Svenja Schulze und die nachhaltigen Algorithmen

Von Oliver M. Haynold.

„Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes”, sagte Lenin. Unsere Bundesumweltministerin Svenja Schulze schickt sich in einem Gastbeitrag im Handelsblatt an, dieses Rezept zu modernisieren. „Nachhaltigkeit – das ist Macht der Bürokratie plus Digitalisierung“: So könnte man ihren extrem verschwurbelten Beitrag wohl prägnanter zusammenfassen. Im Falle Lenins ließ die Elektrifizierung zu wünschen übrig, aber die Sowjetmacht wurde hergestellt, jedenfalls wenn man darunter die Diktatur des Politbüros versteht. Auch hinter Ministerin Schulzes Artikel findet man – versucht man dem Dickicht von unfreiwillig komischen Formulierungen eine Bedeutung zu geben – nichts als den Machthunger, diesmal gut nach Marx wohl nicht mehr als Tragödie sondern als Farce.

„Jedem Algorithmus muss Umweltschutz eingepflanzt werden,“ so Ministerin Schulze. Das ist ein starker Satz. Ihm folgt ein nächster, der ebenso wichtig ist: „Dazu brauchen wir einen Ordnungs- und Handlungsrahmen.“ Für die Umsetzung dieses Handlungsrahmens ist natürlich federführend das Umweltministerium zuständig, durch „Verbote und Gebote“ und „am besten gleich gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn.“

Ein Algorithmus ist eine Handlungsvorschrift, ein Rezept zur Lösung eines Problems. Ein einfaches Beispiel wäre die Methode des schriftlichen Addierens aus der Grundschule. Andere Beispiele wären Algorithmen zum Sortieren einer Liste von Einträgen nach einem Sortierkriterium, Algorithmen zum Schärfen von Bildern, zum Finden einer guten Route vom Start zum Ziel in einem Navigationsgerät, zur Bestimmung der Menge des eingespritzten Benzins und des Zeitpunkts des Einspritzens in einem Motor oder auch zur Bestimmung, welche Werbeanzeigen der geneigte Leser zusammen mit diesem Artikel angezeigt bekommt.

Wer also sagt, dass er für alle Algorithmen zuständig sei, dass alle Algorithmen auf seine Anweisung geändert werden müssten, der sagt damit, dass er für alle Handlungsvorschriften zuständig sei, auch für mathematische Wahrheiten, mithin schlichtweg für alles. Das ist einerseits eine unglaubliche Machtarroganz, andererseits aber selbst mit besten Voraussetzungen natürlich eine komplette Überforderung, die automatisch zur Verzettelung führt. Alles geordnete Handeln besteht aus Algorithmen, alles um uns herum ist Umwelt, und damit ist das Umweltministerium mit seiner „umweltpolitischen Digitalagenda“ für alles zuständig, erreicht aber nichts.

Kaffeemaschinen und Weinkühlschränke

Diese Verzettelung bis ins Lächerliche bei gleichzeitiger Impotenz in wichtigen Dingen ist natürlich ein wesentliches Kennzeichen des Modells der Bürokratie in der EU. Mit der europäischen Ökodesign-Richtlinie kam der totale Durchgriff auf jeden „Gegenstand, dessen Nutzung den Verbrauch von Energie in irgendeiner Weise beeinflusst,“ also jeden Gegenstand. Berühmt sind das Glühlampenverbot und die damit verbundene Verhässlichung der Innenbeleuchtung und das Verbot leistungsstarker Staubsauber, das man eigentlich einmal in seiner emanzipatorischen Wirkung auf die ja immer noch häufig weiblich besetze Rolle der Bediener beleuchten sollte, aber auch nichtgewerbliche Kaffeemaschinen und Weinkühlschränke wurden mit der gesonderten Aufmerksamkeit Brüssels bedacht. Alles eignet sich als Gegenstand einer Verordnung im Namen der Nachhaltigkeit, und was doch nicht im Namen der Nachhaltigkeit bearbeitet werden kann, wird dann eben zum Zwecke der Harmonisierung des Binnenmarktes geregelt.

"Mit der Ausdehnung der Zuständigkeit auf „Digitalisierung“ erweitert sich die Reichweite der bürokratischen Nachhaltigkeitsplanung von Gegenständen, denen man immerhin noch jedenfalls indirekt fassbare Zusammenhänge mit dem Zuständigkeitsbereich des Umweltministeriums nachsagen kann, auf schlechthin alles – und schlechthin alles wird von verschiedenen Stellen der europäischen und bundesdeutschen Bürokratie bearbeitet, vom Umweltministerium über die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung Dorothee Bär und nicht zu vergessen die Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Noch weiter geht allerdings der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), finanziert vom Umwelt- und vom Forschungsministerium, der mit seinem neuen Bericht „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ offenbar der Ministerin die Stichworte geliefert hat: „Im vollen Bewusstsein der spekulativen Natur der folgenden Überlegungen“ fragt er sich, „ob dann nicht auch beseelte künstliche Entitäten mit selbstständiger Willensbildung und Reproduktion in einer späteren Phase der digitalen Revolution formiert werden könnten” und ob “die Verbindung der sozialen und emotionalen Intelligenz des Menschen mit den uns überlegenen kognitiven Fähigkeiten von Maschinen eine Co-Evolution ermöglichen, deren Geschöpfe sogar größere Humanität besitzen als wir selbst?”

Universelle Macht- uns Zuständigkeitshunger

Ausgehend von solchen Gedankenspielen kann man natürlich mit jeder beliebigen Begründung alles Mögliche vorschlagen, was der WBGU dann auch tut, von „Elektroschrott in einer Kreislaufwirtschaft“ bis hin zu „Kollektivem Weltbewusstsein“ und „Digitale Technik als Gender-Bender.“ („Digital“ kommt übrigens von lateinisch „digitus“, der Finger.) Will man das überhaupt ernster nehmen als die ähnlich weitgreifenden Visionen in Hubbards Dianetics, dann versteht sich der WBGU offenbar als zuständig für alles, vom Amt des Müllmanns bis zu dem des Hohepriesters.

Der offen zur Schau gestellte universelle Macht- uns Zuständigkeitshunger nimmt zum Ende von Frau Schulzes Artikel dann noch eine bedrohlichere Wendung:

Zwischen dem ungeregelten US-amerikanischen Weg der Datenmonopole und dem chinesischen Weg des digitalen Totalitarismus arbeite ich für einen europäischen Weg.

Die deutsche Bundesumweltministerin sieht sich also offenbar und nach eigener Aussage auf halbem Weg zwischen amerikanischer Freiheit und kommunistischem Totalitarismus. Geographisch und inhaltlich kommt man da – nimmt man den Weg über Europa – ungefähr bei der DDR an. Nein danke, das hatten wir schon, und in Bezug auf den Umweltschutz war dieses Projekt genauso erfolgreich wie in jeder anderen Hinsicht. Nachhaltig war es auch nicht, denn sobald die Rote Armee nicht mehr willig war, für die Gerontokraten von Wandlitz zu schießen, war Schluss.

 

Autor Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Ralf Pöhling / 09.05.2019

Schön auf den Punkt gebracht. Will ich die Kontrolle über die Menscheit erlangen, muss ich die Kontrolle über ihren Energieverbrauch gewinnen. Die CO2 Steuer ist wohl genau dafür gedacht. Progressiver Zentralismus ist, wie alle zentralistischen Machtstrukturen, langfristig dem Untergang geweiht, Wenige sind niemals in der Lage, den Anliegen der Mehrheit gerecht zu werden. Dazu fehlt einfach der Horizont. Diejenigen, die damit liebäugeln, diese Aufgabe irgendwann einer zentralen Künstlichen Intelligenz anzuvertrauen, seien gewarnt: Keine Software ist fehlerfrei und keine Software wird jemals menschliche Gefühle entwickeln. Software ist und bleibt blanke und gefühlskalte Logik mit unbeabsichtigten Fehlern.

Martin Johannes Marhoff / 09.05.2019

Sehr geehrter Herr Haynold, in den USA überwacht die NSA auch den Datenverkehr. Weil diese auch uns überwacht, ist es mir völlig gleich wenn Frau Schulze sich dem anschließt. Irgendjemand überwacht uns immer.

Andreas Rühl / 09.05.2019

Nicht ganz richtig: Das Wort “Freiheit” kommt in dem Artikel gar nicht vor, es heisst “ungeregelte Datenmonopole”. Aber genau das ist das Bezeichnende. Das Konzept bürgerlicher Freiheit und Selbstverantwortung ist nämlich aus den Gedankengängen nicht nur dieser Geistesgröße und Dummschwätzerin verbannt. Freiheit ist allenfalls noch das, was uns Frau Schulze übrig lässt. Immer dann, wenn “Anreize” nicht genügen, kommt der Zwang und das Verbot. Das ist der Paradigmenwechsel, der Rückfall in eine totalitäre und gleichgeschaltete Ordnung. Es heisst nun nicht mehr: “Du bist nichts, Dein Volk ist alles” und im Ergebnis ähnliche Parolen der Unterdrückung und Gängelung. Es heisst nun: “Wir helfen den Bürger, uns bei der Umwandlung der Industriegesellschaft in eine nachhaltige Wirtschaft zu unterstützen”. Gemeint ist dasselbe. Dass sich dieser Paternalismus, der faschistoide Formen annimmt (etwa bei den immer lauter geforderten Essverboten) als “sozial”, “bunt” und “offen” tarnt, ändert nichts an seiner Zielrichtung: die dauerhafte Umformung des Menschen - bis hinein in die Beeinflussung evolutionärer Prozesse. Das Rad der Geschichte wird gegen die Laufrichtung gedreht. Das hatten wir schon einmal, als Ideologien den Menschen weismachten, die “Entfremdung des Arbeiters” zu beenden, eine angeblich vor der “Zivilisation” vorhandene freie Gesellschaft ohne Eigentum wiederherstellen zu können oder - jetzt - das angebliche Leben des Frei- und Wildbeuters vor der neolithischen Revolution “im Einklang mit der Natur” zurück zu zaubern oder durch Verbote und psychische Beeinflussung herbei zu zwingen. 10.000 Jahre Menschheitsgeschichte sollen zurückgekurbelt werden. Und als erstes muss darunter die Freiheit leiden. Denn freiwillig werden die Menschen derartigen Unfug nicht mit sich machen lassen. Das gibt mir Mut: dieses Konzept wird wie alle, die sich gegen den Lauf der Dinge stellen, an der Realität bitter scheitern und zerschellen.

Dr. Ernst-Erich Doberkat / 09.05.2019

Das ist schon ein interessanter Vorschlag, den die Frau Ministerin hier macht, jedem Algorithmus Umweltschutz einzupflanzen. Wenn sie wüßte, daß fast alle Algorithmen auf Bäumen unterschiedlicher Art arbeiten, so könnte sie vielleicht das ihrem Ministerium nachgeordnete Bundesumweltamt, hier insbesondere die mit Artenschutz befaßten Abteilungen, mit ins Spiel bringen. Man muß sich wohl langsam fragen, auf welchem intellektuellen Niveau manche unserer Politiker arbeiten.

Mario Bernkopf / 09.05.2019

Keine Ausbildung, die was taugt, noch nie richtig gearbeitet, aber überdimensionierte Ellenbogen. Beim Wort Algorithmus völlig überfordert. So stellt man sich die Personen vor, die unser Land regieren sollen. Die Damen Schulze und Chebli sollten den Club der weisen Frauen in der SPD gründen.

Stefan Lanz / 09.05.2019

Ich hab diese Frau gestern in einer Bundestagsdebatte (TV) bzgl. Wolf-Thema gesehen. Sie konnte zwar die Frage des AFD-Abgeordneten nicht beantworten, aber was mir aufgefallen ist: Ständiges arrogantes Grinsen, bei gleichzeitiger Inkompetenz. Einfach nur debil, die Frau. Und gleichzeitig ein exemplarisches Abbild dessen, was das Spitzenpersonal der SPD angeht…

Joachim Lucas / 09.05.2019

Wenn man einen Hebel hat, um alles und jede menschliche Sphäre beeinflussen und kontrollieren zu können, ist man gedanklich genauso weit wie der Wohlfahrtsausschuss der franz. Revolution. Der war mit seinem harmlosen und wohlklingenden Namen am Ende auch für alles zuständig bis hin zu den Hinrichtungen. Denn für die Tugend 1794 oder das richtige ökologische Verhalten 2019 musste und muss man Opfer bringen. Heute gibt’s statt Guillotine die Soziale Ächtung für die falsche Meinung beim Klimatrallala. Das ist Humanität 2019, das ist die Konsequenz solcher Freiheitszerstörer wie Schulze.

Sabine Schönfelder / 09.05.2019

Nachdem sich der ‘Mutti’-Typus einer Politikerin im Falle Merkel so gut bewährte, d.h. große Agitatorin im bürgerlichen, fast schon behäbigen Gewande, schickte die SPD Damen ähnlichen Ausmaßes und Inhalts ins Rennen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich Frauen wie Schulze oder Giffey kaum auseinanderhalten kann. Nur eines ist allen dreien gemeinsam, das ständige Agitieren für die Etablierung roter, kommunistischer, ökodiktatorischer Politik. Sie sind eine Art mütterliche ‘Rote Khmer’ und Pol Pota kommt diesmal aus der Uckermark. Das Internet, als letzte unabhängige Informationsquelle wird zunehmend der politischen Willkür unterstellt, zur Gehirnwäsche ‘à la Algorithmie’ und zur politischen Kontrolle und ‘Säuberung’ vorbereitet. Mit marktwirtschaftlich-kapitalistischen, durch den deutschen Michel erarbeitetem Geld, soll die linke Transformation bezahlt werden. Da der Linke nur träumen und unterdrücken kann und nicht rechnen und arbeiten, wird dieses Modell wieder scheitern. Schade um die Zeit, die verschwendete Kraft und die herausgeschmissenen Gelder!!!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Oliver M. Haynold, Gastautor / 08.03.2024 / 14:00 / 25

Bidens Rede voll überraschender Energie

Seine überraschende Energie verdankte US-Präsident Joe Biden sicher auch einer Stimmung im Kapitol, die eher einem Wahlkampfauftritt in einem Bierzelt ähnelte als einer Thronrede zur…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 01.02.2024 / 15:00 / 10

Wie rechts ist der Herrgott?

Als Erfolg des „Kampfes gegen rechts“ wurde gefeiert, dass der Thüringer CDU-Generalsekretär Christian Herrgott die Wahl zum Landrat des Saale-Orla-Kreises knapp gewonnen hat. Aber ist…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 26.01.2024 / 14:00 / 22

Söder rüstet auf

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder träumt von europäischen Flugzeugträgern, Kernwaffen und „100.000 Drohnen“. Meinen ersten Artikel auf der Achse des Guten habe ich vor fünf Jahren veröffentlicht, als Annegret…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 15.11.2023 / 14:00 / 22

Relativieren mit Obama

In Deutschland kaum beachtet, hat Ex-US-Präsident Barack Obama sich zum Krieg Israels und der Hamas geäußert. Tosenden Applaus erhielt er immer dann, wenn er die Morde…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 15.06.2023 / 12:00 / 45

Wird es jetzt eng für Trump?

Donald-Trump, Ex-Präsident der USA und wieder Bewerber um das Amt, ist vor Gericht mit 38 Anklagevorwürfen konfrontiert, die es in sich haben. Aber natürlich riecht die…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 02.04.2023 / 11:00 / 44

Ein Skiunfall und der irre Prozess gegen Donald Trump

Der Prozess gegen Donald Trump hat Züge eines Spektakels, dem immerhin der Unterhaltungswert nicht abzusprechen ist. Die Aussicht auf Erfolg ist hingegen äußerst zweifelhaft. Insofern…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 08.02.2023 / 14:00 / 17

Was Biden gestern zur Lage der Nation sagte

In seiner Rede zur Lage der Nation versprühte Joe Biden gestern ein bisschen "Make America Great again", ein bisschen Klimarettung, ein bisschen staatliche Wohltaten, warb…/ mehr

Oliver M. Haynold, Gastautor / 23.11.2022 / 12:00 / 67

Deutsche Askese? Wie wär’s mal mit Rechnen?

Der Weihnachtsbaum des Kanzleramts soll nur zwischen 16 Uhr und 20 Uhr beleuchtet sein, aus Energiespargründen. An diesem Beispiel zeigt sich der Verlust des Gespürs für Größenordnungen deutlich.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com