ich habe aus Treue zu den Bourbonen mit “Nein” gestimmt. Nichts war einstimmig,
ich möchte mich bei ARTE bedanken für die Wiederholung dieses wunderbaren Films . Bitte dranbleiben,es gibt noch mehr davon!
Tja, Frau Lengsfeld, so geht das manchmal. Man sollte den grossen Regisseuren nie die Stars in die Hände geben. Dabei bin ich gar nicht woke. Aber gerade bei Filmregisseuren gab es viele die sehr verdreht waren. Maria Schneider hat nie überwinden können, was Bertolucci von ihr verlangte. Der ‘Tango’ wurde ein Erfolg, aber auf ihre Kosten. Bis heute bedauere ich das, denn ich hätte mir Bunuels ‘Obskures Objekt’ am allerbesten mit ihr als Conchita vorstellen können. Allerdings war sie schon zu traumatisiert, die Rolle anzunehmen. Nach langem Zögern erst gab es dann die Version mit den zwei Conchitas. Vermutlich gehört eine gewisse Besessenheit zum Metier, und eine Betrachtung der restlichen Welt ausschliesslich durch eine fiktive Kameralinse. Fritz Lang und seine Frau (nein, ich meine nicht Thea). John Ford, was für ein unhygienisches Hinterteil! Stagecoach ist dennoch einzigartig. Das hiess nicht immer, die Schauspieler zu malträtieren. Bunuel war da viel zu schüchtern, als Beispiel. Er liess sich an seinen Ratten aus. Nicht jeder kann kompensieren. Andrésen tut mir natürlich unendlich Leid. Und auch wenn das hart klingt: Ohne ihn wäre dieser Film nicht das was er wurde, was er ist. Sie scheinen sagen zu wollen, Visconti habe das Talent nicht ausgenutzt. Ich sehe das genau anders. Das ‘Modell’, das ‘Hölzerne’ erst macht Tadzio zu dem, was es (er?) für Achenbach ist.
“...Mahler, dessen Musik den Film kongenial untermalt.” “Schwer erträglich ist allerdings wirklich die Interpretation des Adagiettos, deren sich Visconti bediente. Offensichtlich aus rechtlich-finanziellen Gründen nahm er nicht eine der berühmten Einspielungen zur Hand, sondern ließ sich eine neue Version aufnehmen, deren künstlerische Qualität sehr bescheiden ist und alle Kriterien der genannten Verkitschung erfüllt. Ganz sicher ist, daß seit Visconti der ‘Siegeszug’ Mahlers als Ohrenschmeichler begann.” Jens Malte Fischer, 2003 Wenn der “hohe FDJ-Funktionär” sich die in der DDR greifbare Aufnahme von Mahlers Fünfter mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Vaclav Neumann kaufen konnte, dann ist die Sache ja noch mal gut ausgegangen.
Ich habe Bogarde immer für eine Fehlbesetzung gehalten und tue es nach ebenfalls längerer Abstinenz noch immer. Aschenbach ist mir zu weich gezeichnet und Viscontis Tadzio der feuchte Traum vom Loverboy eines alternden Schwulen. Na gut, da liegt er mit Thomas Mann womöglich nicht weit auseinander. Der Film von Visconti ist sicherlich ein eigenständiges Meisterwerk, wird aber Manns Novelle nicht gerecht, woran auch Mahler nichts ändert. Macht nichts, schön, dass es diese Meisterwerke gibt.
Ein Meisterwerk— ebenso von Visconti die Verfilmung „il „gattopardo ( Der Leopard) „Es muss sich alles ändern, damit es so bleibt wie es ist.“Unbedingt lesen. Das Buch ist besser als die Verfilmung.
Der Realität zu entfliehen macht wie wir sehen wenig Sinn, denn sie holt einen immer wieder ein. Das machen zuviele im Merkelland und sind nicht mehr bereit sich dem Leben, den Herausforderungen (entgegen) zu stellen. Für die Steuergeld- und Demokratieparasiten des Oköfaschistenregimes vordergründig leichte Beute, allerdings nur solange es genug “Nahrung” gibt. Deshalb sind die Bürger, die in Leipzig für ihre Rechte demonstriert haben, trotz Wasserwerfer und Polizeischikane( DDR-Stasi-Methoden) nicht für den” Tod in Merkelland” bereit.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.