Ach nein, Armlänge war gestern – heute heißt es „Mindestabstand“, und der kann auch schon mal ein paar hundert Kilometer betragen, je nach dem, wo man sich gerade aufhält und gerne hin möchte. Oder muss. In einer für ihren Frohsinn weltweit gefürchteten Stadt gab es jetzt einen besonders eklatanten Verstoß gegen Lex Lauterbach: „Stadt Köln sprengt Mediziner-Orgie in Schrebergarten“ las man in der Knallpresse. Orgie, Mediziner, wer denkt da nicht gleich an den Mann ohne die Fliege (ohne die er nach eigener Aussage seriöser rüberkommen will. Das anzunehmen, ist entweder ein genialer Ausbruch rheinischen Humors oder ... was anderes). Kennen Sie die großartige britische Comedyserie Fawlty Towers mit John Cleese? An eine Szene muss ich in letzter Zeit immer wieder denken. Basil Fawlty (John Cleese als Hotelbesitzer) gerät darin völlig aus der Kurve – was immer geschieht, wenn etwas nicht exakt so läuft, wie er das will – und ein Gast kommentiert den Irrwisch mit den Worten: „Dieser Mann bietet Stoff für einen ganzen Psychiatriekongress.“ Wo ist denn nur die Fliegenklatsche ...
Ich fuhr die ganze Nacht
Feminismus gehört nicht zu den Themenkomplexen, für die ich mich jemals interessiert habe. Ähnlich wie für das Sammeln von Wollmäusen, für Wasserball(ett), Curling, Antialkoholismus, die Geologie der Aleuten oder die Seeschlacht von Dan-no-ura, die heute vor ziemlich vielen Jahren stattfand und in der die Streitkräfte des Kindkaisers Antoku heftig was auf die Nüsse bekamen.
Wieso ich ein von YouTube vorgeschlagenes Video anklickte, welches irgendwas mit Feminismus zu tun hat – vielleicht war es Intution, vielleicht war es auch das Thumbnail, also das kleine Bild, mit dem Videos „annonciert“ werden. Es zeigt eine attraktive junge Frau, ein wenig vom Typ Doris Day (über die Groucho Marx einst das hübsche Bonmot schuf: „Ich kannte Doris Day schon, bevor sie Jungfrau wurde.“ Aber ich schweife ab.) Sie heißt Cassie Jaye und macht was mit Dokumentation.
Nach Hause gehen – Lass uns eine Party haben!
„2013 beschloss ich, meine Feinde zu treffen“, beginnt Cassie den Vortrag, in dem es um ihr Filmprojekt „The Red Pill“ geht, für das sie ein Jahr lang das „Men's rights movement“ und dessen leitende Mitglieder beobachtete und begleitete. Sie erzählt, wie sie mit dem Vorsatz an das Projekt heran ging, diese sich für Männerrechte einsetzende Organisation als hassgetrieben darzustellen.
Es lief allerdings ganz anders als geplant. Durch direkten persönlichen Kontakt, durch Gespräche und Diskussionen mit dem „Feind“ begann Cassie Jaye, ihre eigene Position, ihre Weltsicht, ihre Intention und ihr Filmprojekt insgesamt infrage zu stellen. Das Ergebnis war nicht nur ein vorbildlich ausgewogener Dokumentarfilm, sondern auch etwas, das ich kommen sah, während ich ihrem Vortrag, der immerhin eine Viertelstunde lang ist, lauschte ... Wie gesagt, ich habe keine Ahnung von Feminismus, aber als Cassie beginnt, über die Reaktion ihrer „Schwestern“ auf den Film zu berichten, wusste ich zu einhundert Prozent, wie die Geschichte ausgeht.
Ich möchte fliegen wie ein Igel
„Bevor ich den Film machte, sah ich mich etwa zehn Jahre lang als Feministin und ich war überzeugt, bestens über das Verhältnis der Geschlechter“ (sie bezieht sich auf das Jahr 2013, damals gab es nur zwei Geschlechter, Anm. des Hetzers) „Bescheid zu wissen. Doch dann erlebte ich den unglaublichen Wert, der darin lag, mit den Anderen zu sprechen.“ Und sie dachte, dass ihr Film dazu beitragen sollte, auch den Publikum*innen diese Erkenntnis zu vermitteln. Was passierte? Die Medien überzogen Cassie Laye mit einer Schmutzkampagne. Wäre doch nur ich damals zur Stelle gewesen, ich hätte Frau Jaye sagen können, was sie erwartet. Am besten, Sie sehen sich den Vortrag selber an. Zwei Aussagen will ich vorweg noch zitieren: „Ich musste eine Lektion lernen: Wenn du beginnst, deinen ‚Feind' menschlich darzustellen, wirst du von deiner eigenen Community entmenschlicht.“ Die andere: „Es ist kein Geheimnis, dass ich mich nicht mehr als Feministin bezeichne.“
Woher kommt eigentlich die Sympathie für Sahra Wagenknecht? Nur, weil sie nicht ganz auf Parteilinie liegt? Hallo, aufwachen! Wagenknecht ist wie eh und je Kommunistin und gehört fest und eindeutig der Mauerschützennachfolgepartei an, für die sie den Boris Palmer mimt. Ja, geschenkt, sie ist klug und eloquent und sieht deutlich besser aus als die überwiegende Mehrzahl der deutschen Politikerinnen und -außen. Dennoch gehört sie der Partei an, die nicht einmal Lupo Cerveza-Hombre wählen würde, es sei denn, seine verehrte Hamburger Deern würde da mitmischen. Also bitte noch mal über Frau Wagenknecht nachdenken.
Vor einigen Tagen schlich sich Freund Joshi mal wieder zu mir; er weiß schließlich, dass es in der Oyster deutlich genießbareren Kaffee gibt als das, was aus seinem Kapselautomaten rinnt. Wie immer wurde aus einem „Nur mal kurz“ ein ganzer Nachmittag, was daran liegt, dass ich ihm stundenlang Filmszenen erzähle, da seine Filmerfahrung an dem Tag endet, an dem Bambis Mutter erschossen wurde.
Frei wie ein Vogel
So kennt er natürlich auch nicht das populäre Medium der TV-Serien, von Urmel aus dem Eis vielleicht mal abgesehen, und entsprechend viel kann ich ihm erzählen. Joshi hört geduldig zu, er weiß, so lange er ausharrt, gibt es Kaffee, auch wenn er die Milch, die er sich in den köstlichen Tropentrunk kippt, selber mitbringen muss. „Kennst du The IT Crowd?“ frage ich ihn diesmal, nachdem wir beziehungsweise ich ein paar Dutzend andere Serien durchgehechelt haben. Natürlich kennt er die britische Serie um zwei Computer Nerds und ihre Chefin Jen nicht, die ab 2006 die Zuschauer begeisterte. Roy und Moss hausen im versifften Keller eines Bürohauses und nennen sich IT-Abteilung, was vor 15 Jahren durchaus noch in manchen Unternehmen realistisch war.
Geboren, um wild zu sein – das Wandern ist des Müllers Lust
Sie sind selber völlig lebensuntüchtig, machen sich lustig über hilflose Hotline-Anrufer und erzählen ihrer Chefin – die zwar überhaupt nichts von Computern versteht, von den Beiden aber akzeptiert wird, da sie „für die Kommunikation mit normalen Menschen nützlich ist“ – in einer kleinen schwarzen Dose mit einer Leuchtdiode auf dem Deckel befände sich das komplette Internet. Als Beispiel für die Zustände hier ein Ausschnitt, der den Alltag der Hotline recht naturgetreu wiedergibt.
Ich erzählte Joshi also möglichst komplett einige Episoden aus The IT Crowd und stellte dabei fest, dass meine Erinnerungen leicht verblasst sind. Warum, sage ich mir, das nicht mal wieder gucken? Seltsam, in den gängigen Streaming-Portalen findet man die Serie nicht. Warum nicht eine Box mit den Folgen auf Bildträgern kaufen? Ich wurde fündig, die kompletten 4 Staffeln gebraucht, aber noch ansehbar, für knapp 5 Euro; da werde ich Joshi bald viel erzählen können.
Von St. Louis nach Missouri
Meine Geschichte hat aber nicht diese, sondern eine andere Pointe: The IT Crowd hatte ein begeistertes Publikum und das weltweit, und es wäre nach allen Regeln des Kommerzes zu erwarten gewesen, dass mehr als nur vier Staffeln produziert würden. Doch dem sollte nicht so sein – in einer der Episoden kommt das Thema „Transwesen“ zur Sprache. So kommt es zu einer unschönen Trennung zwischen dem Chef des Unternehmens, zu dem die IT Abteilung gehört, und seiner neuen Freundin. Die hat ihm erzählt, sie stamme aus dem Iran, allerdings nur vermeintlich. In Wirklichkeit sagte sie, sie sei ursprünglich ein Mann. Worauf der Erschrockene eher ablehnend reagiert. Worauf der woke Anteil aller Zuschauer sehr ablehnend reagierte. Der produzierende Sender Channel4 nahm die Episode aus dem Programm, was wiederum den Schöpfer der Serie Graham Linehan dazu veranlasste, nie mehr für Channel4 zu arbeiten. Der Mann war ohnehin längst suspekt, äußerte er sich doch immer mal wieder in sozialen Medien, und zwar mit „anti-trans remarks“. Sein Twitter Account wurde im vergangenen Jahr gesperrt.
Sansibar! Da werde ich heute Nacht sein!
Ein Gedicht bekommt neue Strophen – die Geschichte vom „bucklicht Männlein“ ist bereits ein paar Jahrhunderte alt, und wer etwas Bildung genossen hat, kennt es vielleicht. Es gibt allerlei Variationen davon, die bekannteste ist wohl die aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, zusammengetragen von Achim von Arnim und Clemens Brentano zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Hier finden Sie das Gedicht und einige Varianten. Ich habe mir erlaubt, es um ein paar zeitgemäße Verse zu ergänzen:
Will ich in die Kneipe geh'n
mir ein Bierchen zischen
seh' ich's grus'lig Männlein steh'n
um mich zu erwischen.
Will ich aus dem Haus heraus
für'n paar Stippvisiten
grus'lig Männlein, ach du Graus,
liest mir die Leviten.
Mache ich mich partyfein
will mit Freunden feiern
grus'lig Männlein stellt mir Bein
sagt, es kommt aus Bayern.
Will ich in mein Städtchen rein,
will mein Weinlein kaufen,
Sagt das grus'lig Männlein "Nein!"
tut wie'n Nilpferd schnaufen.
Will ich ins Theater rein
und der Welt entfliehen
wieder sagt das Männlein „Nein!“
„Dir wird's nicht verziehen!“
Wird die Wohnung mir zu eng
Will mich mal bewegen
sagt das grus'lig Männlein streng:
„Wirst's nicht überleben!“
Grus'lig Männlein, haut jetzt ab!
Lasst uns aus der Falle.
Ihr grabt unser'm Land das Grab
denn ihr liebt uns alle!
Es gibt dazu auch ein Video. Da ich keinen Youtubekanal habe, hat Stefan Klinkigt es freundlicherweise in seiner Facebook-Chronik verlinkt.
Das Ende
„ARD-Rundfunkrat will ihnen sogar die Jobs wegnehmen!“ (BILD zu der Aktion von Kulturschaffenden in Deutschland, die sich gegen die zunehmenden Restriktionen unter dem Vorwand der Gesundheitsfürsorge wehren).
Die nostalgische Liste von Liedern aus den Zwischenüberschriften plus ein paar Extras
Ich fuhr die ganze Nacht
Es ist meine Party
Route 66
Nach der Schule im Park spielen
Die ganze Nacht mit feuchter Hand am Lenkrad
Fliegen wie ein Igel
Leben ist das, was du draus machst!
Das Wandern ist des Müllers Lust
Born to be wild
Frei wie ein Vogel
Raus hinaus aufs Land!
Wo haben Sie sich letzte Nacht aufgehalten?
Eine frische Brise bei Ausgangssperre
Going Home
Zanzibar!
Lass uns eine Party feiern!
Es ist mein Leben!
Das Ende
Und zum guten Schluss – Sie kommen ihn abholen!